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StilkolumneGelten die alten Regeln zum Siezen und Duzen noch?

Lesezeit 4 Minuten
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Im Berufsleben ist es ganz einfach: Der oder die hierarchisch Höhere – vereinfacht gesagt: der Chef oder die Chefin – bietet das Du an, nie umgekehrt.

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. In Zeiten von flachen Hierarchien scheint die förmliche Anrede beinahe aus der Zeit gefallen. Ingeborg Arians, die ehemalige Protokollchefin im Kölner Rathaus erklärt, wann es dennoch geboten ist.

Köln – Die Regeln der Anrede haben in den vergangenen zehn, 15 Jahren – bedingt durch die Digitalisierung und die Nivellierung von formalen Ansprüchen an die Kommunikation – einen starken Wandel erfahren. Ganz ohne Belang ist es nach wie vor nicht, ob Sie mit jemandem per Sie oder per Du sind. Aber es hat stark an Bedeutung verloren. Das Du steht für Nähe, Vertrautheit, Bindung. Das Sie steht für eine gewisse Distanz und emotionale Neutralität. Meine Großmutter sagte immer zu mir: „Du Esel“ sagt sich leichter als „Sie Esel“. Das förmliche Sie hat kommunikativ auch eine Schutzfunktion – für mein Gegenüber wie für mich.

Im Berufsleben ist es ganz einfach: Der oder die hierarchisch Höhere – vereinfacht gesagt: der Chef oder die Chefin – bietet das Du an, nie umgekehrt. In dem Maße, in dem in Unternehmen die Hierarchien flacher werden, hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Siezen und Duzen.

Zur Person

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Ingeborg Arians

Foto: Michael Bause

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

In jungen Unternehmen, in Start-ups mit modernen, schnellen Produkten oder Dienstleistungen sowie in Branchen, die von der angloamerikanischen Unternehmenskultur (und der englischen Sprache mit dem für alle geltenden „You“) dominiert werden, ist heute das „Du“ schon fast der Normalfall. Aber wenn Sie neu in ein solches Unternehmen kommen, in dem Sie branchentypisch das Du vermuten, sollten Sie dennoch nie mit der Tür ins Haus fallen, sondern erst einmal hinhorchen, wie die konkrete Praxis ist.

Ein Du kann künstlich oder kumpelhaft wirken

Auch im Kontakt zu Kunden oder Geschäftspartnern vermeiden Sie anfangs besser das umstandslose Du, selbst wenn es in der eigenen Firma üblich ist. Es könnte künstlich kumpelhaft oder anbiedernd wirken. Lassen Sie zunächst Ihr Gegenüber sprechen, und achten Sie auf die gewählte Anredeform. In einer Art Zwischenzone befinden Sie sich, wenn Sie mit jemandem privat per Du sind, dann aber beruflich mit ihm oder ihr zu tun haben. Es spricht in solch einem Fall nichts dagegen, vorübergehend auf das formelle Sie umzusteigen. Das kann gerade im öffentlichen Auftreten oder vor Dritten auch eine Frage des Respekts sein.

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Wenn Sie sich nun privat in Kreisen bewegen, in denen man nicht ohne Weiteres vom Sie zum Du übergeht, gilt dort zweierlei. Regel eins: Der/die Ältere bietet dem/der Jüngeren das Du an. Regel zwei: Die Frau bietet dem Mann das Du an. Nun kommen die beiden Regeln einander erkennbar in die Quere, wenn eine jüngere Frau mit einem älteren Mann zu tun hat. Hierfür gibt es keine Standardempfehlung – außer vielleicht das Bauchgefühl einer lang gedienten Protokollchefin: Alter schlägt Geschlecht.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Besondere Sensibilität ist auch vonnöten, wenn Ihnen das Du angeboten wird, Sie es aber nicht annehmen möchten. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass Ihre Ablehnung als kränkend empfunden werden könnte. Es gilt also blitzschnell zu überlegen, warum Ihnen ein anderer das Du anbietet. Meine Devise lautet: Ihr Gegenüber sollte sich im Kontakt mit Ihnen möglichst nicht schlecht fühlen. Das hieße dann, im Zweifelsfall über den eigenen Schatten springen und das Du annehmen.

Nicht zuletzt sind regionale Gepflogenheiten wichtig. Im Rheinland zum Beispiel wird das Duzen ja eher lockerer gehandhabt. Da werden Sie idealtypisch eher mit Du angeredet werden als zum Beispiel in meiner Heimat, dem westlichen Münsterland.

Aufgezeichnet von Joachim Frank