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Studie wirft Fragen aufJeder zehnte Deutsche stirbt beatmet im Krankenhaus

Lesezeit 2 Minuten
Ein Mitarbeiter richtet bei einer an Covid-19 erkrankten Patientin in einem Zimmer des besonders geschützten Teils der Intensivstation des Universitätsklinikums Greifswald die Beatmungsmaske.

Offenbar werden in deutschen Kliniken besonders oft Patienten künstlich beatmet.

Ist die Häufigkeit das wirklich notwendig - oder bringt es den Kliniken nur viel Geld? Das Team um den Kölner Notfallmediziner Christian Karagiannidis wertete Daten von mehr als eine Million Patienten aus.

In deutschen Krankenhäusern werden nach Auffassung von Lungenfachärzten und Notfallmedizinern außergewöhnlich oft Patienten künstlich beatmet. „Deutschland beatmet weitaus mehr Patienten als andere Länder mit ähnlich entwickeltem Gesundheitssystem. Dabei ist jedoch die Krankenhaussterblichkeit mit 43,3 Prozent sehr hoch, wie auch die Kosten mit insgesamt sechs Milliarden Euro jährlich“, erklärten die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) am Donnerstag in Berlin unter Hinweis auf eine Studie im Fachjournal „Lancet“.

„Friedlich zuhause sterben ist für viele Menschen nicht mehr die Realität - sie liegen oftmals in den Kliniken“, resümierte DGP-Präsident Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „Jeder zehnte Deutsche stirbt sogar beatmet im Krankenhaus.“ Es sei auffällig, dass vor allem hochaltrige Patienten sehr häufig auf den Intensivstationen beatmet würden, aber dennoch versterben. „Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob wir ethisch und medizinisch das Richtige tun, wie auch gesellschaftlich-ökonomisch“, sagte auch DGIIN-Präsident Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin am Universitätsklinikum Köln.

Studie wirft Fragen auf: Beatmung bringt Kliniken viel Geld ein

„Wir müssen uns auch die Frage nach dem Warum gefallen lassen“, sagte der DGIIN-Präsident. Beatmung bringe in Deutschland Geld in die Klinik. „Haben wir also so viele Beatmungsbetten, weil die Patienten sie brauchen? Oder brauchen wir so viele Patienten in diesen Betten, damit sich die Klinik finanzieren kann?“, fragte Windisch. Wichtig seien deshalb mehr Qualitätssicherung und gut ausgebildetes Personal. Nicht jeder dürfe alles machen.

Das Team um den Hauptautor und Notfallmediziner Christian Karagiannidis wertete die Routinedaten der mehr als eine Million Patienten ab 18 Jahren aus, die zwischen 2019 und 2022 in 1.395 deutschen Krankenhäuser beatmet wurden. Insgesamt verstarben 43,3 Prozent der Beatmeten im Krankenhaus. Dabei beobachteten die Autoren einen Anstieg der Krankenhausmortalität mit dem Alter: So starben 27,6 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen, aber 59 Prozent bei den über 80-Jährigen. Insgesamt starben somit in Deutschland über 10 Prozent aller Personen mit Beatmung.

Die Anzahl der beatmeten Patienten innerhalb der Gesamtbevölkerung war insbesondere bei den über 80-Jährigen mit über 1 Prozent pro Jahr sehr hoch. Die Autoren ermittelten die durchschnittlichen Kosten pro beatmeten Patienten mit 22.000 Euro für das Jahr 2019 und 25.500 Euro für 2022. (KNA)