Wie geht es weiter mit den städtischen Kliniken? Mit den Geschäftsführern Sylvia Langer (52) und Prof. Dr. Axel Goßmann (56) sprach Michael Fuchs über ihre Pläne für einen Gesundheitscampus in Merheim.
Rundschau-InterviewWarum die Chefs der städtischen Kliniken aus drei Krankenhäusern eines machen wollen
Warum möchten Sie die Klinik-Standorte Holweide und Riehl aufgeben und alle medizinischen Abteilungen von dort nach Merheim verlagern?
Goßmann: Die Oberbürgermeisterin hat uns den Auftrag gegeben, ein Modell für eine erfolgreiche Zukunft der städtischen Kliniken zu entwickeln. Dabei soll die hohe Qualität der medizinischen Versorgung an erster Stelle stehen. Zudem müssen wir künftig wirtschaftlicher arbeiten. Weitere Aspekte sind der zunehmende Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege, sowie die bevorstehenden Veränderungen in der Krankenhauslandschaft durch die Reformpläne von Bund und Land. Wir sind überzeugt: Eine Bündelung unserer Kräfte am Standort Merheim ist die beste Antwort auf all diese Herausforderungen.
Ein Umzug nach Merheim würde laut Ihrer Kalkulation Investitionen von 590 Millionen Euro bis 2031 erfordern. Das ist kein Pappenstiel.
Langer: Es ist ein großes Projekt, vor dem man Respekt haben muss. Aber auch eine riesige Chance. Sie zu nutzen wird nur gemeinsam gelingen im engen Schulterschluss zwischen Stadt, Stadtrat, Kliniken, unseren 4500 Beschäftigten und der ganzen Stadt. Wenn der Rat die Entscheidung trifft, diesen Weg zu gehen – was wir sehr hoffen –, können wir nur empfehlen, einen langen Atem zu haben und den Plan für den Neustart der Kliniken durchzuhalten mit aller Konsequenz.
Im Umfeld der Kliniken Holweide und Riehl sorgen Ihre Pläne für viel Kritik.
Goßmann: Ich kann die Argumente der Menschen vor Ort gut nachvollziehen. Aber man muss ganz klar sagen: Es geht darum, dass die Kliniken Köln in Zukunft überhaupt eine medizinische Versorgung als Maximalversorger sicherstellen können. Die geplanten Krankenhausreformen gehen klar in Richtung Zentralisierung. Wenn wir jetzt nicht reagieren, laufen wir Gefahr, dass wir medizinische Leistungsbereiche abgenommen bekommen. Das würde eine erhebliche Einschränkung der Versorgung im Rechtsrheinischen bedeuten.
Langer: Das möchte ich unterstreichen. Heute ist bereits jede dritte Pflegekraft älter als 55 Jahre. Der Fachkräftemangel wird sich verschärfen und weitere Bereiche erfassen. Wir glauben, dass wir mit der Ein-Standort-Lösung die beste Chance haben, hier gegenzusteuern und den Menschen auch in Zukunft die bestmögliche medizinische Versorgung zu bieten.
Es gab Kritik, Ihr Plan sei rein betriebswirtschaftlich ausgerichtet, um die exorbitanten Verluste der Kliniken zu reduzieren, die Versorgung der Patienten spiele keine Rolle.
Langer: Das ist absolut falsch. Unser Zukunftsmodell basiert auf dem, was medizinisch sinnvoll ist. Weil es medizinisch sinnvoll ist, alle Leistungen möglichst nah beieinander anzubieten, um die Patienten optimal zu versorgen, wird der Betrieb dann auch wirtschaftlicher.
Goßmann: Es liegt auf der Hand, dass es teurer ist, drei Standorte zu unterhalten als einen. Alles, was wir dreimal vorhalten, kostet auch dreimal. Wenn bei uns ein Frühchen operiert werden muss, müssen wir es per Baby-Intensivtransport von Holweide nach Merheim oder Riehl bringen. In der Uniklinik fährt man es mit dem Aufzug auf eine andere Etage.
Was genau wollen Sie mit 590 Millionen Euro in Merheim bauen?
Langer: In dieser Summe steckt der Neubau der Kinderklinik für mehr als 120 Millionen Euro sowie ein großer Erweiterungsbau und die Sanierung und Modernisierung der vorhandenen Gebäude. Auch die gesamte Logistik möchten wir dort ansiedeln, um kurze Wege zu schaffen. Die Verwaltung kann zunächst in Holweide bleiben, könnte aber langfristig ebenfalls nach Merheim umziehen.
Goßmann: Die zentrale Notaufnahme wird erheblich erweitert, um den steigenden Bedarf zu decken, ideal wäre die Ansiedlung einer Notfallpraxis. Die jetzigen Strukturen sind veraltet. Künftig soll es dort einen integrierten Kreißsaal geben, kurze Wege von der Notaufnahme in die Stationen und optimierte Prozesse. Die neue Kinderklinik wollen wir kinder- und familiengerecht gestalten mit Familienzimmern und Mutter-Kind-Zentrum.
Das alles in neun Jahren bis 2031 umzusetzen, klingt sehr ambitioniert...
Langer: Andere Kliniken haben vergleichbare Zeitpläne eingehalten. Wir würden gerne beweisen, dass man das auch in Köln schaffen kann, wenn alle an einem Strang ziehen.
Goßmann: Bauen müssen wir so oder so. Wenn wir an den drei Standorten festhalten würden, müssten wir viel mehr im laufenden Betrieb sanieren. Das würde länger dauern, viel mehr kosten und unsere Patienten und Mitarbeiter deutlich stärker belasten.
Bis 2031 muss die Stadt dreistellige Millionenbeträge für die Verluste der Kliniken aufbringen. Bei einer Konzentration auf Merheim fallen diese laut Ihrer Kalkulation nur etwa halb so hoch aus, als wenn alle drei Standorte erhalten blieben. Woran liegt das?
Langer: Anfangs wären die jährlichen Verluste nahezu gleich. Wenn ab 2028 der Umzug beginnt, werden sie aber deutlich geringer. Wir gehen hier von einem Zuwachs an Patienten aus, wie es ihn üblicherweise bei Neubauten von Kliniken gibt. Zudem werde die neuen Strukturen es uns ermöglichen, unsere Auslastung zu verbessern.
Goßmann: Eine Entscheidung pro Merheim würde auch bedeuten, dass wir Ruhe in die öffentliche Diskussion bekommen. Das würde uns deutliche Vorteile bei der Personalakquise verschaffen.
Baden-Württemberg fördert den Klinikverbund Heidelberg/Mannheim. NRW lässt sich viel Zeit in der Frage, ob es einen Verbund aus den Kliniken Köln und der Uniklinik Köln genehmigt oder nicht. Wie wirkt sich die Hängepartie auf Ihre Strategie aus?
Goßmann: Es ist unsere Aufgabe, die Kliniken Köln zu konsolidieren – unabhängig davon, wie sich die NRW-Landesregierung entscheidet. Unsere Strategie der Konzentration in Merheim würde einem Klinikverbund nicht widersprechen, sondern, im Gegenteil, die Grundlagen dafür verbessern.
Soll es an den Standorten Holweide und Riehl gar keine medizinischen Angebote mehr geben?
Langer: Wir fokussieren uns darauf, die Kliniken Köln in Merheim optimal neu aufzustellen. Wir würden uns freuen, wenn auf den frei werdenden Flächen in Holweide Wohnungen für Pflegekräfte entstehen, weil uns das bei der Personalgewinnung hilft. In Holweide und Riehl wären Angebote wie Ärztehäuser, Senioreneinrichtungen oder Hospize denkbar. Darüber zu entscheiden, ist Aufgabe des Stadtrats, nicht der Kliniken.
Wie sehen Sie die ersten Reaktionen auf Ihre Pläne?
Langer: Was uns bestärkt, ist das Votum des Betriebsrats, der unsere Pläne mit großer Mehrheit bei nur einer Gegenstimme begrüßt hat. Diese Unterstützung ist auch nach außen ein sehr positives Signal.
Goßmann: Die Zentralisierung in Merheim wird von einem Großteil der Beschäftigten aktiv begrüßt. In den Diskussionen mit der Politik gibt es immer wieder Kritik an der geplanten Verlagerung. Ich bitte aber darum, auch die positiven Aspekte zu sehen. Ein Neubau der Kinderklinik und die Konzentration der Erwachsenenmedizin in Merheim bedeuten eine massive Verbesserung der Versorgung der Menschen im Rechtsrheinischen.
Die neue Geschäftsführung
Seit 1. November 2022 ist Gesundheitsökonomin Sylvia Langer (52) Sprecherin der Geschäftsführung der Kliniken Köln. Die gebürtige Thüringerin war bis 30. Juni 2021 Finanzchefin der Uniklinik Ulm, davor Vorsitzende der Geschäftsführung des BG Klinikums Hamburg. Gemeinsam mit dem medizinischen Geschäftsführer Prof. Dr. med. Axel Goßmann (56) soll sie die hochdefizitären Kliniken neu aufstellen. Goßmann kam 2008 als Chefarzt der Radiologie zu den Kliniken Köln. Im April 2022 wurde er Klinischer Direktor, im Mai Geschäftsführer. Unterstützt werden die beiden von Pflegedirektorin Silvia Cohnen und Restrukturierungsberater Manuel Berger. Ex-Geschäftsführer Holger Baumann, 2018 als Sanierer geholt, hatte die Kliniken im September verlassen. Der Klinische Direktor Horst Kierdorf und Finanzdirektor Daniel Brozowski mussten auf Druck von Stadt und Aufsichtsrat Ende März gehen. (fu)
Flächenpotenzial
24 Hektar umfasst das Gelände des Klinikums Merheim, das noch reichlich Platz für Erweiterungen und neue Klinikbauten bietet. Dieses Potenzial ist einer der Gründe, warum die Uniklinik, die in Lindenthal nicht weiter wachsen kann, einen Verbund mit den städtischen Kliniken will. Das Areal der Klinik Holweide ist 11,3 Hektar groß, das Gelände der Kinderklinik 2,7 Hektar. Im Falle einer Zentralisierung in Merheim könnten diese Flächen in Holweide und Riehl verkauft werden. Das soll den Kliniken rund 124 Millionen Euro einbringen. (fu)