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„Schlagfertigkeitsqueen“Wie führt man ein schwieriges Gespräch, Nicole Staudinger?

Lesezeit 15 Minuten
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Nicole Staudinger ist Autorin, TV-Moderatorin und trainiert Frauen, schlagfertiger zu werden.

Nicole Staudinger wurde mit dem Titel „Schlagfertigkeitsqueen“ zur Bestseller-Autorin. Mit ihrem neuen Buch „Leicht gesagt – wie wir richtig rüberbringen, was nicht falsch ankommen soll“, möchte sie nun vermitteln, wie wir jenseits der Schlagfertigkeit gute Gespräche führen. Für sie selbst eine große Herausforderung, denn „bei mir setzt das Denken manchmal erst ein, wenn der Satz draußen ist“. Staudinger ist in Köln geboren und lebt heute in der Eifel. Im Interview (hier können Sie das Gespräch auch als Podcast hören) erzählt sie, warum sie Köln den Rücken gekehrt hat und warum sie manchmal befürchtet, einfach eine alte weiße Frau zu sein.

Frau Staudinger, in welchen Gesprächen haben Sie schon mal komplett versagt?

Ich habe schon sehr tief ins Klo gegriffen. Ich beginne das Buch mit meinem persönlichen Finanzamt-Fiasko, wo ich bei der Sachbearbeiterin angerufen und mich komplett im Ton verwählt habe. Jetzt habe ich Hausverbot. So etwas passiert mir, weil ich sehr schlagfertig bin. Das Denken setzt dann manchmal erst ein, wenn der Satz draußen ist. Es ist mir nicht in die Wiege gelegt, mal eine Nacht drüber zu schlafen oder eine Situation auch nur fünf Minuten sacken zu lassen. Das kann zu brenzligen Situationen führen.

Ihre Bücher sind oft sehr persönlich. In „Brüste umständehalber abzugeben“ haben Sie 2015 über Ihre Krebserkrankung geschrieben. Was war der konkrete Anlass für das neue Buch?

Für mich ist es die Fortsetzung von meinem Buch „Schlagfertigkeitsqueen“. Darin ging es ja darum, wie man sich schnell eine passende Antwort einfallen lässt. Schlagfertigkeit rettet aber nur die Situation, sie löst nicht den Konflikt. Wenn der Chef mir 7900 mal am Tag einen Spruch drückt, auf den ich schlagfertig reagieren muss, sollte ich das grundsätzliche Problem lösen. Mir fällt aber auch dieser Moment vor acht Jahren ein, als der Arzt, der den Knoten in meiner Brust bestätigte, mir auf die Schulter klopfte und sage: „Oha, in Ihrer Haut möchte ich jetzt nicht stecken.“ Ich habe mir jahrelang den Kopf darüber zerbrochen, ob es nicht bessere, andere Worte gegeben hätte, mir das mitzuteilen. Da wollte ich mal genauer hingucken: Wie kommunizieren wir in Krisensituationen? Und macht es eigentlich einen Unterschied, ob ich mit dem Kaiser von China, dem Papst, meinen Kindern oder der Chefin rede? Ich behaupte: Nein.

Vor schwierigen Gesprächen haben die meisten Angst. Warum?

Vielleicht weil wir nicht wissen, wie das geht. Hat man Ihnen in der Schulzeit mal gesagt: „So Schatz, setz dich hin und wir reden mal darüber, wie wir schwierige Gespräche führen?“ Also wenn, war ich nicht da an dem Tag. Wir haben Angst davor, dass eine Beziehung auseinandergehen könnte. Es ist unser Urwunsch, geliebt zu werden und zu gefallen. Unser Leben wäre grundanstrengend, wenn wir das bei allen wollten. Aber wir wollen es bei den Menschen, die uns wichtig sind oder die unseren Alltag prägen, wie im Büro die Kollegen. Ein schwieriges Gespräch wird schon viel leichter, wenn ich nicht sofort einen raushaue, sondern überlege, wie ich das Gespräch angehen will und mir vor allem diese eine Frage stelle: Was will ich?

Was will ich denn?

Jetzt jubeln vielleicht alle und sagen: Endlich geht’s mal um mich. Aber die Frage muss schon ehrlich beantwortet werden. Will ich dem Kollegen nur eins zurückgeben, weil er mir den letzten Urlaubstag vor der Nase weggeschnappt hat? Oder ist es die Überschrift „Wo kommen wir denn da hin, wenn der so mit mir spricht?“ Dann geht es um Druckabbau. Legitim, aber in der Kommunikation schwierig. Wenn man mit dem Kollegen nicht unbedingt gut Freund sein muss, aber auch nichts unter dem Teppich gekehrt haben will, weil mir dafür die Lebenszeit zu schade ist, dann fange ich mit der Kommunikation an. Und da gibt es tatsächlich einen Leitfaden, an dem wir uns entlang hangeln können.

Beziehungen sind oft ein Schlachtfeld, was Kommunikation angeht. Besonders bei Scheidungen sind dann verletzte Gefühle im Spiel. Sie haben sich kurz vor der Corona-Krise scheiden lassen. Was haben Sie gelernt, was Sie weitergeben können?

Ratschläge sind und bleiben für mich Schläge. Ich kann nur sagen, wie das bei uns gut geklappt hat. Wir sind zum Glück nie in diese Schleife der Verletzungen reingeraten, weil unsere Ehe von uns beiden beendet wurde, auch wenn ich es als erste ausgesprochen habe. Es gab auch keine dritte Person. Ich verweigere den Begriff „gescheiterte Ehe“. Wir hatten wundervolle 15 Jahre zusammen, aus denen zwei wundervolle Kinder entstanden sind. Wenn ich im Nachgang auch nur ein schlechtes Wort über meinen Ex-Mann verlieren würde, hieße das im Umkehrschluss über mich doch, dass ich jahrelang im Unglück gelebt habe. Und das heißt nur, dass ich nicht den Popo in der Hose hatte, das zu beenden. Wir haben die Reißleine gezogen, bevor es dazu kam.

Warum sind Ratschläge Schläge?

Stellen Sie sich vor, Sie hätten mir heute Morgen erzählt, Sie seien mit einer Migräne aufgewacht. Und dann hätte ich gesagt: Migräne, kenn ich. Du musst jetzt erstmal drei Liter Wasser trinken, Yoga machen und eine Runde um den Block gehen. Ich wäre spätestens bei „Yoga“ rausgewesen. Es macht doch von der Formulierung einen Unterschied, wenn ich sage: „Ach Mensch, Sie arme Maus, Migräne ist aber auch scheiße. Da habe ich auch schon Erfahrungen mit gemacht. Mir haben eine Flasche Wasser geholfen, eine Runde um den Block und Yoga auf Dauer.“ Ich vermeide alle Formulierungen, die mit „müssen“ anfangen.

Sie behaupten, man soll für jedes schwierige Gespräch dankbar sein. Das müssen Sie jetzt aber erklären.

Die Dankbarkeit ploppt in jedem meiner Bücher auf, sie ist die Basis von allem und sie ändert die Perspektive. Dankbarkeit ist immer gut, wenn ich so gar keinen Anpack finde, um in ein Gespräch zu kommen. Dankbarkeit kann mir die Brücke schlagen. Bei der nervigen Schwiegermutter kann es helfen, es mal von dieser Seite zu sehen: Allein die Tatsache, dass ich eine Schwiegermutter habe, bedeutet, dass ich verheiratet bin, dass ich geliebt werde, dass da eine Angehörige im hohen Alter noch lebt. Das eigene Menschenbild ist eine wichtige Basis für Kommunikation. Wie sehe ich mein Gegenüber? Es macht einen Unterschied, ob ich nach zwei Jahren Corona-Krise im Büro nur den nervigen Kollegen sehe, der nach Alkohol riecht, oder ob ich vermute, dass der Kollege einen Rucksack auf dem Rücken zu haben scheint, den ich von meiner Perspektive aus nicht sehen kann.

Lassen Sie uns das Beispiel mal konkretisieren. Wie gehe ich das Gespräch mit dem Kollegen an?

Was will ich? Will ich aufrichtig wissen, wie er durch die Zeit gekommen ist? Will ich nur seine Fahne nicht mehr riechen? Beides ist legitim. Nur die Wege, wie das Gespräch startet, sind unterschiedlich. Der Geruch kann unterschiedliche Gründe haben, auch das sollte ich in Betracht ziehen. Vielleicht hat er Meditonsin genommen. Machen Sie sich von allem frei und gehen Sie offen rein ins Gespräch. Führen Sie es nicht im Büro, gehen Sie eine Runde um den Block in der Mittagspause. Bauen Sie Vertrauen auf. Sagen Sie: „Schön, dass wir uns wiedersehen nach der langen Zeit. Ich schätze dich als Arbeitskollegen sehr. Bestimmt hat die Corona-Krise was mit dir gemacht, so wie mit mir auch, und ich nehme jetzt mal einfach meinen Mut zusammen und sage dir etwas: Ich nehme an dir einen auffälligen Mundgeruch war, der aus meiner Perspektive wie Alkohol riecht. Und ich frage mich: Ist da irgendwas, worüber du reden möchtest?“

Was, wenn der Kollege einschnappt?

Dann sorgen Sie wieder für Vertrauen: „Ich wollte es nur nicht unausgesprochen lassen und habe überlegt, was ich mir von Kollegen wünschen würde, wenn es um mich ginge.“ Wenn er nicht drüber reden will, kann man das Gespräch an der Stelle beenden und ihm ein offenes Ohr anbieten. Die zweite wichtige Basis: zuhören. Und zwar aufrichtig zuhören. Und dann sagen: „Schön, dass wir drüber gesprochen haben. Wenn ich irgendwie helfen kann, stehe ich Gewehr bei Fuß. Ansonsten gehen wir zurück und machen unsere Arbeit.“ Dann haben Sie es von der Seele. Und es rutscht Ihnen nicht in einem spontanen Konflikt raus: „Du stinkst übrigens nach Alkohol.“

Ein Beispiel aus Ihrem Buch: Der Partner oder die Partnerin hat 15 Kilo zugenommen. Jemandem zu sagen, dass man ihn früher attraktiver fand, ist hart.

Gerade wir Frauen reagieren bei dem Thema total empfindlich, selbst wenn es nur fünf Kilo sind. Das liegt an unserem ewig kritischen Selbstbild, unserer Achillesferse, die Männer in der Form nicht haben. Wenn die 15 Kilo zunehmen, haben sie halt 15 Kilo mehr von sich. Aber wenn wir reflektiert kommunizieren, verstehen wir Frauen so einen Hinweis auch nicht mehr falsch. Dann kann es vom Partner ein liebevoller Hinweis sein. Die Liebe ist so stark, dass ihr Partner sich traut, das anzusprechen. Und ich finde das legitim. Der Ton macht natürlich die Musik. Danach stellen Sie sich vor den Spiegel und sagen: Ja, ich habe fünf Kilo zugenommen. Aber ob ich jetzt abnehme oder nicht, ist meine Sache.

„Du stinkst, geh mal duschen.“ Männer sagen solche Dinge unter sich, bei Frauen wäre das völlig undenkbar, schreiben Sie im Buch.

Die Erfahrung habe ich tatsächlich mit Männern gemacht in meinen Schlagfertigkeitsseminaren. Männer beziehen solche Sprüche nämlich in keinster Weise auf ihre Leistung oder auf ihren Wert als Mensch. Und das ist doch erst einmal super. Ich glaube, das können wir Frauen uns von den Jungs wirklich abgucken. Wenn ich ein gutes Selbstbild habe, kommt Kritik nur an meine Ohren und nicht an meine Grundfesten. Wenn mein Partner sagt: „Schatz, du hast fünf Kilo zugenommen“, ist das erstmal einfach nur ein Fakt und noch lange keine Kritik an meiner Schönheit, an meinem Selbstbild, an meinem Humor. Es ist immer nur das, was wir rein interpretieren.

Sie beschreiben auch die Kommunikationsfalle „Ätschi“. Wie sieht die aus?

Wir müssen uns nur Nachbarschaftsstreitigkeiten angucken. Wenn ich sehe, womit sich deutsche Gerichte befassen müssen: Mir kann doch keiner erzählen, dass das Lebensglück von einer Hecke abhängt, die vierzig Zentimeter zu hoch gewachsen ist. Zwei „Ätschi“-Sätze: Wenn hier jeder seine Hecke so wachsen lässt. Oder: Wie hat der mit mir gesprochen? Dem zeige ich es.

Die Corona-Krise ist eine schwere Zeit für Kommunikation. Was hat Sie gestört?

Ich möchte mit keinem aus der Politik tauschen. Aber ich hätte mir mal gewünscht, dass einer da vorne steht und sagt: „Kinders, wir sind jetzt mal ganz offen und ehrlich zu euch. Es ist auch für uns der erste Virus. Wir sind im engsten Kontakt mit der Wissenschaft. Stand heute ist, dass wir die Masken brauchen, weil die schützen. Wir schaffen das nur, wenn Sie alle an einem Strang ziehen. Es kann aber passieren, dass wir in zwei Wochen eine neue Datenlage haben. Dann müssten wir Sie wieder neu ins Boot holen, weil das auch für uns ein Lernprozess ist. Wir versichern Ihnen aber, dass wir alles tun, was in unserer Macht steht. Dazu gehört auch Impfen. Wenn Sie uns helfen wollen, schnell aus dieser Krise rauszukommen, machen Sie bitte mit.“ Ich glaube, wir hätten mehr Menschen ins Boot geholt, wenn so kommuniziert worden wäre.

Wenn sich Verwandte oder Freunde als Corona-Leugner entpuppen, wie geht man damit um?

Ich habe da auch keine Lösung für. Ich habe mich von einer Freundin tatsächlich verabschiedet mit den Worten: „Bitte sei mir nicht böse, aber ich ertrage es im Moment einfach nicht.“ Zumal unsere Kinder befreundet waren und ich nicht zulassen konnte, dass da beim Spielen Parolen geschwungen werden. Merkel ist eine Echse? Da kann ich nicht mehr argumentieren. Man kann Kommunikation auch beenden, wenn man es vorher vergeblich versucht hat. Man muss es vielleicht sogar. Und wenn Onkel Herbert seit 30 Jahren frauenfeindliche Parolen bei Familientreffen ablässt, dann müssen wir sagen: Pass mal auf, du bist hier herzlich willkommen. Aber es werden keine Frauenwitze gemacht. Wenn du das mit dir vereinbaren kannst, lass dir den Sauerbraten schmecken und wenn nicht: Dann gibt es für die anderen mehr Sauerbraten.

In der Pandemie gab es viel Ungnade – mit Klorollen-Hortern oder Menschen, die ihre Masken nicht richtig aufsetzen. Wie haben Sie das erlebt?

Ich kann nicht nachvollziehen, wenn sich jemand achtzig Packungen Klopapier kauft. Aber das Gefühl, auf alles möglicherweise Schlimme vorbereitet sein zu wollen, kann ich nachvollziehen. Es sucht sich doch jeder sein Ventil. Wenn ich so denke, bin ich den Menschen doch gleich viel gnädiger gegenübergestellt. Ich habe gerade eine gebrochene Schulter und bin sehr langsam unterwegs. Vorgestern bin ich von einem Mann im Supermarkt angepöbelt worden, der sagte: Geht das nicht langsam mal ein bisschen schneller hier? Ich habe den angeguckt und gesagt: Nein, tut‘s nicht. Mit dem muss ich nicht diskutieren, da ist Schlagfertigkeit gefragt. Trotzdem frage ich mich dann: Habe ich auch schon auf jemanden zu barsch reagiert, der die Schulter gebrochen hatte und ich habe es einfach nur nicht gesehen? Wir tun gut daran, wenn wir die imaginären Rucksäcke unseres Gegenübers mitdenken.

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Nicole Staudinger weiß, wie man schwierige Gespräche am besten angeht.

Auch beim Thema Gendern wird es oft sehr emotional. Warum?

Im Moment werden die Diskussionen oft so geführt, dass einer sagt: Du bist doof, weil du es nicht machst. Am Gendern hängt aber kein Menschenleben. Es ist ein Unterschied, ob man darauf hinweist, warum man Gendern wichtig findet, oder ob man mit dem Maschinengewehr unterwegs ist, wenn jemand nicht gendert. Wichtig für eine gute Kommunikationsbasis ist immer, runter vom hohen Ross zu kommen. Denn von dort will ich nur jemandem meine Meinung aufdrücken. Nur wenn ich aufrichtig zuhöre, kann ich auch etwas lernen. Können Sie sich noch an das Gerichtsurteil erinnern, wo sich die ältere Dame bei der Sparkasse durchgesetzt hat, dass da „Kundin“ stehen muss statt „Kunde“?

Ja.

Da habe ich erst gedacht: Mit so etwas müssen sich ernsthaft Gerichte beschäftigen? Das ist doch nicht kriegsentscheidend. Bis ich einen Bericht sah im WDR, wo man nicht über, sondern mit der Frau gesprochen hat. Danach habe ich gesagt: Die Frau hat ja so was von recht. Denn die Begründung des Gerichts war, dass das generische Maskulinum seit ungefähr 2000 Jahren benutzt wird. Und die Klägerin hat sinngemäß gesagt: Dann wird es doch mal Zeit, das zu ändern. Da habe ich mir gedacht: Wie doof bin ich eigentlich, dass ich die Frau vorverurteilt habe? Sich andere Standpunkte anzuhören, ist bewusstseinserweiternd. Ob ich den Standpunkt dann teile, ist eine andere Sache.

Sie schreiben im Buch, Greta Thunbergs Kommunikation motiviere sie nicht dazu, klimafreundlicher zu handeln. Warum nicht?

Auch wenn ich mich jetzt vielleicht unbeliebt mache: Mir ist das zu sehr von oben herab, zu belehrend. Ich erwische mich dabei, wie ich denke: Oh Schatz, du musst noch so viel lernen. Ich hasse mich für diesen Gedanken, aber was soll ich machen? Ich denke es. Ich arbeite an mir, umweltbewusster zu leben, aber Greta Thunberg inspiriert mich nicht.

Den jüngeren Generationen geht das anders. Und freundliche Erklärungen bringen die Menschen auch nicht dazu, sich umweltfreundlicher zu verhalten. Sind Regeln und Verbote am Ende doch die beste Kommunikation?

Ich finde es großartig, dass sich so viele Jüngere von Greta Thunberg inspirieren lassen. Und Sie haben völlig recht: Mit der netten Kommunikation haben wir es jetzt schon ein paar Jahre versucht. Die alten weißen Herren lassen sich davon nicht bekehren, politisch ist definitiv eine andere Ansprache erforderlich. Vielleicht bin ich auch einfach eine alte weiße Frau tief in mir drin. Aber motivieren funktioniert für mich kommunikativ trotzdem anders. Wir wissen alle, wie wichtig gesunde Ernährung und Sport sind. Am Wissen hapert es nicht. Aber ich kriege Menschen nicht über Wissen abgeholt, sondern beispielsweise über Humor. Für mich ist Greta Thunberg aber kein Feindbild, das ist mir ganz wichtig. Wenn ich lese, dass auf Autos „Fuck Greta“ draufsteht, fasse ich mir an den Kopf.

Sie sind in Köln geboren, in Kerpen aufgewachsen, haben später jahrelang in Köln gelebt – bis Sie in die Eifel gezogen sind. Warum?

Jetzt mache ich mich schon wieder unbeliebt. Ich liebe diese Stadt, aber ich möchte auf keinen Fall mehr in ihr wohnen.

Warum?

Mir ist hier zu viel Geklüngel. Mir sitzen zu viele Leute auf Posten, die ihre Posten haben, weil sie einen kennen, der einen kennt. Mir passen hier ganz grundsätzliche Sachen nicht. Dass ein Stadtarchiv eingestürzt ist, wofür es immer noch keine Schuldigen gibt. Dass man eine Brücke baut, ohne drüber nachzudenken, ob da noch ein LKW drunter passt. Und weil ich nicht in die Politik gehen könnte, ohne an einem Herzinfarkt zu sterben, muss ich mich herausziehen. Wohlwissend, dass es in anderen Städten vermutlich genauso kacke läuft. Sie würden mich auch nicht nach Berlin bekommen. Deswegen bin ich aufs Land gezogen. Eine bewusste Entscheidung, nach dem Motto: Geh, wenn es am schönsten ist.

Das ist jetzt eine Abrechnung mit der Stadtverwaltung oder der Politik. Wie steht es um die Stadt selbst, die Menschen?

Ich mache keinen Kölnbesuch, ohne über die Deutzer Brücke zu fahren und „Am Dom zo Kölle“ von den Bläck Fööss zu hören. Wenn ich es noch nicht zu Ende gehört habe, fahre ich ein zweites Mal über die Brücke, was wiederum Greta Thunberg nicht erfreuen würde. Das ist keine Abrechnung, kein Zynismus und ich weiß auch nicht, wie es besser geht. Aber ich muss im Leben lernen, wohin ich meine Energie investiere und meine Nerven schone. Die sind zum Großteil bereits verbraucht und die wachsen in der Stadt nicht nach. Die Art und Weise, mit der viele Dinge in Köln behandelt werden, sind nicht mein „Way of Life“.