AboAbonnieren

Umsetzung sei „extrem schwierig“Mitglied von Scholz-Expertenrat lehnt Impfpflicht ab

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Professor Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Dresden

Berlin – Zum Start der Bundestagsberatungen über eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona hat sich ein Mitglied des Corona-Expertenrates von Kanzler Olaf Scholz klar gegen das Instrument ausgesprochen. „Ich persönlich bin ein großer Befürworter der Impfung, aber gegen eine allgemeine Impfpflicht“, sagte der Professor und Direktor der Dresdener Kinderklinik Reinhard Berner unserer Redaktion. „Der Effekt wäre nach meiner Einschätzung begrenzt, man erreicht die Bequemen und die Zauderer, aber überzeugt nicht die Gegner.“

Zudem wäre die Umsetzung „extrem schwierig“ und die ohnehin hitzigen Diskussionen in Familien, Freundeskreisen oder Belegschaften würden „noch weiter verschärft“, sagte der Kinderarzt und Regierungsberater. „Daher halte ich persönlich wenig von den Rufen nach der Impfpflicht und noch weniger von ihrer Einführung.“ Der Professor aus Dresden ist eines der 19 Mitglieder im Corona-Expertenrat, den Kanzler Olaf Scholz einberufen hat.

Mehr Einsatz für freiwillige Impfungen

Statt auf eine Impfpflicht zu setzen, forderte Berner mehr Einsatz für freiwillige Impfungen: „Man müsste noch viel mehr tun, um niederschwellige Angebote zu machen und Kampagnen so zu intensiveren, dass sie auch diejenigen erreichen, die weiter entfernt sind von den traditionellen Kommunikationswegen“, sagte er.

Es spreche auch nichts dagegen, öffentlich über die Voraussetzungen für eine Impfpflicht zu debattieren. „Sie könnte sinnvoll und notwendig sein, wenn Corona noch gefährlicher werden würde; und man muss dafür nicht erst Vergleiche mit Pocken oder Ebola bemühen. Aber so lange es dafür keine Anzeichen gibt, so lange hilft uns die Impfpflicht meines Erachtens insbesondere mit Blick auf die gesellschaftliche Bewältigung der Pandemie nicht den entscheidenden Schritt weiter.“

Das Wohl der Kinder müsse im Blick bleiben

Zudem warnte Berner eindringlich vor neuen Eindämmungsmaßnahmen bei Kindern: „Auch in der Omikron-Welle muss das Wohl der Kinder im Blick bleiben, darf es nur als allerletztes Maßnahmen wie Schul- oder Kitaschließungen geben, die bei den Jüngsten oft mehr Schaden anrichten statt ihnen zu helfen.“ Berner weiter: „Es gibt hunderttausende Kinder, die jetzt in die dritte Klasse kommen, und die noch kein normales Schuljahr erlebt haben! Oder noch kein normales Kita-Jahr!“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Frage sei: Dient die Quarantäne den Kindern? Die Antwort sei, in der Regel nein, nicht den Kindern selbst, sagte der Arzt. „Die De-facto-Schließungen von Kitagruppen und Schulklassen gehen ja nicht auf schwere Verläufe bei den Kindern zurück, sondern auf Quarantäne von nicht infizierten Mitschülern zum Schutze von Erwachsenen, die eigentlich geimpft sein könnten!“ Er sei überdies fest davon überzeugt, „dass die Pandemie kaum Aufmerksamkeit genießen würde, wenn nur Kinder betroffen wären. Der Alarm kommt durch die Gefahr für Erwachsene.“

Auch das Sporttreiben in Vereinen, die gemeinsamen Freizeit- und Kulturerlebnisse dürften nicht noch einmal unterbunden werden. „Neben der körperlichen muss auch die seelische Unversehrtheit der Kinder oberste Priorität haben.“