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Porträt des neuen CDU-ChefsFriedrich Merz – „Man wird sich noch wundern“

Lesezeit 5 Minuten
Friedrich Merz Porträt

Friedrich Merz (CDU)

  1. Drei Anläufe brauchte Friedrich Merz für sein Ziel, CDU-Chef zu werden.
  2. Nun präsentiert er sich beinahe runderneuert, seine Wahl zum Nachfolger von Armin Laschet gilt als reine Formalie.
  3. Kann der Neustart mit ihm klappen?

In der CDU sagen viele jetzt, man werde sich noch wundern. Friedrich Merz sei weder der erzkonservative Knochen, zu dem ihn seine Gegner in den vergangenen Jahren erklärt haben. Noch werde er diejenigen enttäuschen, die sich wieder mehr CDU pur und Klartext von ihm versprechen.

Wer in diesen Tagen mit CDU-Leuten spricht, erlebt eine Eintracht wie lange nicht. Die Mitgliederbefragung, aus der Merz mit 62,1 Prozent als überraschend deutlicher Sieger hervorging, hat seine Kritiker verstummen lassen. In diesen Tagen wird plötzlich zum Merz-Fan, wer lange nicht verdächtig war, dem 66-jährigen Sauerländer etwas abgewinnen zu können.

Friedrich Merz legt einen bemerkenswerten Wiederaufstieg hin

Der Wiederaufstieg von Friedrich Merz zählt ohne Zweifel zu den bemerkenswertesten der vergangenen Jahre. Aber dass Olaf Scholz Kanzler werden könnte, hatte ja vor wenigen Monaten auch niemand gedacht, außer er selbst.

Merz ist mit ähnlichem Selbstbewusstsein ausgestattet. Wer drei mal antritt, muss schon davon überzeugt sein, dass er es am besten kann. Doch ebenjenes Selbstbewusstsein war nicht wenigen in der Partei Grund genug, ihn immer wieder zu verhindern. Wenn Merz bei seinem ersten Anlauf auf die Nachfolge von Angela Merkel davon sprach, dass er Wähler der AfD in Scharen zurückgewinnen könnte, fürchteten viele als Preis dafür einen Rechtsruck der CDU. Wenn Merz im Rennen mit Armin Laschet vor einem Jahr die Parteiführung als „Establishment“ bezeichnete, das ihn verhindern wolle, sah man darin eine Geringschätzung der gewählten Parteiführung zum Ausdruck gebracht.

Nicht das beste Image in der Öffentlichkeit

In der Öffentlichkeit haftete Merz überdies lange das Image des Manns von Gestern an. Vertreter einer modernen CDU auf Merkel-Kurs störten sich daran, dass er in einem Interview Homosexualität in Zusammenhang mit Pädophilie brachte. Oder in der Corona-Pandemie die Befürchtung äußerte, viele könnten sich in der Kurzarbeit allzu gemütlich einrichten. Man traute ihm zu, auch als Parteichef kein Fettnäpfchen auszulassen.

Das Klischee vom entrückten Aufsichtsratschef des US-Vermögensverwalters Blackrock, zu lange raus aus den Mühen der Alltagspolitik, bestimmte lange das öffentliche Bild. Dass Merz nach seiner Niederlage gegen Armin Laschet eine Mitarbeit etwa im Präsidium der Partei ablehnte und stattdessen tollkühn verlangte, Merkel sollte ihn adhoc zum Wirtschaftsminister machen, bestätigte die Zweifler. Merz, so schien es, ging es wenig um die Partei, sondern vor allem um seine politische Karriere.

Heute allerdings liegen die Dinge anders. Wann es genau angefangen hat, dass Merz sich noch einmal neu erfand, ist schwer zu sagen. Womöglich war der Machtkampf zwischen Laschet und Söder um die Kanzlerkandidatur ein Schlüsselmoment. Merz unterstützte Laschet anschließend nach Kräften im Wahlkampf. Außerdem hat er sich um ein ganz normales Bundestagsmandat bemüht, seinen Wahlkreis gewonnen, und damit dokumentiert, dass er die Mühen der Ebene nicht scheut. Er hat sich aus der Wirtschaft zurückgezogen, macht jetzt nur noch Politik. Er hat viel gelesen und nachgedacht, heißt es.

Das große Aufatmen im Osten

Die CDUler im Osten, die ihn schon lange als Hoffnungsträger ausgemacht haben, atmen nun auf. Die Vorrunden hätte es nicht gebraucht. „Friedrich Merz war von Anfang an der Richtige“, sagt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, im Gespräch mit unserer Redaktion, sichtlich erleichtert, dass Merz es nun wird. Doch auch die andere Seite scheint – vorerst – mit Merz versöhnt. Die liberale Kultusministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien, die beim digitalen Parteitag an diesem Samstag als Stellvertreterin kandidiert, sieht Merz als „konservative Projektionsfläche“ und dagegen sei ja auch gar nichts einzuwenden. Im persönlichen Gespräch sei er offen und konstruktiv.

Neue Gesichter in der CDU um sich versammelt

Friedrich Merz beschreibt sich selbst als „lernfähiges System“. Beim dritten Anlauf auf den Parteivorsitz präsentiert er überraschend den Berliner Sozialpolitiker Mario Czaja als neuen Generalsekretär und eine bis dato unbekannte junge Mutter namens Christina Stumpp als dessen Stellvertreterin. Für Präsidium und Vorstand kandidieren neue Gesichter aus allen Richtungen der CDU, darunter viele Frauen. Die Sozialpolitik hat der Wirtschaftspolitiker Merz zum wichtigsten neuen Thema der Union auserkoren. Ein neues Grundsatzprogramm soll erarbeitet, die CDU bei wichtigen Themen wieder „intellektuell satisfaktionsfähig“ werden, wie es ihr der Historiker Andreas Rödder auf den Aufgabenzettel schrieb. Merz wirkt in diesen Tagen gelassen, fast zahm.

Friedrich Merz übernimmt eine CDU, die am Boden liegt

Beim Parteitag will er nur eine kurze Rede halten, es ist ja diesmal auch kein Wettbewerb mehr. Die 1001 Delegierten, damit wird zumindest gerechnet, werden ihm ein „ausgezeichnetes Ergebnis“ bescheren, meint ein CDU-Spitzenpolitiker. Er selbst sagte der „Süddeutschen Zeitung“, „Eine Acht vorne wäre schön.“ Eine allerdings wird seinem Comeback in die Spitzenpolitik nicht beiwohnen: Angela Merkel ist weder Delegierte, noch wird sie als Rednerin zugeschaltet sein.

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Merz übernimmt – anders als es bei den ersten Anläufen der Fall gewesen wäre – eine Partei am Boden. Die Erwartungen an ihn sind hoch, die Bewährungszeit kurz. Schon im März stehen in Schleswig-Holstein und im Saarland Landtagswahlen vor der Tür, im Mai im wichtigen Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Und noch ein Problem muss Merz rasch lösen: Er selbst hat bereits angedeutet, dass er es für sinnvoll hält, wenn Partei- und Fraktionsvorstand im Bundestag in einer Hand sind, also in seiner. Doch der amtierende Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der noch bis April im Amt ist, hat bisher nicht erkennen lassen, dass er kampflos das Feld für Merz räumen wird. Der alte Merz hätte den Kampf wohl auf Gedeih und Verderb ausgefochten. Der neue Merz wird eine Lösung finden müssen, die die Partei nicht erneut zerreißt. Ihm selbst hatte die damals neue Parteichefin Angela Merkel 2002 den Fraktionsvorsitz abgeknöpft – und damit sein erstes Leben in der Spitzenpolitik jäh beendet.