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Zentralrat der Juden-Präsident„Keine religiösen Gründe gegen Impfpflicht“

Lesezeit 4 Minuten
Josef Schuster

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland 

  1. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, hat sich kürzlich für eine Impfpflicht ausgesprochen.
  2. Was er von Demonstranten hält, die Corona-Politik und Judenverfolgung gleichsetzen, sagt er im Interview mit Stefanie Witte und Burkhard Ewert.

Kritiker vergleichen die Corona-Politik von Bundesregierung und Landesregierungen mit Judenverfolgung wie im Dritten Reich. Wie geht es Ihnen, wenn Sie so etwas hören?

Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis. Ich missbillige diese Vergleiche, unter anderem weil Juden im Dritten Reich keine Möglichkeit hatten zu entkommen. Die Menschen, die heute diese Vergleiche anstellen, bezeichnen staatliche Maßnahmen als Verfolgung. Das ist schlicht falsch. Ungeimpfte werden aus Gründen des Gesundheitsschutzes aus bestimmten Bereichen ausgegrenzt, in denen 2G herrscht. Ohne Impfung kann ich zum Beispiel nicht in ein Restaurant gehen. Aber die Menschen haben es selbst in der Hand, das zu ändern – sie müssen sich nur impfen lassen.

Sie haben sich für Impfpflicht, aber gegen Impfzwang ausgesprochen: Was ist, wenn für Einzelne religiöse Gründe gegen eine Impfpflicht stehen?

Zur Person

Josef Schuster (67), als Sohn emigrierter deutscher Juden in Haifa geboren, steht seit November 2014 dem Zentralrat der Juden in Deutschland (vor. Daneben gehört er unter anderem dem Deutschen Ethikrat an und ist Vizepräsident des World Jewish Congress. Der Internist und Notarzt betrieb bis 2020 eine eigene Praxis in Würzburg. (EB)

Aus jüdischer Sicht kann ich mir keine religiösen Gründe gegen eine Impfpflicht vorstellen. Ich tue mich aber auch sehr schwer damit, mir grundsätzlich religiöse Argumente dagegen vorzustellen.

Haben Sie Kritik erfahren, nachdem Sie sich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hatten?

Innerjüdisch habe ich keine Kritik bekommen. Aus der Gesamtgesellschaft kam Kritik. Aber ich denke, die gleichen Bemerkungen in Zuschriften und Mails bekommen gerade alle, die sich dafür einsetzen. Es kamen aber sehr wohl auch zustimmende Äußerungen.

Ist die Meinung in der jüdischen Community einheitlich pro Impfpflicht?

Sicher gibt es Juden, die sich gegen eine Impfung aussprechen – einen kenne ich persönlich. Das heiße ich aber nicht gut.

Sie haben kürzlich formuliert, dass sich das politische Klima in Deutschland negativ verändert habe – insbesondere in Online-Foren. Was erwarten Sie diesbezüglich von einem neuen Minister für Digitales?

Ich erwarte von der neuen Bundesregierung insgesamt und von den Strafverfolgungsbehörden einen schärferen Blick darauf. Insbesondere ein Medium hat sich hier negativ hervorgetan: Telegram. Aber ich habe den Eindruck, dass man diese Auswüchse eindämmen will. Die negative Veränderung des politischen Klimas hat im Übrigen viel mit der AfD zu tun. Sie trägt mit ihrer Hetze meines Erachtens erheblich dazu bei. Ich hoffe, dass bald über Klagen der AfD gerichtlich entschieden wird, damit der Verfassungsschutz die gesamte Partei als Verdachtsfall führen und damit beobachten darf.

Wie schwer ist es für jüdische Gemeinden, das Gemeindeleben nach zwei Jahren Pandemie aufrecht zu erhalten?

Ich glaube, es ist ähnlich schwierig wie in christlichen Kirchengemeinden. Bei uns gibt es einen kleinen Unterschied: In der orthodoxen Tradition, also in der Mehrheit der Gemeinden in Deutschland, haben wir im Gegensatz zu den liberalen Gemeinden nicht die Möglichkeit, einen Gottesdienst am Schabbat live online zu übertragen, weil das den religiösen Vorschriften widerspricht. Abgesehen davon lassen sich viele Veranstaltungen per Streaming in die Wohnzimmer bringen. Klar – eine Präsenzveranstaltung kann das nie ersetzen. Aber dieses Problem hat die gesamte Gesellschaft.

In Katar findet Ende des Jahres die Fußball-WM statt – das Emirat stützt massiv die radikalislamische Hamas. Sollten Juden die Spiele besuchen?

Die Frage sollte sich jeder stellen, nicht nur Juden. Ich persönlich hätte kein Interesse daran, nach Katar zu reisen und diese Spiele zu besuchen. Inwieweit jüdische Nationalspieler an der WM teilnehmen, ist mir nicht bekannt. Ganz grundsätzlich muss man aber auch fragen: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, die WM an ein solches Land zu vergeben?

Wie steht es um deutsche Politiker? Zu den Olympischen Spielen in China reisen aus politischen Gründen viele nicht.

Ich gehe davon aus, dass auch die WM in Katar seitens deutscher Politiker nicht auf großes Interesse stößt. Ich finde auch, sie sollten sich in dieser Jahreszeit eher auf das dann bevorstehende Weihnachtsfest vorbereiten.