Trotz massivem StreitNRW will Corona-Impfpflicht umsetzen – Kritik an Bayern
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Düsseldorf/Berlin – Im Streit um die Impfpflicht für Pflege- und Klinikpersonal pocht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegen den Willen Bayerns und der CDU auf Vollzug durch die Länder. NRW bleibt derweil trotz großer Zweifel und der harten Kritik führender Unions-Vertreter an dem Gesetz auf Kurs.
„Das Gesetz gilt, und wir werden mit allen daran arbeiten, Umsetzungsmöglichkeiten zu erleichtern“, sagte Lauterbach gestern in Berlin. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte eine Aussetzung des Vollzugs angekündigt. Die CDU nannte das von ihr im Bundestag vor einem Monat mit beschlossene Gesetz derzeit kaum umsetzbar.
Lauterbach warf Söder indirekt vor, Konflikten mit den Gegnern der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aus dem Weg gehen zu wollen. „Das ist eine unbeliebte Vollzugsmaßnahme, die dazu führt, dass in einigen Bundesländern zeitweise Personal ausfällt“, sagte er. „Das macht niemand gerne. Und diesem Konflikt will man offenbar ausweichen, weil man glaubt, die Omikronvariante ist so harmlos, dass man das nicht mehr braucht.“
Lauterbach sieht in dem Streit „nicht wirklich viele Kompromisslinien“. „Entweder gilt das Gesetz auch für Bayern, oder das Gesetz gilt nicht.“ Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann verteidigte den Schritt des Freistaates. „Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde“, sagte Herrmann nach einer Kabinettssitzung in München. Der CSU-Politiker machte zugleich deutlich, Bayern halte die einrichtungsbezogene Impfpflicht generell für richtig, insbesondere, wenn sie im Paket mit der allgemeinen Impfpflicht eingeführt werde.
Auch Niedersachsen hält an Impfpflicht fest
Unterstützung erfährt Lauterbach derweil von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Sein Land halte an der Einführung der Impfpflicht für Pflegekräfte fest. Weil kritisierte seinen bayrischen Amtskollegen Söder für dessen Alleingang heftig. „Bayern ist inzwischen ein komplett unberechenbarer Faktor in der Corona-Diskussion. Dass nunmehr sogar die Umsetzung eines Bundesgesetzes auf nicht absehbare Zeit verweigert wird, hat allerdings eine neue Qualität“, ließ Weil in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion mitteilen.
Lauterbach stellte fest, der Vollzug des Gesetzes sei Ländersache. Der Bund könne nur Hilfestellung bieten. „Aber ganz konkrete Anfragen habe ich weder aus Bayern noch von der CDU gesehen.“ Laut Infektionsschutzgesetz müssen die Beschäftigten bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können.
Umsetzung der Impfpflicht sorgt für Probleme
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte an: „Solange die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, werden wir einen möglichst praxisorientierten Weg suchen, sie umzusetzen“. Er gab aber zu bedenken, dass die Maßnahme in der Umsetzung auf „enorme Schwierigkeiten“ stoße. Der Bund habe es versäumt, dafür einheitliche Regeln vorzulegen.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bekräftigte, dass das Gesetz in NRW „vernünftig umgesetzt“ werde, forderte aber den Bund auf, die Impfpflicht praxistauglicher zu machen. Dazu gehöre eine Klarstellung, welche Berufstätigen genau unter die Impfpflicht fallen und ein Leitfaden, der den Gesundheitsämtern bei der Entscheidung helfen soll, welche ungeimpften Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten dürfen. Laumann rechnet mit bis zu 80000 Einzelfall-Entscheidungen über Ungeimpfte.
Kritik an Bayern und Söders Alleingang
Der Vize-Vorsitzende des Städtetages NRW, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), kritisierte den bayerischen Alleingang: „Dass nun ein einzelnes Bundesland aus der gemeinsamen Verabredung ausschert, führt zu weiterer Verunsicherung bei Bürgerinnen und Bürgern rund um das Thema Impfpflicht und auch darüber hinaus“, sagte er unserer Redaktion. Kufen stellte klar: „Wir halten die Impfpflicht für die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen weiter für richtig.“
Laut NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht „gesellschaftlicher Konsens“. Er forderte Hendrik Wüst als Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz auf, „seine Unionsländer zusammen zu trommeln, damit umgesetzt werden kann, was gemeinsam beschlossen wurde.“ (mit dpa)