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70. Geburtstag alleinePutin sieht seinem Lebenswerk beim Zerfall zu

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Putin vor einer Karte seines Riesenreiches.

  1. Nach mehr als 22 Jahren an der Macht muss der Kremlchef zusehen, wie wegen seines Krieges gegen die Ukraine sein Lebenswerk zerfällt.
  2. Zu seinem Geburtstag wird auch über einen Nachfolger an der Spitze der Atommacht nachgedacht.

Für Wladimir Putin sollte sein runder Geburtstag auch ein politischer Triumph werden. Längst wollte der russische Präsident die wehrhafte Ukraine mit seinem brutalen Angriffskrieg als Staat zerstört haben. Doch auch an seinem 70. Geburtstag an diesem Freitag wird der Kremlchef angesichts immer neuer Niederlagen bei seiner Invasion als Oberbefehlshaber alle Hände voll zu tun haben. Vor allem aber muss Putin, der Russland nach den chaotischen 1990er Jahren voller Armut wieder auf die Beine brachte, jetzt zusehen, wie nach seinen gut 22 Jahren an der Macht vieles in sich zusammenfällt.

Nach mehr als sieben Monaten Blutvergießen und Tausenden Toten auf ukrainischer und russischer Seite wird sich der für seine Gefühlskälte bekannte Ex-Geheimdienstchef den Geburtstag trotzdem nicht ganz verderben lassen. Dem Jubilar, der wegen seiner fast unbegrenzten Machtfülle mit einem Zaren verglichen wird, wird ein Faible für gutes Essen nachgesagt.

Tschetschenenführer nach Militärkritik befördert

Der Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, hat nach seiner Beförderung zum Generaloberst Russlands Präsident Wladimir Putin seine Solidarität versichert. Das tschetschenische Volk werde die Politik des Staatsoberhauptes überall auf der Welt voll und ganz unterstützen, schrieb er gestern auf Telegram. Zuvor hatte er sich für den dritthöchsten militärischen Rang bedankt. Er sei dem Oberbefehlshaber „unglaublich dankbar“ für die „große Wertschätzung“. Kadyrow, der für seinen brutalen Führungsstil im muslimisch geprägten Tschetschenien bekannt ist, tat sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als einer der glühendsten Kriegsbefürworter hervor. Mehrfach kritisierte er nach russischen Niederlagen die militärische Führung des Landes scharf. (dpa/EB)

Gerade erst hat Putin vier ukrainische Gebiete unter internationalem Protest annektiert. Trotzdem kontrolliert Russland die Regionen nicht komplett. Putin wollte nach monatelangem Kampf endlich ein Ergebnis präsentieren. „Der Krieg hätte sonst seinen Sinn verloren“, sagt der Politologe Abbas Galljamow. Als einen Sieg sieht das aber nicht einmal der Kreml.

Ein Getriebener der Lage

Galljamow, der früher selbst im Kreml arbeitete, will Putin nicht als „wahnsinnig“ bezeichnen, bescheinigt ihm aber „Kontrollverlust“. Der Staatschef, der einst im sowjetischen KGB Karriere machte, sei nicht mehr Herr der Lage – anders als bislang meist in seinem politischen Leben. Putin sei ein Getriebener der Lage in der Ukraine. Er habe seinen Status als „heilige Figur“, als Garant für Stabilität verloren.

Putin selbst spricht derweil von einem „Blitzkrieg“ des Westens gegen Russland. Die Rohstoffmacht steckt wegen des Drucks der Sanktionen in einer massiven Rezession. Tausende Firmen haben das Land verlassen, Zehntausende haben keine Arbeit mehr. Es gebe eine beispiellose „Deindustrialisierung“, so Galljamow. „Er macht Russland zu einem Dritte-Welt-Land“, sagt er über Putin. Die Elite des Landes sei in einer „Depression“, weil der schnelle Sieg in der Ukraine fehle. Zu den Niederlagen der Armee komme das Chaos bei der Teilmobilmachung. Doch Galljamow sagt auch, dass Putins Ressourcen noch gewaltig seien – auch wegen der Ergebenheit des Sicherheitsapparats. Zudem vertrauen viele Russen – vor allem die über 60-Jährigen – ihm weiter, weil sie keinen anderen starken Führer sehen.

Mix aus Härte und Menschlichkeit

Mit einer Mischung aus Härte gegenüber dem Westen und demonstrativ menschlichen Augenblicken hat Putin es stets verstanden, Leute für sich einzunehmen. Schon als Teenager galt seine Leidenschaft dem Kampfsport, bis heute präsentiert er sich als Judoka und Eishockey-Spieler oder mit nacktem Oberkörper beim Fischen oder Reiten. Aus seinem Privatleben aber machte Putin stets ein großes Geheimnis. Nach fast 30 Jahren Ehe hatte er 2013 die Trennung von seiner Frau Ljudmila bekanntgegeben. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die 1986 geborene Jekaterina und die ein Jahr ältere Maria. Putin ist Großvater, aber offiziell bis heute Single.

Am 7. Oktober 1952 wurde der heute mächtigste Mann Russlands in Leningrad (heute St. Petersburg) als drittes Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Sein Vater wurde durch Kriegsverletzungen zum Invaliden, seine Mutter überlebte die Leningrader Blockade der deutschen Wehrmacht, verlor zwei Söhne und war über 40 Jahre alt, als sie den dritten und letzten Sohn Wladimir zur Welt brachte.

Putin, der Jura studierte, war in den 1990er Jahren Berater des Bürgermeisters seiner Heimatstadt. Viele, die mit ihm dort arbeiteten, haben heute hohe Posten: Alexej Miller ist Chef des Gasmonopolisten Gazprom. Dmitri Medwedew wurde Präsident und Regierungschef und ist Vize des Sicherheitsrates. Igor Setschin leitet den größten russischen Ölkonzern Rosneft. Die Liste der Günstlinge, darunter viele Oligarchen, ist lang.

Hoffnungen zerschlugen sich

Putins Gegner lasten ihm eine Vielzahl von Verbrechen an. Unter ihm führte Russland Kriege gegen Tschetschenien, Georgien, in Syrien. Viele Kritiker, darunter der frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow und Journalisten wie Anna Politkowskaja, wurden erschossen. Seit Jahren sieht sich Putin in der Kritik, die Freiheitsrechte vernichtet zu haben. Er lässt Proteste gewaltsam auflösen und Andersdenkende brutal verfolgen.

Dabei hatte Putin, als Vorgänger Boris Jelzin in der Silvesternacht zum Jahr 2000 seinen Rücktritt bekannt gab, noch ein demokratisches Russland versprochen. Kritiker sprachen aber bereits damals von einer eiskalt eingefädelten Machtübernahme. 2020 ließ Putin die Verfassung ändern, die ihm nun sogar einen Verbleib an der Macht bis 2036 ermöglicht.

Bis heute verfängt bei einem großen Teil der russischen Bevölkerung seine in der Sowjetunion erworbene Ideologie eines aggressiven Anti-Amerikanismus. Der scharfen Kritik am Westen ist Putin bis heute treu geblieben. Dabei gab es anfangs Hoffnung, dass die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen unter ihm florieren könnten. Als erster russischer Präsident hielt er im September 2001 eine Rede im Bundestag – auf Deutsch. Die Handelsbeziehungen nahmen zu. Vor allem wurde Deutschland noch abhängiger von russischem Gas als zuvor. Heute ist das alles Geschichte.

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Der Politologe Galljamow sagt, dass Putin in seinem Krieg jetzt vor allem darauf setze, dass die Energiekrise sich in Europa weiter zuspitze und damit die Solidarität mit der Ukraine breche. Wenn Europa bis März nicht „eingefroren“ sei, dann sehe es schlecht aus für Putin – ein Jahr vor der Präsidentenwahl 2024. Galljamow sieht derzeit angesichts fallender Zustimmungswerte nicht, dass Putin sich ohne Betrug einen neuen Sieg verschaffen kann. Aber Manipulation könne zu einer Revolution führen, betont er.

Galljamow sieht nur einen friedlichen Ausweg: Putin könnte selbst einen Nachfolger benennen, dem er vertraue. Als möglichen Kandidaten sieht er Sergej Sobjanin, den Bürgermeister von Moskau. Immer mehr Menschen verstünden, dass Putins Zeit abgelaufen sei: „Wenn er die Ukraine nicht überfallen hätte, dann hätte wohl niemand gemerkt, dass die russische Armee nur ein Papiertiger ist.“ (dpa)