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Nach Verbot der „Bandidos“Wie den Rockerbanden der Garaus gemacht werden soll

Lesezeit 5 Minuten
Jacken der Bandidos

Symbolbild 

  1. Rocker-Kriminalität Bandidos und Hells Angels liefern sich immer wieder äußerst gewalttätige Auseinandersetzungen.
  2. Die Länder und nun auch der Bund wollen dem ein Ende setzen.
  3. Verstärkte Ermittlungen und Verbote der Rocker-Vereine sind die Mittel.

Im Januar 2019 hatte eine Schießerei zweier Männer am Breslauer Platz in unmittelbarer Nähe des Kölner Hauptbahnhofs für Entsetzen gesorgt. Die Rede war damals von Szenen wie „aus einem Wild-Westfilm“. Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob hatte im Anschluss an die Tat geäußert: „Hier ist ein Konflikt auf offener Straße entstanden, wo das Leben völlig Unbeteiligter extrem gefährdet war.“ Wie sich herausstellte, handelte es sich bei beiden Tätern um Mitglieder der verfeindeten Rockergruppen Bandidos und Hells Angels. Beide wurden zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, der Bandido zu zweieinhalb Jahren ohne Bewährung.

Dieser spektakuläre Fall war bei weitem nicht der einzige in den vergangenen Jahren in Köln. Zwischen 2017 und 2019 gab es zehn gravierende Gewalttaten – oftmals mit Schießereien –, die mit dem Rocker-Milieu unmittelbar verbunden waren (siehe nächste Seite). Hintergründe für die gewalttätigen Aktionen sind zumeist mutmaßlich Macht- und Revieransprüche: Die Bandidos versuchen seit einigen Jahren in Köln und der Region ihr Einflussgebiet auszudehnen. Die Folge sind massive Auseinandersetzungen mit lokal ansässigen Gangs, in denen es zu Schießereien, Auftragsmorden, Geiselnahmen, Überfällen, Massenschlägereien oder Waffendiebstählen kam.

Einige Kölner Hauptakteure sind in Haft

Durch die Ermittlungsoffensive der Kölner Polizei seit 2019 kamen einige der Hauptfiguren der Bandido-Szene in Köln in Haft. Seitdem sind auch die offenen Auseinandersetzungen im Stadtgebiet verschwunden, so Christoph Schulte, Sprecher der Kölner Polizei. Im Zuge der Null-Toleranz-Strategie der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat das Innenministerium zuletzt im April den Rocker-Verein „Bandidos MC Hohenlimburg/Witten“ verboten. Nun hat das Bundesinnenministerium nachgelegt. Die Rockergruppe „Bandidos MC Federation West Central“, die in Nordrhein-Westfalen vor allem im Ruhrgebiet in Essen und Dortmund aktiv ist, ist ab sofort verboten und aufgelöst. Laut Bundesinnenministerium ist es das bislang größte Verbot dieser Art. Von dem Verein gehe eine schwerwiegende Gefährdung für die Allgemeinheit aus, heißt es zur Begründung.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlichte die Verbotsverfügung am Montag in Abstimmung mit den Innenministern von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz, wie das Ministerium mitteilte. Die Tätigkeit des Vereins und seiner 38 Teilorganisationen (Chapter) – darunter allein 28 in NRW – laufe den Strafgesetzen zuwider. Schwere Körperverletzung sowie versuchte und vollendete Tötungsdelikte gehen demnach auf das Konto der Rocker. Auf der Verbotsliste steht auch das Kölner Chapter „Bandidos MC Cologne“, das sich 2019 nach eigenen Angaben selbst aufgelöst hatte.

Schilder an Vereinsräumen in NRW abmontiert

Dass Straftaten durch die „Bandidos MC Federation West Central“ nicht nur geduldet, sondern auch gefördert und belohnt wurden, lässt sich laut Bundesinnenministerium auch daran ablesen, „dass es verschiedene Aufnäher („Patches“) des Vereins gibt, die an Mitglieder verliehen werden, die Straftaten im Sinne des Vereins verübt haben“. Noch am Montag begannen in NRW Einsatzkräfte der Feuerwehr unter Polizeischutz damit, die großflächigen Schilder an Vereinsräumen abzuschrauben.

Bandidos Schilder werden abmontiert

Feuerwehrleute entfernen unter Polizeischutz ein Schild am Vereinsheim der Rockergruppe "Bandidos".

Das Vereinsvermögen werde beschlagnahmt, teilte das Bundesinnenministerium mit. „Das bislang größte Verbot einer kriminellen Rockergruppe zeigt, dass sich der Rechtsstaat nicht an der Nase herumführen lässt“, sagte Seehofer. Es trifft nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes ungefähr 650 Rocker – die meisten davon vom Verein „Bandidos MC Federation West Central“, aber auch Gruppen aus Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz.

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Anfang Juli hatten in den vier Bundesländern sowie in Thüringen fast 1800 Polizeibeamte Vereinshäuser und Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppierung durchsucht. Dabei wurden unter anderem Waffen, Munition, Drogen, Motorräder, Speichermedien und größere Mengen Bargeld sichergestellt. Die Ermittler gewannen durch die Auswertung der Funde zudem zusätzlichen Einblick in die Struktur der Gruppierung. Mitgenommen wurden auch Westen mit Abzeichen, sogenannte Kutten.

Es geht keineswegs ums Motorradfahren

Nach Einschätzung des Innenministeriums geht es Rockergruppen nicht, wie in den Statuten des Vereins behauptet, um gemeinsames Motorradfahren. Zweck der „Bandidos MC Federation West Central“ und ihrer nun ebenfalls verbotenen Teilorganisationen sei es vielmehr, „einen territorialen und finanziellen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anzustreben und entsprechende Ansprüche regelmäßig auch mit Gewalt, insbesondere gegenüber anderen Rockergruppierungen in seinem regionalen Einflussgebiet durchzusetzen“.

Das Ministerium verwies zudem auf den Prozess vor dem Landgericht Hagen gegen mutmaßliche Führungsmitglieder der Gruppierung sowie gegen führende Mitglieder eines bereits verbotenen „Chapters“ der Bandidos aus Hagen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Rocker hatten in Nordrhein-Westfalen zuletzt versucht, sich juristisch gegen Verbotsverfügungen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zur Wehr zu setzen. Nach den Durchsuchungen Anfang Juli waren auch in Hessen Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet worden. (dpa/EB)

Zehn gravierende Vorfälle in Köln

Zwischen 2017 und 2019 ist es immer wieder zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen Rockern gekommen:

  1. 19. Mai 2017:
  2. 22. Dezember 2017:
  3. 12. Februar 2018:
  4. 26. Februar 2018:
  5. 24. April 2018:
  6. 24. November 2018: Schießerei am Lokal „Turkish Deluxe“ in Kalk.
  7. 8. Dezember 2018:
  8. 9. Dezember 2018:
  9. 4. Januar 2019:
  10. 4. Januar 2019:

KOMMENTAR: Nur eine begrenzte Wirkung

von Marion Trimborn

Wenn es nur so einfach wäre. Der Staat verbietet kurzerhand eine kriminelle Bande – aktuell die Bandidos –, und schon schwören die Mitglieder ihrem kriminellen Tun ab. Dass diese Annahme verwegen ist, haben schon andere Versuche gezeigt. Einer davon ist das Verbot des Straßenstrichs, das Prostitution aus der Öffentlichkeit verdrängt, aber natürlich nicht verhindert. Wenn Minister Seehofer nun die Rockergruppe „Bandidos MC Federation West Central“ als Verein verbietet, ist das auf den ersten Blick mal eins: Symbolpolitik in Wahlkampfzeiten, um den Wähler zu begeistern. Seehofer demonstriert die harte Hand des Durchgreifens. Dennoch dürfte klar sein: Die Ex-Bandidos werden auch ohne Verein weiter mit Drogen und Waffen handeln, Zuhälter sein und Schutzgeld erpressen.

Das Verbot ist aber durchaus mehr. Es sendet ein deutliches Signal an jeden einzelnen Bandido aus und besagt: Brüder, wir kennen euch, wir haben euch im Blick. Ein Rocker bleibt auch dann im Visier der Fahnder, wenn er keine Kutte trägt. Es ist die Politik der kleinen Nadelstiche, die bei Clans und Banden Erfolg zeigt. Kleine Repressionen in vielen Bereichen. Das Vereinsverbot ist im Kampf gegen Banden nur ein erster Schritt – aber ein wirksamer.