Hongkong – Nach den monatelangen Protesten haben die Kommunalwahlen in Hongkong so viele Bürger an die Wahlurnen gelockt wie noch nie. Bis zum frühen Sonntagabend gaben 56 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie die Wahlbehörden mitteilten. Die Wahlbeteiligung war damit schon fünf Stunden vor Schließung der Wahllokale höher als 2015, als sie bei gut 47 Prozent gelegen hatte. Experten zufolge dürfte davon die Demokratiebewegung profitieren.
Die Wahl der 18 Bezirksräte galt als wichtiger Stimmungstest für die Demokratiebewegung, welche die chinesische Sonderverwaltungszone seit Juni mit teils gewalttätigen Protesten gegen die unbeliebte pekingtreue Regierung lahmlegt. Die Demokratiebewegung hatte ihre Anhänger vorab zur Stimmabgabe aufgerufen, um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen, und die Proteste am Wahltag ausgesetzt. 4,13 Millionen Wahlberechtigte waren zugelassen - fast 400.000 mehr als 2015. Schon am frühen Morgen bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen.
Die Demokratiebewegung verzichtet am Wahltag auf Proteste
„Wir wählen, um unser Urteil über das, was passiert ist, abzugeben. Wir wählen auch, um eine Wahl zu treffen mit Blick auf das, was noch bevorsteht“, sagte Jimmy Sham, einer der bekanntesten Köpfe der Protestbewegung. Größere Protestaktionen waren für Sonntag nicht geplant. „Ich freue mich sagen zu können, dass wir ein relativ friedliches und ruhiges Umfeld für die erfolgreiche Durchführung dieser Wahlen haben“, sagte Regierungschefin Lam nach der Stimmabgabe in ihrem Wahllokal. Vor den Wahllokalen und auf den Straßen der Stadt waren zwar Polizisten im Einsatz, die Polizeipräsenz war aber nicht übermäßig stark.
Die chinesischen Staatsmedien riefen die Hongkonger auf, bei der Wahl für ein Ende der Gewalt zu stimmen. „Wofür würden Sie sich entscheiden?“, schrieb die Zeitung „Global Times“ im Onlinedienst Twitter. „Eine friedliche und erfolgreiche oder eine unzivilisierte Stadt?“ Die „Beijing News“ schrieb, bei der Wahl könnten die Hongkonger „das soziale Chaos und die Gewalt in Hongkong eigenhändig beenden“. Gewählt wurden 452 Stadträte in den 18 Bezirken, die sich vor allem um örtliche Probleme wie Busstrecken und die Müllabfuhr kümmern.
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Nach einem komplizierten, von Peking vorgegebenen Wahlsystem werden über Sitze in den Stadträten aber 117 Stimmen in dem 1200-köpfigen Wahlkomitee vergeben, das den Hongkonger Regierungschef bestimmt. Bisher wurden die Stadträte von pekingtreuen Parteien dominiert. Die Demokratiebewegung hofft nun auf Zugewinne, vor allem durch die hohe Wahlbeteiligung.
Die Gewalt und die harten politischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate hatten den Wahlkampf massiv überschattet. Einem prodemokratischen Kandidaten wurde ein Ohr abgebissen, 17 Kandidaten wurden festgenommen. Der bekannte Demokratieaktivist Joshua Wong wurde von der Wahl ausgeschlossen, weil er sich nach Angaben der Behörden für eine „Selbstbestimmung“ der chinesischen Sonderverwaltungszone eingesetzt hatte. (afp)