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Kommentar zu Stichwahlen in NRWDas Ende der Komfortzone ist besiegelt

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Sibylle Keupen, Oberbürgermeisterkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Stadt Aachen, freut sich im Krönungssaal des Rathauses während der Auszählung der Wahlergebnisse der Stichwahl.

  1. Nach den Kommunalwahlen ist an den Grünen bei der Bildung von Bündnissen kaum noch vorbeizukommen.
  2. Chefredakteurin Cordula von Wysocki über das Wahlergebnis und die Grünen.

Köln – Jetzt also auch in NRW: Auf der Landkarte der Regierenden gibt es erstmals grüne Punkte zwischen schwarzen und roten Flächen. Nach den Stichwahlen am Sonntag steht fest, was sich schon am ersten Wahlsonntag abzeichnete. Die Grünen sammelten Stimmenzuwächse ein und verbuchten bei den Stichwahlen um OB-Posten wie in Bonn und Aachen entscheidende Siege. Grüne Bürgermeisterinnen regieren künftig auch in Rösrath und Lohmar.

Nach den Kommunalwahlen ist an den Grünen bei der Bildung von Bündnissen kaum noch vorbeizukommen. Oder wie die Landesvorsitzende Mona Neubaur selbstbewusst feststellte: „Wir sind nicht mehr Anhängsel anderer Parteien.“

Anhängsel sind jetzt in vielen Städten, wie in Köln, eher die Volks(?)parteien CDU und SPD – ohne die es allerdings auch nicht geht. Trotz des großen Erfolgs der Grünen, die mit ihren Schwerpunktthemen Verkehrspolitik und Klima offenbar auch auf lokaler Ebene einen wichtigen Nerv getroffen haben, sind sie auf Kooperationen angewiesen. Jetzt beginnt das, was man nach Wahlen die Mühen der Ebene nennt. Welche Bündnisse finden sich? Und wer gibt den Takt vor? In Köln sicher die Grünen, mit dem Rückenwind der klaren Stichwahl-Entscheidung für die von ihnen unterstützte Henriette Reker. Die CDU – als wahrscheinlichster Partner – darf hinterhertanzen.

Wie sich die Grünen auf kommunaler Ebene positionieren, wird landesweit und bundesweit Bedeutung haben. Vor allem in dem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen und umweltpolitischen Zielen. Hier hat die letzte rot-grüne NRW-Regierung kein gutes Bild abgegeben, was auch an der wenig kompromissbereiten Linie der Grünen lag. Die Quittung gab es bei der Wahl 2017. Rot-Grün wurde abgewählt.

Bleiben die Grünen auf diesem strikten Klimaschutz-Kurs? Die jungen, der Fridays-for-Future-Bewegung nahen Mandatsträger werden das einfordern. Oder begibt sich die NRW-Partei mit Blick auf den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg auf einen realpolitischen Weg, der auch ein gewisses industriepolitisches Verständnis bedeutet?

Parteichefin Neubaur hat zumindest schon einmal Bewegung erkennen lassen, wenn sie den Dialog mit Menschen „jenseits der klassischen grünen Komfortzone“ sucht. Ein Richtungsstreit ist allerdings kaum zu vermeiden. Ende der Komfortzone. Im nächsten Jahr sind Bundestagswahlen, im Jahr darauf wählt NRW.

Auch wenn in den Kommunen alle Varianten möglich sind und gelebt werden - mit der neuen Macht aus dem Wähler-Votum im Rücken müssen sich die Grünen irgendwann grundsätzlich in der Frage positionieren: Grün mit Rot-Rot oder Grün mit Schwarz?