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Interview mit Ricarda Lang„Natürlich sind die Grünen immer noch eine Friedenspartei“

Lesezeit 4 Minuten

Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen.

Die Sanktionen gegen Putin belasten die Verbraucher. Weiterhin ist Deutschland abhängig von russischem Gas. In der Krise liegt eine Chance, sagt Grünen-Politikerin Ricarda Lang im Rundschau-Interview.

In ihrem Parteiprogramm heißt es: „Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete“. Ursprünglich sind die Grünen einmal aus einer Friedensbewegung entstanden. Jetzt trägt Ihre Partei die Entscheidung mit, Waffen in die Ukraine zu liefern und Milliarden Euro für Aufrüstung auszugeben. Wie passt das zusammen?

Wir erleben gerade eine Zeitenwende und sind gefordert, alte Gewissheiten zu hinterfragen. Natürlich sind die Grünen immer noch eine Friedenspartei. Das heißt, dass das Ziel unseres Handelns immer der Frieden ist.

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Ricarda Lang: Die Grünen sind eine Friedenspartei

Die Bundesregierung hat über Monate alles getan, um auf dem diplomatischen Weg Frieden zu erreichen. Wladimir Putin hat diese Tür zuknallt und die Ukraine in einen brutalen Angriffskrieg verwickelt.

Wenn wir sagen, wir stehen zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, dann heißt das auch, dass wir sie dabei unterstützen, dieses Recht wahrnehmen zu können. Und das bedeutet, dass man sich von Paragraphen in Parteiprogrammen verabschieden muss, um Politik anhand der Wirklichkeit zu machen.

Das Geld für die Aufrüstung im Rahmen des Ukrainekrieges wurde sehr kurzfristig beschlossen. Zeitgleich ging es mit dem Klimaschutz jahrelang nicht voran. Für Waffen und Aufrüstung sind plötzlich aber Kapazitäten da. Wie bewerten Sie das?

Es ist klar, dass wir die Bundeswehr besser aufstellen müssen. Aber ich verstehe Sicherheit breiter: Dabei geht es auch um diplomatische Arbeit, es geht um den Zivilschutz und Cybersicherheit. Darüber hinaus wird die Bundesregierung in den nächsten Jahren aber auch 200 Milliarden Euro für Energiesouveränität, Transformation und Klimaschutz bereitstellen, damit wir bei den Erneuerbaren schneller vorankommen und unabhängig werden von russischem Öl und Gas.

Klimapolitik weiter wichtiges Ziel

Also ist Sicherheit in diesen Zeiten wichtiger als Klimaschutz?

Wir sehen doch gerade, dass Klimaschutz und Sicherheit sich gegenseitig bedingen. Die Krise zeigt uns, dass wir dringend aus den Fossilen rausmüssen, vorankommen müssen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Klimapolitik ist heute Sicherheitspolitik.

Grünen-Vorsitzende: Importstopp von russischem Gas hätte weitreichende Konsequenzen

Gerade beziehen wir aber immer noch Gas aus Russland.

Ich habe großes Verständnis für alle, die einen sofortigen Importstopp fordern. Innerhalb der Regierung haben wir aber eine Verantwortung dafür, was das am Ende für die Menschen bedeuten würde. Und da würden wir auf wahnsinnig große Konsequenzen zusteuern.

Welche wären das?

Ein sofortiger, ungeplanter Importstopp könnte bedeuten, dass ganze Industriezweige lahmgelegt werden würden. Dass wir Versorgungsengpässe bekommen – wenn man etwa auf den nächsten Herbst und Winter schaut. Die Preise würden viel mehr steigen als jetzt schon.

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Das würde gerade ärmere Menschen treffen. Die Sanktionen müssen so sein, dass wir sie wirklich durchhalten können. Denn wenn man nach einer Weile zurückrudern müsste, würde das Putin stärken. Es geht jetzt darum, schrittweise die Importe aus Russland zu reduzieren.

Preisexplosionen bei Benzin und Lebensmitteln haben wir jetzt schon. Welche Perspektiven haben sozial schwächere Menschen noch?

Wir sehen, dass die steigenden Preise unglaublich viele Menschen treffen. Menschen, die eh schon in Armut leben, aber auch Menschen aus der Mittelschicht. Wir haben vor zwei Wochen ein Entlastungspaket beschlossen, um diese Menschen zu unterstützen.

Ricarda Lang: Krise trifft vor allem ärmere Menschen

Unter anderem mit einem Kindersofortzuschlag für ärmere Familien, der Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags und mit einem Sofortzuschuss für Menschen, die Grundsicherung beziehen. Zudem fällt die EEG-Umlage weg, so entlasten wir die Breite der Gesellschaft und die Industrie. Aber wir wissen, dass das nicht reichen wird. Es werden mehr Entlastungen kommen müssen.

Wie könnten die aussehen?

Zur Person

Ricarda Lang wurde am 29. Januar 2022 gemeinsam mit Omid Nouripor zur Bundesvorsitzenden der Grünen im Bundestag gewählt. Sie ist außerdem Frauenpolitische Sprecherin der Partei. Zuvor war die 27-Jährige Sprecherin der Grünen Jugend.

Ihre politischen Schwerpunkte liegen unter anderem bei den Themen Pflege, Gesundheit und Sozialer Sicherheit. Die 27-Jährige stammt aus Filderstadt, in der Nähe von Stuttgart. Sie hat Rechtswissenschaften studiert, das Studium aber nicht abgeschlossen. (ebu)

Das sind verschiedene Instrumente in der Debatte. Eine Maßnahme, die ich für notwendig halte, ist ein Energiegeld, das an alle Bürger ausgezahlt wird.

Lang: Die Zeit für erneuerbare Energien ist gekommen

Unabhängigkeit von russischem Gas hieße, zumindest kurzfristig, an Fossilen Brennstoffen wie der Kohle festzuhalten. Das passt auch nicht unbedingt zur Politik der Grünen.

Natürlich müssen wir jetzt kurzfristig etwas tun, etwa LNG-Terminals für Flüssiggas – und später Wasserstoff - bauen. Oder von anderen Staaten Gas, Kohle und Öl einkaufen. Aber, wenn wir wirklich unabhängig werden wollen, ist jetzt die Zeit für den Ausbau der erneuerbaren Energien gekommen. Wir müssen in die Offensive gehen. Beim Gasausstieg etwa, indem wir künftig auf den Einbau von Gasheizungen verzichten.

Und indem wir in Wind- und Sonnenenergie investieren. Das ist ein Weg, wie man multiple Krisen bändigt. Wir haben auf der einen Seite den Ukraine-Krieg, auf der anderen Seite die Klimakrise. Die Antworten, die wir jetzt geben, müssen jetzt und in Zukunft funktionieren. Und das tun sie nur, wenn wir damit beide Krisen bewältigen.