Der Kirchenexperte Thomas Schüller sagt im Interview: Die Segnungserlaubnis der vatikanischen Glaubensbehörde gilt auch für Wiederverheiratete.
Kirchenexperte zur Segnungserlaubnis„Irreguläre Paare“ sitzen weiter am Katzentisch
Die Meldung kam für viele Gläubige überraschend: Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren sind in der katholischen Kirche seit Montag erlaubt. Wie sind nun aber die Aussagen der vatikanischen Glaubens- behörde kirchenrechtlich zu bewerten? Die Rundschau hat dazu Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, befragt.
Können sich Bischöfe zukünftig über diese Segnungserlaubnis für gleichgeschlechtliche Paare hinwegsetzen? Oder müssen sie das nun durchführen?
Die Bischöfe sind durch Amtseid dem Papst zum unbedingten Gehorsam verpflichtet und müssen von daher diese Entscheidung des Papstes umsetzen. Dies gilt auch für den Erzbischof von Köln, Kardinal Woelki, der ja noch im Amt ist und in einem Fall den Pfarrer in Mettmann dafür sanktioniert hat. (siehe unten) Das darf er ab sofort nicht mehr.
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Gilt diese Erlaubnis nun auch für wiederverheiratete Paare?
Ja, dies ist im ersten medialen Hype mit der Fixierung auf homosexuelle Partnerschaften übersehen worden. Diese Entscheidung gilt für alle nicht mit der katholischen Hochmoral kompatiblen dauerhaften Partnerschaften. Leider werden all diese Beziehungen weiterhin als irregulär bezeichnet, das heißt moralisch abgewertet.
Laut dem Papier der vatikanischen Glaubensbehörde ist die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Gottesdiensten weiterhin ausgeschlossen. Was ist überhaupt ein Gottesdienst? Fällt nicht auch eine Segnung darunter? Und wenn ja, müsste diese dann nicht auch in der Kirche als Gottesdienst benannt werden?
Die liturgischen Passagen der Erklärung sind in sich widersprüchlich. Zugelassene Segnungen der Kirche sind immer in gottesdienstlichen Kontexten mit höherer und geringerer Regelungsdichte eingerahmt. Von daher wirken die Hinweise auf eine Segnung beiläufig bei zufälligen Begegnungen nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern stehen auch quer zu einer alten liturgischen Tradition in der katholischen Kirche.
Es wird in dem Papier noch von „irregulären Partnerschaften“ gesprochen. Aber wenn diese gesegnet werden dürfen, ist dieser Sprachgebrauch noch haltbar?
Genau hier liegt sowohl bei den Wiederverheirateten wie auch bei den homosexuellen Partnerschaften das Kernproblem der Erklärung. Einerseits wird betont, dass man die katholische Sexualmoral nicht ändern wird, das heißt, dass alle sexuellen Aktivitäten außerhalb einer kirchenrechtlich gültigen Ehe weiter als schwere Sünde begriffen werden, aber andererseits wird betont, dass nun im möglichen Segen das Gute an diesen irregulären Partnerschaften gesegnet werden soll. Das passt somit noch nicht zusammen. Je nach Interessenslage sehen die einen, wie mein Kollege Michael Seewald, einen Wandel in der Lehre, während meine Kollegin Julia Knop skeptisch bleibt. Die Zukunft wird zeigen, ob tatsächlich durch diese Erklärung der Beginn eines Wandels in der katholischen Sexualmoral eingeläutet wurde oder eben doch nicht.
War diese Entscheidung der Glaubenskongregation und des Papstes somit noch keine echte Kehrtwende für die katholische Kirche bei diesem Thema? Oder ist nun die bisher noch bestehende Festlegung der Ehe zwischen Mann und Frau nicht mehr aufrechtzuerhalten? Sprich, ist nun die katholische Kirche gezwungen, Partnerschaften neu zu definieren?
Eine Kehrtwende ist das noch nicht: Denn immer wieder wird in der Erklärung klargestellt, dass die kirchenrechtlich gültige Ehe zwischen Mann und Frau das katholische Modell von Partnerschaft ist, in der moralisch unbedenklich Sexualität gelebt werden kann. Alle anderen Formen werden weiterhin für defizitär betrachtet. Das Wohlwollen liegt mehr auf einer gönnerhaften Barmherzigkeit im pastoralen Habitus das heißt, an den Katzentischen der Seelsorge dürfen nun schwule und lesbische Paare wie auch alle anderen Paare, die nicht kirchenrechtlich gültig verheiratet sind, ein wenig Platz nehmen.
Stellungnahme aus Mettmann
Der Segnungsfall, der bundesweit für Aufsehen sorgte: Pfarrer Msgr. Herbert Ullmann hatte Ende März zusammen mit der Gemeindereferentin Ulrike Platzhoff während eines Gottesdienstes in der katholischen Kirchengemeinde St. Lambertus Mettmann homosexuellen Paaren Gottes Segen gegeben. Dafür wurde er vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki gemaßregelt, diese Segnungen zukünftig zu unterlassen. Nun kam am Montag aus dem Vatikan die Erlaubnis, auch gleichgeschlechtliche Paare segnen zu dürfen. Hier die Reaktionen von Pfarrer Ullmann zu dieser Entwicklung:
„Natürlich habe ich mich gefreut über diesen Schritt der Glaubenskongregation. Mir ist bewusst, dass Entscheidungen für die Weltkirche immer mit großer Vorsicht und kirchenpolitischer Diplomatie formuliert werden müssen. Was mich bedenklich stimmt ist, dass die Lebensform Wiederverheiratet-Geschiedener und gleichgeschlechtlich Liebender durch den Begriff ,irregulär' erneut ausgegrenzt werden und durch die Feststellung, dass dies nicht in einem Gottesdienst geschehen dürfe, ins Private , verbannt' werden. Mir ist klar, dass eine Segnung kein Sakrament ist, also einer kirchlichen Trauung nicht gleichkommt. Ich wünsche mir aber, dass man den einzelnen Seelsorgern einen größeren Handlungsspielraum zutraut. Wir werden hier in Wülfrath und Mettmann Wege auch auf ökumenischer Ebene finden, die den Bedürfnissen suchender Menschen entgegen kommen.“