Die Glaubenskongregation im Vatikan hat ein von Papst Franziskus unterschriebenes Papier veröffentlicht. Darin wird die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt. Es gibt aber Einschränkungen.
Segnung homosexueller PaareDie katholische Kirche erlebt eine Kehrtwende
Marianne Arndt lacht. Nicht höhnisch, wie eine Siegerin über den Besiegten. Sondern offenherzig, wie zu einer Begrüßung. Und mit der Gemeindereferentin aus Köln-Höhenberg ist ja auch eine neue Willkommenskultur in der katholischen Kirche verbunden. Waren doch „alle Liebenden“ zu dem Segnungsgottesdienst am Fuße des Doms im vergangenen September eingeladen – ausdrücklich auch schwule und lesbische Paare. Hunderte kamen. „Wir wollten ein Zeichen damit setzen“, sagt Arndt. Und sie ist sich sicher, das Zeichen ist nun endlich beim Adressaten angekommen. Denn am Montag veröffentlichte der Vatikan eine Grundsatzerklärung, unterzeichnet von Papst Franziskus, wonach eine Segnungen von homosexuellen Paaren zulässig ist, wenn auch unter Einschränkungen, die diese Segnungsfeiern in Gottesdiensten noch ausschließen. Doch für die erste Freude reicht das: „Das ist ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk“, bricht es lachend aus Arndt heraus.
Wenn es wirklich die subversiven Aktionen waren, die den Vatikan zu diesem Schritt gebracht haben, dann nahm das Umdenken wohl im vergangenen März in Mettmann seinen Anfang, genauer gesagt in der Gemeinde St. Lambertus. Dort hatte sich eine Arbeitsgruppe „Regenbogenkirche für alle“ zusammengefunden, und unter der Leitung von Pfarrer Herbert Ullmann wurden auch schwule, lesbische und wiederverheiratete Paare gesegnet. Das sollte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ullmann ging davon aus, in Rom angezeigt worden zu sein. Der Generalvikar des Kölner Erzbistums, Guido Assmann, sagte später, der Vatikan sei durch Medienberichte auf diesen Segnungsgottesdienst aufmerksam geworden. Wie auch immer: Assmann sendete ein Dienstschreiben an Ullmann. Als „Abmahnung“ will der Generalvikar dieses Schreiben ausdrücklich nicht verstanden wissen, wie er danach in Interviews betonte. Ullmann jedoch fasste die „Dienstanweisung“ so zusammen: Er habe Vergleichbares zu unterlassen. „Sonst riskiere ich meine Existenz. Das muss man leider so sagen.“ Wenn also jemand Anspruch auf das Copyright für das gestrige „Signal nach Rom“ erheben wollte, dann wäre es Pfarrer Ullmann. Doch nach dem medialen Wirbel, den sein Segnungsgottesdienst ausgelöst hatte, tauchte Ullmann vor der bundesweiten Öffentlichkeit lieber ab. Für eine Stellungnahme zu der neuen Grundsatzentscheidung des Vatikans war er am Montag nicht zu erreichen.
Erleichterung in Mettmann
Doch Ulrike Platzhoff spricht. Sie ist Gemeindereferentin in St. Lambertus (Mettmann) und hat damals bei dem Segnungsgottesdienst mitgewirkt. „Meine erste Reaktion war: Erleichterung, dass die positive Entscheidung des Papstes zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paare nun endlich da ist“, sagt sie zu dem „Schreiben“ aus dem Vatikan.
Alles zum Thema römisch-katholische Kirche
- „Influencer Gottes“ Italienischer „Cyber-Apostel“ wird 2025 ein Heiliger
- Historische Tradition Neuwahl kollidiert mit jahrhundertealtem Karneval in Damme
- Debatte des Tages Hat das Schulfach Religion noch eine Zukunft?
- Seit drei Jahren keine Messen Denkmalschutz verhindert Kirchenabriss und Wohnungsbau in Lohmar
- Sanierung Gladbacher Stadtkirche feiert Altarweihe mit Erzbischof
- Rundschau-Debatte Ist die Synode ein Aufbruch für die Kirche?
- Kabarett Ulrike Böhmer lästert in Lindlar liebevoll über die Kirche
Von Mettmann aus sprang der Funke über nach Köln – allerdings mit einem Umweg über München. In der bayrischen Landeshauptstadt wirkt der Priester Wolfgang Rothe. Er brachte über die sozialen Medien die Idee auf, nach Mettmann müsse es nun einen Segnungsgottesdienst für schwule, lesbische und wiederverheiratete Paare auch in Köln geben. Am Dom. Am 20. September. An dem Tag, an dem Rainer Maria Woelki 2014 mit einem Pontifikalamt offiziell zum Erzbischof von Köln wurde. Weil eine solche Aktion im „Hillije Köln“ nicht auf einem bajuwarischen Fundament stehen sollte, gründete sich um Marianne Arndt ein Organisationsteam aus zahlreichen Dienstgruppen der Kölner Kirchgemeinden. Der Segnungsgottesdienst nahm damit seinen Lauf. Hunderte Paare kamen auf den Kölner Bahnhofsvorplatz. Zudem Berichterstatter aus aller Welt. Selbst die Washington Post berichtete.
Erklärung ist eine Gratwanderung
Dass die Aktionen in Mettmann und Köln Auslöser für die Grundsatzerklärung des Vatikans sein sollen, glaubt der Kölner Stadtdechant Robert Kleine nicht. Es seien eher hintergründigere Impulse, die dort zu Denkanstößen führten. Als „geübter“ Kirchenmann hat er die vielseitige Erklärung schnell nach ihren wesentlichsten Aussagen durchleuchtet. „Sie ist ein positives Zeichen, weil es darin um die Menschen geht“, sagt Kleine. Und das sei im Sinne des Evangeliums. Sie sei aber auch eine Gratwanderung. Wer das Schreiben liest, weiß , was Kleine meint: Die katholische Kirche will zugleich an ihren Dogmen festhalten und dennoch auf Homosexuelle zugehen. Die Segnung dürfe nicht der Beziehung, sondern den Menschen gelten. Von „irregulären Beziehungen“ ist dort die Rede. Nichts dürfe bei den Segnungen an das Sakrament der Ehe angelehnt sein. Sie dürften nicht im Gottesdienst durchgeführt werden.
Der Münchener Priester Rothe lässt hier andere Töne anklingen. „Die jetzt getroffene Entscheidung des Papstes ist bahnbrechend und ein Dammbruch.“ Sie zeige nämlich, dass die Kirche zur Veränderung grundlegender Verbote in der Lage sei. Rothe sieht damit auch alle Geistlichen bestätigt, die bereits Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren in Gottesdiensten vorgenommen haben.
Der Kölner Stadtdechant Kleine runzelt die Stirn, stellt aber fest: „Eine Segnungsfeier ist immer auch ein Gottesdienst.“ Da müsse wohl noch eine Form für die Segnung homosexueller Paare gefunden werden, damit sie nicht wie „im Vorbeigehen“ wirkten. Doch Kleine will nicht kleinreden, was da aus Rom gekommen ist: „Es wurde ein Nachdenken und eine Diskussion in Gang gesetzt. Die jetzige Erklärung ist ein erster Schritt“, sagt er. So sieht es auch Arndt. Zurzeit könne man mit dieser Grundsatzerklärung leben, aber es müsse weiter gehen. „Die Kirche muss das Sakrament der Eheschließung überdenken.“
Und was sagt der oberste Dienstherr in Köln? Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat sich stets gegen die Segnungen homosexueller Paare ausgesprochen, weil sie eben nicht durch die Lehre der Kirche gedeckt seien. Dennoch zeigte er sich Neuerungen gegenüber offen, wenn sie vom Papst abgesegnet würden. Nun hat der Papst abgesegnet. Doch Woelki will lieber noch nicht Stellung beziehen. Das Schreiben liege offiziell noch nicht vor, darum gebe der Kardinal noch keinen Kommentar.
Auszüge aus der Erklärung „Fiducia supplicans“
In der vom Vatikan veröffentlichten Erklärung wird klar zwischen einer Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und einer Eheschließung unterschieden. In der Erklärung wird bekräftigt, dass im Verständnis der katholischen Kirche die Ehe definiert wird als „ausschließliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern.“
Wörtlich heißt es zu dieser Unterscheidung weiterhin: „Es gilt zu betonen, dass es sich gerade bei der Feier des Ehesakraments nicht um irgendeinen Segen handelt, sondern um einen dem geweihten Amtsträger vorbehalten Gestus. In diesem Fall ist der Segen des geweihten Amtsträgers unmittelbar mit der (...) Verbindung eines Mannes und einer Frau verbunden, die durch ihren gegenseitig erklärten Ehewillen einen (...) Bund schließen. Auf diese Weise lässt sich die Gefahr einer Verwechslung zwischen dem Segen für eine beliebige andere Verbindung und dem Ehesakrament eigenen Ritus verdeutlichen.“
Möglich ist allerdings laut der Erklärung, dass sich gleichgeschlechtliche Paare segnen lassen, um mit Gottes Hilfe besser zu leben. In diesen Fällen wird laut der Erklärung ein Segen gespendet für diejenigen, „die sich als mittellos und seiner Hilfe bedürftig erkennen und nicht die Legitimation ihres eigenen Status beanspruchen, sondern darum bitten, dass alles, was in ihrem Leben und ihren Beziehungen wahr, gut und menschlich gültig ist, durch die Gegenwart des Heiligen Geistes bereichert, geheilt und erhöht wird.“
Um eine Verwechslung mit dem Sakrament der Eheschließung zu verhindern und „um jedwede Form von Verwirrung oder Skandal zu vermeiden (...) wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden können. Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind. Dasselbe gilt, wenn die Segnung von einem gleichgeschlechtlichen Paar erbeten wird.“ (EB)