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Interview mit Jens Spahn„Olaf Scholz ist das Feigenblatt einer linken SPD“

Lesezeit 4 Minuten
Jens Spahn im Interview

Gesundheitsminister Jens Spahn 

  1. Gesundheitsminister Jens Spahn warnt Union vor weiteren Spekulationen über Laschet-Kanzlerschaft als Zweitplatzierter und sieht Olaf Scholz als „Feigenblatt“ einer „linken SPD“

Herr Spahn, Armin Laschet hat sich dem Anschein nach mit Platz zwei zufriedengegeben. Glaubt Ihr Kanzlerkandidat nicht mehr an den Sieg?

Wir kämpfen um Platz eins. Punkt. Die Union hat gute Chancen, wieder die stärkste politische Kraft in Deutschland werden. Viele sind bis zuletzt unentschlossen und werden sich jetzt auf den allerletzten Metern der Unterschiede zwischen einer bürgerlich geführten und einer links geführten Regierung bewusst. Nur wir stehen für wirtschaftliche Stärke, die sozialen Zusammenhalt erst möglich macht.

Ihr Kandidat denkt laut darüber nach, wie er als Zweitplatzierte Kanzler werden könnte – trotz geringerer Beliebtheit als Olaf Scholz, aber dank Christian Lindner. Wäre das demokratisch in Ordnung?

Sicher Kanzler wird, wer auf Platz 1 landet. Genau dafür treten wir an. Über andere Konstellationen mache ich mir keine Gedanken.

Sie selbst, Herr Laschet und die Kanzlerin warnen vor Rot-Grün-Rot. Sie kennen Olaf Scholz aus dem Kabinett. Glauben Sie wirklich, der würde mit der Linkspartei koalieren?

Ja, weil Olaf Scholz das am Ende gar nicht selbst entscheidet. Sondern eine SPD, die ihn vor zwei Jahren nicht einmal zum Vorsitzenden gewählt hat. Das ist die Partei, die in ihrem Wahlprogramm die Arbeitsmarktreformen ihres ehemaligen Arbeitsministers Olaf Scholz rückabwickeln will. An der Diskussion um Hartz IV kann man erkennen: Immer, wenn SPD-Kanzler mal richtig lagen, dann positionierten sich die eigenen Leute gegen sie. Die SPD ist von ihrem Spitzenpersonal bis zur Programmatik eine durch und durch linke Partei. Und Olaf Scholz ist das Feigenblatt dieser linken Partei.

Steuersenkungen

Die Wirtschaft wurde in der Corona-Krise mit Milliarden Euro vom Staat gestützt. Trotz eines gigantischen Lochs im Haushalt wirbt Jens Spahn vehement für gezielte Steuersenkungen. „Es braucht Steuersenkungen, aber an der richtigen Stelle“, sagte er. „Im europäischen Vergleich zählen unsere Unternehmenssteuern längst zu den höchsten. Wenn wir wollen, dass Firmen weiter und wieder in Deutschland investieren, hier Jobs schaffen, müssen wir sie entlasten. Auch durch niedrigere Einkommenssteuern für den Handwerksbetrieb. Sonst gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit. Über eine Vermögenssteuer in Deutschland freuen sich nur Österreich und die Schweiz – sonst niemand. “ Als Beispiel führte er Biontech an: „Familienunternehmer haben privates Geld in das Pharma-Startup investiert, sind voll ins Risiko gegangen. Mit einer Vermögenssteuer würde es Biontech heute in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben.“ (tob)

Na ja, die SPD besteht auch nicht nur aus Saskia Esken und Kevin Kühnert. Und anders als in vorangegangenen Wahlkämpfen – und anders als jetzt in der Union – steht die SPD wie ein Mann und wie eine Frau hinter ihrem Kanzlerkandidaten…

Ich bin überzeugt: Nach der Wahl wird Herr Scholz nicht die Richtung seiner Partei bestimmen. Deswegen müssen wir die bedeutenden inhaltlichen Unterschiede beim Namen nennen: Die SPD will mit Steuererhöhungen das Wachstum abwürgen, wir wollen mit Entlastungen das Wachstum ankurbeln. SPD und Grüne wollen Klimaschutz mit Verboten und Auflagen, wir mit Innovationen und Lust auf Zukunft. Die SPD steht für eine europäische Verschuldung und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Wir sind dagegen, die Arbeitslosigkeit in Portugal oder die Schulden in Griechenland mitzufinanzieren. Und schließlich stellt der potenzielle Bündnispartner der SPD die NATO, die Bundewehr und die EU in Frage. Dass die Linkspartei die SED-Nachfolgepartei ist, ist schon problematisch genug. Noch problematischer aber ist, was sie heute will. Das ist eine andere Republik, und das muss man schon klar benennen.

Lautet die eigentliche Richtungsentscheidung nicht: Mehr Klimaschutz mit SPD und Grünen, oder ein „Weiter so“ beim Klimaschutz mit Union und FDP – also vor allem auf den Markt setzen und vielleicht die Atomkraft länger nutzen?

Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, darüber gibt es doch gar keine Zweifel. Es ist nur die Frage, wie? Das sage ich auch als Gesundheitsminister. In jeder Hitzewelle sind in Deutschland viele Tote zu beklagen. Es gibt viele, auch gesundheitliche Gründe, klimaneutral zu werden, die Erderwärmung zu verlangsamen. Aber die Union möchte nicht das Fliegen verbieten, sondern wir wollen CO2 -neutrales Fliegen. Wir setzen auf den Erhalt der Industrie mit neuen Technologien. Dazu gehört, erneuerbare Energien speicherbar zu machen.

Es bringt nichts, wenn wir Kohlekraftwerke schließen, die in China wieder aufmachen. Wir klopfen uns auf die Schulter, aber für das Klima wäre nichts gewonnen. Das ist nicht unser Ansatz. Was übrigens nervt, und nicht nur mich: In den ganzen Triellen und Talkshows wurde der Eindruck erweckt, es gäbe in Deutschland nur Klimaschützer und Arbeit zum Mindestlohn. Das geht an der Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland vorbei. Es gibt viele andere wichtige Themen: die Entlastung von Facharbeitern, Angestellten, Familien. Perspektiven für diejenigen, deren Werke schließen müssen. Der Erhalt unserer starken Wirtschaft.

Sie waren schon Finanzstaatssekretär. Wollen Sie eigentlich Finanzminister werden, wenn die Union weiterregiert, auch wenn FDP-Chef Christian Lindner den Job schon für sich beansprucht?

Mit der Ressortverteilung sollten wir bis nach der Wahl warten. Ich möchte regieren, ich möchte gestalten, verändern, Ideen umsetzen. Das geht mit Amt besser als ohne.