Seit dem Wahlsonntag geht es in der CDU um die Macht. Dabei fällt auf, dass Frauen bei kaum einer der Überlegungen eine Rolle spielen. Die Ära nach Angela Merkel wird bereits zur Stunde der Männer, noch ehe sie wirklich begonnen hat.
Beispiel Fraktionsvorsitz: Vorerst ist Ralph Brinkhaus als Chef der Bundestagsfraktion im Amt bestätigt worden. Doch als am Dienstag im Regierungsviertel auch noch andere Namen kursieren für den Posten, ist darunter keine einzige Frau. Jens Spahn, Friedrich Merz, Carsten Linnemann – ihnen trauen Parteifreunde das Amt zu. Sie alle verfügen über Netzwerke und eine Anhängerschaft. Es gibt in der Unionsfraktion keine Frau, von der man gleiches behaupten könnte. Von den drei bisherigen Stellvertreterinnen von Brinkhaus blieb Katja Leikert bisher blass, Gitta Connemann gilt als meinungsstark, aber ohne große Anhängerschaft – und die Nachwuchshoffnung Nadine Schön schaffte es erst gar nicht mehr in den Bundestag.
Die Personalie Schön, „ein tragischer Fall“, wie jetzt manche in der CDU-Fraktion befinden, lohnt der näheren Betrachtung. Die 38-jährige Expertin für Digitales und Familienpolitik entwickelte zuletzt führend das Projekt „Neustaat“ mit, ein Aushängeschild der CDU-Fraktion. Schön aber verlor das Direktmandat und schaffte es auf Listenplatz drei im Saarland nicht mehr ins Parlament. Es reichte nur für Annegret Kramp-Karrenbauer auf Platz eins und den Merkel-Getreuen Peter Altmaier auf Platz zwei. Ähnlich wie Schön erging es vielen jungen Frauen, die erst auf hinteren Listenplätzen zum Zuge gekommen wären.
Es fehlen „Frontfrauen mit Machtbasis in der Partei“
Zwar ist der Frauenanteil im neuen Bundestag insgesamt von zuletzt 31 auf 35 Prozent gestiegen. Und auch in der Unionsfraktion sind jetzt mit 24 Prozent mehr Parlamentarierinnen vertreten als in der alten Fraktion (20 Prozent). Ihr Einfluss, wenn es um machtvolle Positionen geht, hat damit aber nicht zugenommen. Einige Frauen kommen ganz neu ins Parlament und werden sich erstmal einarbeiten müssen, andere waren und sind nicht im Gespräch für höhere Ämter.
Männer mit Ambitionen
Wer in der CDU künftig das Zepter in die Hand nehmen könnte:
Jens Spahn: Der 41-jährige Gesundheitsminister hat zwar in der Pandemie Fehler gemacht, sich aber in der CDU und über die Parteigrenzen Respekt erworben. Als Kabinettsmitglied von Angela Merkel und Kompagnon von Armin Laschet im Team um den CDU-Vorsitz zählt er zwar schon fast zur alten Garde. Doch Spahn war immer auch auf eigenem Ticket unterwegs. Parteichef wollte er schon 2018 werden – scheiterte aber.
Daniel Günther: Der 48-jährige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein gilt eigentlich als „im Herzen“ konservativ, steht in der CDU inzwischen aber für einen modernen Kurs. Im Norden regiert er souverän in einem Jamaika-Bündnis, das jetzt als Wunsch-Koalition der Union im Bund gilt. Günther zählt auf jeden Fall zu denen, deren Stimme an Gewicht gewonnen hat.
Michael Kretschmer: Der 46-jährige Ministerpräsident Sachsen war der Erste, der nach der Niederlage der CDU klare Worte fand und sich gegen Armin Laschets Deutung stellte, man müsste jetzt eine Regierung bilden. Die Ost-CDU ist seit Langem nicht mehr einverstanden mit dem Kurs der Partei. Kretschmer startete zwar schwach ins Amt des Ministerpräsidenten, genießt seit seinem Sieg über die AfD bei der Landtagswahl 2019 aber großen Respekt.
Carsten Linnemann: Kaum jemand in der CDU wird schon so lange als junges Talent gehandelt wie Carsten Linnemann. Der 44-Jährige hätte im Fall eines Wahlsiegs wohl gute Aussichten auf einen Kabinettsposten gehabt. Das Direktmandat in seiner Heimatstadt Paderborn holte er mit großem Vorsprung. Der bisherige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion hat eine eigene Hausmacht: Er ist Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung MIT. Bei der Wahl des CDU-Vorsitzenden stand er Merz näher als Laschet. (rl)
Die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Yvonne Magwas, ist am Mittwoch im Amt bestätigt worden. Auch sie kennt außerhalb der Fraktion aber kaum jemand. „Uns fehlen Frontfrauen mit Machtbasis in der Partei“, meint Connemann.
Unter den bekannteren Frauen im neuen Bundestag sind natürlich noch mehrere Bundesministerinnen: Anja Karliczek (Bildung), Julia Klöckner (Agrar) und Annegret Kramp-Karrenbauer (Verteidigung). Karliczek galt allerdings vielen in der eigenen Partei als Fehlbesetzung in Merkels Kabinett, im Fall Klöckner scheiden sich die Geister – und Kramp-Karrenbauer ist bereits gescheiterte Parteichefin. Im Fall einer Neuaufstellung in Fraktion und Parteivorstand dürften Klöckner und Kramp-Karrenbauer eher schon unter „altes Establishment“ fallen. Das könnte man zwar auch von Friedrich Merz behaupten, der vor 20 Jahren Fraktionschef war – aber er hat eben seine Fans.
Auch die Frauen, die es in höchste Parteiämter geschafft haben, sind eher nur formal mächtig. Im tagelangen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur zwischen Armin Laschet und Markus Söder wurden die Dinge erstmal im kleinen Kreis geregelt. Und zu diesem zählten Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble – nicht aber die stellvertretenden Vorsitzenden Klöckner und Silvia Breher. Auch unter den Ministerpräsidenten der Länder ist keine Frau mit CDU-Parteibuch.
Immerhin: Am Mittwoch wurde bekannt, dass Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien als mögliche neue CDU-Generalsekretärin im Gespräch sei. Das hatte das „Handelsblatt“ berichtet, aber ohne Quellen zu nennen. Prien war im Wahlkampf Mitglied im „Zukunftsteam“ von Armin Laschet und hat den CDU-Parteichef stets verteidigt.
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Zum Ende der Ära Merkel ist es um den Einfluss der Frauen insgesamt dennoch nicht gut bestellt. Sie selbst hatte versucht, mit ihrer Wunsch-Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer für weibliche Kontinuität an der Spitze zu sorgen. Doch das Vorhaben scheiterte. Merkel hat allerdings auch Ursula von der Leyen den Weg nach Brüssel an die Spitze der EU-Kommission geebnet.
Parteifreundinnen wie Julia Klöckner sind überzeugt, dass die erste Bundeskanzlerin für Frauen im Land viel erreicht hat. In ihrer eigenen Partei dürfte Merkel vorerst aber eine Ausnahmeerscheinung bleiben.