Rundschau-Debatte des TagesWas eint und was trennt FDP und Grüne?
Berlin – Im Wahlkampf haben sich das FDP-Team um Christian Lindner und die Grünen-Doppelspitze Annalena Baerbock und Robert Habeck wenig geschenkt. Nun wollen sie – wenn möglich – gemeinsam einen Neustart der deutschen Politik auf den Weg bringen. Wie steht es um die Schnittmengen?
Konsensfähig – hier erscheint eine Einigung möglich
Bildung: „Die Chance zum sozialen Aufstieg hängt heute mehr denn je von der Bildung ab“, schreibt die FDP im Wahlprogramm und fordert, einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Die Grünen wollen Ganztagsschulen so weit ausbauen, dass dort jedes Kind einen Platz bekäme, und dabei für die Inklusion behinderter Schüler sorgen.
Moderne Gesellschaft und Bürgerrechte: Wo es um Freiheitsrechte, eine neue Familienpolitik, Toleranz und die Teilhabe von Minderheiten geht, gibt es durchaus Übereinstimmungen.
Digitalisierung: Die Corona-Krise hat Schwächen in Staat, Verwaltung und Schulen offengelegt. Die FDP hat das zu einem Kernthema gemacht und fordert ein Ministerium für digitale Transformation. Auch die Grünen wollen die Digitalisierung vorantreiben.
Die Grauzone – Streit erscheint absehbar, kann aber vertagt werden
Außenpolitik und Bundeswehr: Der Ruf nach einer gestärkten EU ist Standard für die Spitzenpolitiker von Grünen und FDP. Auch die Modernisierung der Bundeswehr scheint konsensfähig, doch steckt der Teufel in den Details. Stichwort: Bewaffnung von Drohnen, wo die Grünen auf der Bremse stehen.
Migration: Vordergründig liegen FDP und Grüne bei dem Thema nicht weit auseinander. Die Liberalen haben die Zuwanderung von Fachkräften und humanitären Verpflichtungen gegenüber Schutzbedürftigen im Programm. Aber: Flucht und Einwanderung sollen mit klaren Regeln unterschieden werden. Die FDP will eine achtjährige Zuständigkeit des EU-Mitgliedstaates, dem ein Schutzsuchender zugeteilt wurde. „Die Rücküberstellung in den zuständigen Staat muss vereinfacht werden.“ Mehr klare Kante forderte Lindner bei Kriminellen.
Streit um Vizekanzler
Nach Ex-Grünen-Chef Jürgen Trittin übt auch die Grüne Jugend Kritik am Deal der Parteispitze zur Vizekanzlerschaft. „Es geht jetzt nicht darum, darüber zu diskutieren, wer irgendwann welche Regierungsämter übernehmen könnte“, sagte der Bundessprecher der Nachwuchsorganisation, Georg Kurz, unserer Redaktion. „Wir Grünen haben mit Annalena Baerbock das beste Ergebnis eingefahren, das wir je hatten. Wir sind die stärkste Kraft bei allen unter 30 Jahren. Es gibt den glasklaren Auftrag, unsere Kernforderungen in der nächsten Regierung umzusetzen.“ Um den Vizekanzler „geht es gerade gar nicht“.
Baerbock und Robert Habeck hatten am Montag erklärt, es gebe eine Festlegung, wer bei einer Regierungsbeteiligung grüner Vizekanzler werden solle, die Entscheidung bleibe aber vorerst geheim. Laut Berichten gibt es einen Deal zwischen den Co-Vorsitzenden, wonach Habeck den Posten bekommt, nachdem Baerbock als Kanzlerkandidatin die Erwartungen nicht habe erfüllen können. Vor allem im linken Parteiflügel sorgt diese Entscheidung offenbar für Ärger. (tob)
Die Grünen formulieren vorsichtiger. Wer nach sorgfältiger Prüfung hierzulande kein Aufenthaltsrecht erhält, soll „zügig wieder ausreisen“. Abschiebungen seien aber nur das letzte Mittel. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer soll es nicht mehr geben. Zudem wollen die Grünen das Wahlrecht für Ausländer, die hier leben, ausbauen.
Verkehr und Infrastruktur: Die FDP lehnt „unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität“ ab. „Wir setzen auf Innovationen, Vernunft und Freiheit. Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote sind weder progressiv noch nachhaltig.“ Durch eine Ausweitung des CO2 -Emissionshandels könnten sich umwelt- und klimafreundliche Motoren und alternative Kraftstoffe durchsetzen. „Ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren lehnen wir ab.“
Ganz anders die Grünen: „Der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen“, schreiben sie im Wahlprogramm. Außerdem möchte die Partei ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen.
Schwierig – Hier droht ein langes Ringen
Klimapolitik: Für die Grünen ist es das Kernthema schlechthin. Einen gemeinsamen Weg gibt es noch nicht. Lindner wirft den Grünen vor, auf Verbote und Verzicht zu setzen, wo doch neue Technologien Lösungen böten und Deutschland zum Vorbild werden könne. Die Ökopartei ihrerseits betont, ohne ordnungsrechtliche Vorgaben (auch Verbote) gehe es nicht – der Markt schaffe eben nicht zwangsläufig die besten Lösungen. Die Wirtschaft verlange ökologische Leitplanken und Planungssicherheit, so die Grünen.
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Finanzpolitik und Investitionen: Lindner pocht auf ein Nein zu Steuererhöhungen und die Absage an eine Aufweichung der Schuldenbremse. Da Lindner selbst Finanzminister werden will, wird es auch schnell persönlich, denn auch Habeck liebäugelt mit dem Ressort. Inhaltlich wollen die Grünen die Schuldenbremse aufweichen, um Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur zu ermöglichen. Nicht nur Schulden belasteten kommende Generationen, sondern auch Versäumnisse bei dringend notwendigen Investitionen. (dpa)