Köln – Am Ende passt es in seine Biografie. Armin Laschet, der ewig Unterschätzte, war nach einem Umfrage-Absturz und einem von Nervosität geprägten Wahlkampf eigentlich schon abgeschrieben. Und schaffte es doch noch, auf den letzten Metern zuzulegen und fast Kopf an Kopf mit Olaf Scholz ins Ziel zu kommen. Alles ist wieder möglich. Kanzler Scholz oder Kanzler Laschet? Ampel oder Jamaika? Oder am Ende doch noch einmal Groko? Selten gab es am Wahlabend eine so große Ungewissheit, zu welcher Regierung die eigene Stimmabgabe am Ende führen wird.
Und auch der Weg der Regierungsbildung ist keineswegs so klar, wie am Sonntagabend kurz nach den ersten Hochrechnungen die beiden Kanzler-Kandidaten glaubten. Beide reklamierten für sich Koalitionsgespräche anzustoßen. Vielleicht zu früh. Denn vieles spricht dafür, dass sich zuerst FDP und Grüne an den Tisch setzen, ihre Ziele übereinander legen und sondieren, ob Rot oder Schwarz besser zu ihnen passt. Dies ist die Idee von Christian Linder, und Annalena Baerbock scheint dafür durchaus aufgeschlossen zu sein. Grün-Gelb, die Koalition der Kanzler-Macher.
Eine Dreier-Koalition eröffnet die Möglichkeit, dass neue Dynamik das Regieren belebt
Die SPD müsste steuerpolitische Kompromiss-Kunststücke vollbringen, um für die Liberalen attraktiv zu sein. Die Union könnte sich durch einen früheren Kohleausstieg und die Bereitschaft zum Tempolimit für die Grünen schön machen. Auch die Zusage eine grüne Bundespräsidentin zu unterstützen würde ein Anreiz sein.
Verhandlungstaktisch ist eine Dreier-Koalition eine Herausforderung, eröffnet aber auch die Möglichkeit, dass neue Dynamik das Regieren belebt. Angesichts der ambitionierten Klimaziele, der ungelösten Renten-Frage, des Fachkräfte-Mangels, der schleppenden Digitalisierung muss jetzt entschiedener, unbürokratischer, schneller gehandelt werden. Die Liberalen und die Grünen haben Tempo angekündigt. In welcher Konstellation auch immer – sie werden Druck machen.
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Mit welchem Druck aus der Partei Armin Laschet fertig werden muss, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Solange das Rennen offen ist, werden die Messer stecken bleiben. Aber, dass die Union das historisch schlechteste Wahlergebnis eingefahren hat, wird der Kanzler-Kandidat nicht völlig unbeschädigt überstehen, vor allem dann nicht, wenn am Ende Scholz mit einer Ampel-Koalition regiert.
Vielleicht war es der größte Fehler von Laschet, dass er das Umfrage-Hoch und die Bedeutung seiner NRW-Karriere überschätzt hat. Um den Vorsprung von als 20 Prozentpunkten auf die SPD zu halten, hat es nicht gereicht, mit rheinischer Gelassenheit anzutreten, ohne klare Kontur und dem Vertrauen darauf, dass er moderat, verlässlich und souverän das Merkel-Format ausfüllen würde. Denn in dieser Rolle war ein anderer besser: Olaf Scholz.
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