Innenministerin Nancy Faeser fehlte auch bei der zweiten Sondersitzung zur Causa Schönbohm. Der damalige BSI-Chef war von ihr abgesetzt worden.
„Für keine Schlammschlacht zu schade“Causa Schönbohm holt Nancy Faeser im Hessen-Wahlkampf ein
Die Unionsfraktion hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für ihr Fehlen bei der kurzfristig anberaumten Sitzung des Bundestags-Innenausschusses in der Causa Schönbohm ein weiteres Mal scharf kritisiert. „Sie hat sich dieser Gelegenheit heute erneut entzogen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), nach der Sitzung am Donnerstag. Es zeige, dass die Ministerin zu keinem Zeitpunkt vorgehabt habe, dem Ausschuss Rede und Antwort zu stellen. Dies nähere den Verdacht, dass sie etwas zu verbergen habe.
„Das ist bei einem so ernstzunehmenden Verdacht, nämlich den Verfassungsschutz für bestimmte Zwecke zu instrumentalisieren, schlicht nicht akzeptabel“, sagte Throm. Die Unionsfraktion gerate so an ihre Grenzen, „mit normalen parlamentarischen Mitteln hier Aufklärung von der Ministerin zu erlangen“.
Hessens CDU wirf Nancy Faeser fehlende Aufklärung vor
Hessens CDU betont, die Wähler „haben ein Recht darauf zu erfahren, wer zur Wahl steht, und der Deutsche Bundestag hat den Auftrag, die Regierung zu kontrollieren“. Beides verhindere Faeser mit ihrem Verhalten. Sie müsse aufklären und „nicht weiter abtauchen“.
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Aufgetaucht ist die Ministerin dann am Donnerstag, allerdings nicht im Ausschuss, sondern im Plenum des Bundestages, wo sie in ihrer Rede zum Etat ihres Ministeriums für das kommende Jahr zum Gegenschlag ausholt. „Ja, es stimmt leider, in diesem Haushalt geht es viel ums Sparen. Was wir uns aber vor allem sparen sollten, ist Theaterdonner. Ich verstehe ja, dass sie in den kommenden Wochen alles tun werden, um mich mit Dreck zu bewerfen“, sagt Faeser.
Causa Schönbohm: SPD verteidigt Nancy Faeser
Die Vorwürfe der Union, dass angeblich der Inlandsgeheimdienst instrumentalisiert worden sei, weist die SPD zurück. Es sei „ungeheuerlich“, dass der Vorwurf erneut in den Raum gestellt werde, sagte SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann.
Dies sei in der heutigen Sitzung eindeutig noch einmal dargelegt worden. Man sei damit konfrontiert, „dass die Bundesinnenministerin eine Entscheidung getroffen hat, den Präsidenten aufgrund von mangelndem Vertrauen abzurufen, auf eine andere gleichwertige Stelle zu setzen und ein Prozess geführt wird um die Fürsorgepflicht, die man möglicherweise verletzt haben könnte“.
Faeser hatte Arne Schönbohm im vergangenen Jahr als Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) abgesetzt. Dieser verlangt deswegen Schadenersatz. Die Ministerin, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der bevorstehenden Landtagswahl in Hessen antritt, sollte deshalb im Innenausschuss zu ihrem Vorgehen befragt werden.
Keine konkreten Hinweise auf einen Einsatz des Verfassungsschutzes
Dass die Ministerin mit dem, was die zuständige Abteilung ihres Hauses bei den disziplinarrechtlichen Vorermittlungen über Schönbohm damals zusammengetragen hatte, wohl unzufrieden war, und angeregt hatte, noch einmal gründlicher zu suchen, geht aus einem internen Vermerk aus dem Bundesinnenministerium hervor, der bereits am Dienstag Thema im Innenausschuss war und nun von „Bild“ veröffentlicht wurde.
Konkrete Hinweise darauf, dass sie, wie von einigen Kritikern angedeutet wird, den Verfassungsschutz regelrecht auf Schönbohm angesetzt habe, sind aber nicht aufgetaucht. Die Ministerin betont nun am Rednerpult im Plenum, es seien „keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen gegen Herrn Schönbohm eingesetzt worden“.
Jan Böhmermann wirft Arne Schönbohm Russland-Nähe vor
Ausgangspunkt für die Entlassung Schönbohms war ein Beitrag des „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann. In diesem wurde im Nähe zum russischen Geheimdienst vorgeworfen. Schönbohm stehe über einen Lobbyverein einer mit dem russischen Geheimdienst verbandelten Firma nahe. Kurz nach Ausstrahlung der Magazin-Folge am 7. Oktober entließ Faeser den früheren BSI-Chef.
Manche meinen, die Ministerin sei nach der Ausstrahlung gleich auf Distanz zu Schönbohm gegangen, um selbst nichts von der Kritik abzubekommen oder weil sie angeblich die Gelegenheit nutzen wollte, einen Behördenleiter auszutauschen, der womöglich ohnehin nicht ganz auf ihrer Wellenlänge lag. Wohlwollendere Stimmen sagen, angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine habe Faeser keine Risiken eingehen wollen und deshalb schnell gehandelt.
Schönbohm fordert Schadensersatz
Schon im Herbst 2022 war die Abberufung Schönbohms von politischen Gegnern scharf kritisiert worden. Dass das Thema jetzt, zu einem für Faeser ungünstigen Zeitpunkt, wieder hochkocht, hat mit einer nun erhobenen Schadenersatz-Klage Schönbohms zu tun. Der ist zwar inzwischen Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und damit beruflich und finanziell abgesichert.
Doch Schönbohm ging es von Anfang an immer auch um seinen Ruf und darum nachzuweisen, dass das Bundesinnenministerium - so sieht er es zumindest - ihm gegenüber seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verletzt hat.
Innenressort birgt viele politische Fallstricke
Der Fall zeigt, dass ein Amt wie das der Bundesinnenministerin nicht unbedingt hilfreich ist, wenn es darum geht, die Staatskanzlei in Hessen zu erobern.
Den SPD-Politikerinnen Manuela Schwesig und Franziska Giffey ist es zwar einst gelungen, aus dem Bundeskabinett an die Spitze einer Landesregierung zu wechseln. Doch beide waren zuvor für das Bundesfamilienministerium verantwortlich. Vielleicht lauern dort weniger Fallstricke als im Innenressort, wo auch die momentan so kontrovers diskutierten Themen Migration und Flüchtlinge angesiedelt sind.
Auf ihre Doppelrolle angesprochen, sagte Faeser diese Woche der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist demokratische Normalität, dass man aus Ämtern heraus kandidiert.“ Das hätten einst auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und deren Nachfolger Olaf Scholz (SPD) getan.
Deutliche Wechselstimmung in Hessen bleibt vorerst aus
Eine deutliche Wechselstimmung in Hessen zeigen die Umfragen vorerst nicht. Laut einer am 25. August veröffentlichten Befragung wäre die CDU, wenn schon am 27. August gewählt worden wäre, auf 31 Prozent gekommen. Die SPD erreichte 20 Prozent, die Grünen 18 Prozent. Die AfD erzielte 15 Prozent, die FDP 6 Prozent. Die Linke hätte mit 3 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. Wahlumfragen spiegeln aber nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.
Die hessische SPD-Chefin, die zwischen ihren Wohnorten Schwalbach am Taunus und Berlin pendelt, verwies denn auch auf frühere Wahlsiegerinnen, für die es zunächst nicht so rosig ausgesehen hatte. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Saar-Amtskollegin Anke Rehlinger (beide SPD) etwa hätten vor ihren Landtagswahlen 2021 und 2022 erst lange hinten gelegen und dann doch noch gewonnen. Generell seien Wahlkämpfe heute wohl länger offen als früher, sagte Faeser der dpa.
CDU steht seit Vierteljahrhundert an der Spitze von Hessen
Schon seit fast einem Vierteljahrhundert regiert die CDU in der einstigen roten Hochburg Hessen, seit nahezu zehn Jahren zusammen mit den Grünen. Ministerpräsident Boris Rhein will an der Seite von CDU-Bundeschef Friedrich Merz an diesem Samstag (9. September) in Frankfurt offiziell in die heiße Phase des Wahlkampfs starten.
Der SPD-Auftakt beim Stimmenfang in Hessen war bereits am vergangenen Sonntag mit Faeser und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Auf die Affäre Schönbohm angesprochen, sagt der Generalsekretär der SPD Hessen, Christoph Degen: „Das spielt überhaupt keine Rolle für unseren Wahlkampf. Vielmehr sagt es einiges über die CDU aus, die sich offensichtlich für keine Schlammschlacht zu schade ist.“ (dpa/cme)