Franz-Josef Antwerpes, früherer Kölner Regierungspräsident, trat mit 21 Jahren in die SPD ein und war 1959 als jüngster Delegierter beim Bundesparteitag in Bad Godesberg dabei, als die SPD ihr "Godesberger Programm" verabschiedete. Mit ihm sprach Lisa Inhoffen.
Die wichtigste Frage zuerst: Wie stehen Sie zu einer Neuauflage der Groko? Soll die SPD die Verhandlungen dazu aufnehmen?
Trotz vieler Bedenken: Ja, sie muss! Die Ergebnisse aus den Sondierungsverhandlungen finde ich natürlich auch nicht sehr befriedigend. Aber außer der SPD ist doch keiner mehr da, der eine Regierung mitbilden könnte. Eine dritte Auflage der Sondierungsgespräche wäre beschämend für den Bundestag. Die SPD ist also in der Verantwortung, die Mitglieder sollten zustimmen.
Viele befürchten aber, dass die SPD dann endgültig ins Abseits gerät. Was muss geschehen, damit die SPD wieder Aufwind bekommt?
Ehrlich gesagt, habe ich auch keine Lösung parat. Vielleicht müsste ein neuer Mann, eine neue Frau an die Spitze, um der Partei wieder Kraft einzuflößen...
Martin Schulz halten Sie dafür nicht geeignet?
Auf Dauer ist Martin Schulz dafür nicht der richtige Mann. Ich schätze ihn sehr, er ist ein aufrichtiger Kerl, aber auf Dauer wird er die Partei nicht voranbringen können. Nach all dem, was sich in der letzten Zeit ereignet hat, halte ich ihn für ein wenig verbraucht.
Sie waren auf dem SPD-Programmparteitag 1959 dabei. Halten Sie eine programmatische Erneuerung der SPD für geboten?
Nein, die SPD hat ein gutes Programm. Sie hat halt zurzeit keine Mehrheit. Die Frage ist, wie findet die Partei den richtigen Weg, um die Bürger wieder auf ihre Seite zu ziehen? Noch ist sie ja eine Volkspartei. Aber eine behinderte Volkspartei. Das ist die CDU aber übrigens auch. Die SPD sollte in den Koalitionsverhandlungen auf jeden Fall noch einmal über die Bürgerversicherung und den Familiennachzug bei den Flüchtlingen sprechen. Das sind für uns Sozialdemokraten zwei wichtige Themen, die nicht einfach unter den Tisch fallen sollten.
Wagen Sie eine Prognose, wie es am Sonntag in Bonn ausgeht?
Es werden zwei Drittel der Delegierten für die Koalitionsverhandlung stimmen.
Was macht Sie so sicher?
Ich kenne die Partei. Seit 60 Jahren. Die meisten werden zwar Bedenken haben. Aber sie sind sich auch ihrer Verantwortung bewusst, dass wir in Deutschland jetzt eine Regierung bilden müssen. Alles andere wäre den Bürgern nicht mehr zu vermitteln.