Die Thüringer Grünen wollen zwei ihrer Minister austauschen. Auf die Nominierung von Doreen Denstädt gibt es heftige Reaktionen.
Doreen DenstädtSocial-Media-Hetze gegen erste Schwarze Ministerin in Ostdeutschland
Am Montag haben die Grünen in Thüringen, die zusammen mit der Linken und der SPD Teil der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sind, einen Personalwechsel sowohl im Justiz- und Migrationsministerium als auch im Umwelt- und Energieministerium bekannt gegeben. Das ist ein eher ungewöhnlicher Vorgang nur ein Jahr vor der Landtagswahl in dem ostdeutschen Bundesland. Die bisherige Umweltministerin Anja Siegesmund hatte ihren Rückzug aus persönlichen Gründen bekannt gegeben. Dies nahm die Parteiführung zum Anlass, um auch das Justizministerium neu zu besetzen.
Der Grünen-Landesvorsitzende Bernhard Stengele wird Nachfolger von Siegesmund, er soll auch Vize-Ministerpräsident werden. Der bisherige Justizminister Dirk Adams war offenbar bei seiner eigenen Partei in Ungnade gefallen. Er agiere zu blass und zögerlich, besonders in der Flüchtlingspolitik, hieß es. Zudem wären sonst beide Ministerposten mit einem Mann besetzt.
Pikant an der Personalie ist, dass der Grünen-Landesvorstand Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) aufforderte, Adams zu entlassen, denn dieser wollte seinen Posten nicht aus freien Stücken räumen. So händigte Ramelow seinem Justizminister auf Druck von dessen eigener Partei am Montag die Entlassungsurkunde aus.
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Polizeihauptkommissarin Doreen Denstädt wird Justizministerin
Nachfolgerin soll nach dem Willen der Grünen Doreen Denstädt werden. Denstädt ist Polizeihauptkommissarin und arbeitet in der Polizeivertrauensstelle im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales. Sie wird dann die erste Schwarze Ministerin in einem ostdeutschen Bundesland sein.
Aufgrund der innerparteilichen Querelen könnte der Start von Denstädt sicher unter einem besseren Stern stehen. Dass ihr Vorgänger auf diese Art gehen musste, wird von politischen Beobachtern als „nahezu undenkbarer Vorgang“ bewertet. Die CDU übte erwartungsgemäß Kritik. CDU-Generalsekretär Christian Herrgott erklärte, Ramelows rot-rot-grüne Minderheitsregierung sei „eine bröckelnde Chaosregierung“. „Auf offener Bühne trägt der grüne Teil der Ramelow-Regierung die Folgen seiner gescheiterten Flüchtlingspolitik aus“, so Herrgott. Denstädt wird mangelnde Erfahrung vorgeworfen.
Rassistische Beleidigungen gegen Doreen Denstädt
Die AfD schoss sich sofort auf Denstädt ein und behauptete, bei der Auswahl der neuen Ministerin sei es den Grünen allein um die „Quote“ und das „woke Erscheinungsbild“ gegangen. In einer Pressemitteilung der rechten Partei wurde Denstädt als „Sachbearbeiterin“ bezeichnet, die kein Jura-Studium absolviert habe. Dass die gebürtige Saalfelderin aber Diplom-Verwaltungswirtin ist, wird nicht erwähnt. Die „Junge Freiheit“, Sprachrohr der Neuen Rechten, übernahm die herabwürdigende Bezeichnung „Sachbearbeiterin“. Ihr Vorgänger habe offenbar „nicht die passende Hautfarbe“ gehabt, heißt es.
In den sozialen Medien trendete das Schlagwort #Sachbearbeiterin am Dienstagnachmittag zeitweise, es werden übelste rassistische Beleidigungen gepostet und hetzerische Behauptungen aufgestellt wie die, dass Deutschland bald von „Afrikanerinnen mit doppelter Staatsbürgerschaft“ regiert werde.
Denstädt, deren Vereidigung Anfang Februar geplant ist, wäre nach Aminata Touré in Schleswig-Holstein die zweite schwarze Landesministerin in Deutschland. Die 45-Jährige wuchs in Thüringen auf, ihr Vater stammt aus Tansania, ihre Mutter aus Deutschland. Medienberichten zufolge ist sie die einzige Schwarze Polizistin in Thüringen. Sie erlebte Rassismus im Alltag. Von klein auf sei sie Blicke und Getuschel hinter dem Rücken gewöhnt, so Denstädt in einem Beitrag des ZDF von 2022.
Doreen Denstädt macht im Alltag Rassismus-Erfahrungen
Auch als Erwachsene mache sie diese Erfahrung, beispielsweise als sie beim Bürgeramt der Stadt Erfurt nach ihrem Aufenthaltszettel gefragt wurde. In der Vertrauensstelle der Polizei arbeitete sie bisher an der Schnittstelle zwischen den Beamten und Bürgern, die sich über Polizisten beschweren – beispielsweise, weil sie sich Racial Profiling ausgesetzt fühlen. Seit 2021 engagiert sich Denstädt bei den Grünen und ist Kreisvorstand in Erfurt. Der Anlass waren Polizeikollegen, die für die AfD in den Landtag einzogen. Im Februar 2022 wählte sie als Delegierte der Bundesversammlung den Bundespräsidenten mit.
Dass ihr ständig Kompetenz abgesprochen wird, ist die 45-Jährige gewöhnt. „50, männlich, grau meliert, das sind die Leute, die sind von Haus aus kompetent. Und dann komm ich dann natürlich um die Ecke, bin eben nicht männlich, bin eben nicht 50, und dann werden bestimmte Kompetenzen nicht gesehen. Mittlerweile arbeite ich am dritten Hochschulabschluss – das verwundert tatsächlich die Leute immer noch“, sagt sie in dem ZDF-Video aus dem vergangenen Jahr. (cme)