- Das Rennen um den CDU-Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur der Union ist offen.
- Auch wenn die Bilanz des NRW-Ministerpräsdenten als Krisenmanager Schwachpunkte aufweist, hat er eine Menge auf der Haben-Seite.
- Obwohl Merz durchaus dem Prototyp des Wessis entspricht, sitzen seine Anhänger in Ostdeutschland und in Baden-Württemberg.
Berlin – Eigentlich sollte die Sache ja längst entschieden sein, wer die CDU in das Bundestagswahljahr 2021 führt. Doch dann kam Corona und der für April angesetzte Sonderparteitag musste abgeblasen werden. Der parteiinterne Wahlkampf der CDU lag erst im Shutdown, und dann kam die Sommerpause.
Für Friedrich Merz, ein Politiker ohne Amt und Mandat, war das eine schwierige Zeit. Im Fokus standen die Regierungspolitiker, insbesondere sein direkter Konkurrent im Kampf um Merkels Erbe – NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.
Laschet hat eine Menge auf seiner Haben-Seite
Auch wenn Laschets Bilanz als Krisenmanager Schwachpunkte aufweist, hat er doch eine Menge auf der Haben-Seite: Unterstützt wird er von seinem einstigen Gegner, Gesundheitsminister Jens Spahn, der in der Krise an Format gewonnen hat. Der mächtige NRW-Landesverband steht mehrheitlich, wenn auch nicht euphorisch, hinter ihm. Zuletzt ließ die sonst in dieser Frage absolut schweigsame Kanzlerin durchscheinen, dass sie Laschet für geeignet hält, ihr Erbe anzutreten.
Die Nähe zur Kanzlerin zählt wieder mehr in der CDU, seitdem ihre Umfragewerte fünf Jahre nach dem Zenit der Flüchtlingskrise auf alten Höhen liegen. Die Sehnsucht in der CDU nach einem Gegenmodell zu Merkel ist mit den gestiegenen Popularitätswerten der Kanzlerin geringer geworden.
Schwarz-Grün ist nach der Bundestagswahl 2021 eine realistische Option
Die Zeichen der Zeit stehen auf Fortsetzung eines moderaten Politik-Stils. Schwarz-Grün ist nach der Bundestagswahl 2021 eine realistische Option. Der Sauerländer Merz hat sich bereits darauf eingestellt. "Ich traue mir zu, das Unionsprofil in einer Konstellation mit den Grünen klar erkennbar zu machen und dafür zu sorgen, dass wir nicht nur wirtschafts- und finanzpolitisch vernünftige Dinge beschließen, sondern auch in den gesellschaftspolitischen Fragen", sagte er im Juni in einem „Spiegel-Interview“. In der Corona-Krise lobte er gar die Arbeit der Bundesregierung und stellte sich hinter den vorsichtigen Kurs der Kanzlerin.
Wenn die ökonomischen Folgen der Pandemie noch stärker spürbar werden, sind Konzepte gefragt
Für Spätsommer und Herbst ist damit zu rechnen, dass der Wirtschaftsanwalt und frühere Aufsichtsratsvorsitzende des Vermögensverwalters Blackrock wieder in die Offensive geht. Wenn in wenigen Wochen die ökonomischen Folgen der Pandemie noch stärker spürbar werden, sind Konzepte gefragt, wie man bei wahrscheinlich anhaltender Flaute für den Export die Wirtschaft trotzdem wieder flottbekommt.
Es wird sich auch die Frage stellen, wie man aus den vielen teuren Maßnahmen für die Unternehmen im Land wieder herauskommt, ohne dass massenhaft Arbeitsplätze verloren gehen. Ganz zu schweigen von der Generation Corona, den heute Sechs- bis 25-Jährigen, denen die Pandemie ein Stück Zukunft geklaut hat und für die der Zugang zu Bildung immer noch nicht ausreichend digital ist. Wenn sich all diese Fragen stellen, könnte die Stunde eines Friedrich Merz schlagen, sofern er sich denn über den Sommer ein paar Konzept in die Schublade gelegt hat.
Laschet versammelt im Tandem mit Spahn weite Teile Nordrhein-Westfalens
Das Rennen um den CDU-Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur der Union ist offen. Weder in der öffentlichen Meinung noch in der Partei ist die Stimmung eindeutig. Obwohl Merz durchaus dem Prototyp des Wessis entspricht, sitzen seine Anhänger in Ostdeutschland und in Baden-Württemberg. Laschet versammelt im Tandem mit Spahn weite Teile Nordrhein-Westfalens und die liberalen, Merkel nahen Parteimitglieder hinter sich.
Der Außenpolitiker Norbert Röttgen bleibt auf der Außenseiter-Position. Die große Flanke für die CDU ist, dass es keinen Favoriten gibt und die Anhänger des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder innerhalb der CDU in den letzten Monaten zahlreicher geworden sind. Eine Gemengelage, in der die Kandidaten für sich trommeln müssen. In der vergangenen Woche trat der 64-Jährige bereits in Sachsen auf.