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CDU und Grüne verhandeln über NRW-Koalition

Lesezeit 4 Minuten

Düsseldorf – Optimistisch, aber nicht überschwänglich: Gut zwei Wochen nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben CDU und Grüne in Düsseldorf Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Noch nie haben CDU und Grüne gemeinsam im bevölkerungsreichsten Bundesland regiert.

ihre gemeinsamen Ziele formuliert hatten.

„Jetzt ans Eingemachte”

Neubaur und Wüst zeigten sich beim Eintreffen im Künstlerverein Malkasten optimistisch. „Wir haben am Wochenende auf einem kleinen Parteitag richtig Rückenwind dafür bekommen, dass wir jetzt zusammen mit den Verhandlerinnen und Verhandlern der CDU ans Eingemachte gehen”, sagte Neubaur (44). Sie sei aber „realistisch genug zu wissen, dass das teilweise weite Wege sind, die wir gehen werden”. Zugleich sei sie „optimistisch genug”, dass beide Parteien „alle Anstrengungen unternehmen werden, gemeinsam neue Lösungen für die Menschen in NRW zu finden”. Die Zeiten seien ernst. „Und deswegen zeigen wir, wir sind handlungsfähig, wir sind entschlossen, was Gutes hinzukriegen.”

Der erst seit Oktober 2021 amtierende Regierungschef Wüst (46) nannte das Sondierungspapier einen guten Rahmen, der jetzt gefüllt werden müsse. „Dabei geht es weniger um ein großes Kunstwerk, sondern um politisches Handwerk”, betonte Wüst. Das sollte sowohl bei der Anbahnung einer Regierung, einer Regierungsbildung sowie auch nachher im Regierungsgeschäft beachtet werden.

Einen konkreten Zeitrahmen für die Koalitionsverhandlungen nannten Wüst und Neubaur nicht. „Dieser Weg entsteht beim Gehen, und wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen für ein gutes Ergebnis für das Land”, sagte Wüst. Neubaur sagte, man werde „mit der notwendigen Sorgfalt, aber auch der gebotenen Geschwindigkeit jetzt in der Tiefe Lösungen finden”.

150 Teilnehmer bei Koalitionsgesprächen

CDU und Grüne gehen mit insgesamt mehr als 150 Teilnehmern in die Koalitionsgespräche. Die Feinarbeit mit den Details für den Koalitionsvertrag leisten in den kommenden Wochen 13 Facharbeitsgruppen mit je zwölf Mitgliedern. Am Dienstag trafen sich zunächst die fünfköpfigen Steuerungsgruppen von CDU und Grünen sowie die Leiter der Arbeitsgruppen von beiden Parteien.

Die CDU hat auch mehrere prominente Bundestagspolitiker benannt. So soll der Ex-Bundesgesundheitsminister und derzeitige Bundestagsfraktionsvize Jens Spahn von CDU-Seite die Leitung der Arbeitsgruppe Klimaschutz, Energie, Wirtschaft übernehmen. Auf der Grünen-Seite leitet Spitzenkandidatin Neubaur diese Arbeitsgruppe. Klimaschutz nimmt eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen für das mögliche erste schwarz-grüne Regierungsbündnis in NRW ein.

Für den wichtigen Bereich Schule wurde der Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek als AG-Leiter benannt. Er ist bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auf Grünen-Seite sitzt ihm die Arnsberger Schulpolitikerin und Lehrerin Verena Verspohl gegenüber.

Auch Ex-Bildungsministerin Anja Karliczek sowie Ralph Brinkhaus und Paul Ziemiak gehören zu den CDU-Verhandlern. Die amtierenden NRW-Landesminister Herbert Reul, Ina Scharrenbach, Karl-Josef Laumann, Lutz Lienenkämper und Ina Brandes leiten von CDU-Seite die Arbeitsgruppen für Innere Sicherheit, Bauen und Wohnen, Gesundheit, Finanzen und Verkehr. Für die Grünen verhandeln unter anderem Oliver Krischer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sowie die Bundestagsabgeordneten Lamya Kaddor und Irene Mihalic.

NRW soll klimaneutral werden

CDU und Grüne wollen NRW laut Sondierungspapier zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas machen und bekennen sich zu einem vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. Konkret wollen sie in den kommenden fünf Jahren mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen errichten und sämtliche für Photovoltaik geeigneten Flächen nutzen. Die umstrittene Mindestabstandsregelung bei Windrädern steht auf dem Prüfstand. Außerdem sollen 10.000 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden und Lehrkräfte unabhängig von der Schulform die gleiche Besoldung bekommen.

Vor dem Malkasten warteten auf die Koalitionsverhandler erneut demonstrierende Pflegekräfte der Unikliniken, die Entlastung in ihrem Arbeitsalltag forderten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mit grünen Fahnen die 38,5-Stunden-Woche. Auch ein Klimaschützer hielt ein Plakat hoch. Wüst und Neubaur blieben bei den Protestlern stehen und redeten mit ihnen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte unterdessen von der möglichen künftigen schwarz-grünen Landesregierung, für neue Einfamilienhausgebiete keine neuen Flächen mehr bereitzustellen. Der Städte- und Gemeindebund NRW verlangte eine finanzielle Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an der Wertschöpfung von erneuerbaren Energien, um damit die Akzeptanz vor Ort etwa beim Bau von Windrädern zu stärken.

Aus der Landtagswahl am 15. Mai war die CDU mit 35,7 Prozent als klare Wahlsiegerin hervorgegangen. Die SPD rutschte dagegen auf 26,7 Prozent ab. Die Grünen konnten ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2017 auf 18,2 Prozent fast verdreifachen und landeten auf dem dritten Platz. Bislang wird das Bundesland von CDU und FDP regiert.

© dpa-infocom, dpa:220531-99-488137/7 (dpa)