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Bundeskanzler Olaf Scholz im Interview„Wir haben Grund zur Zuversicht“

Lesezeit 5 Minuten
Kanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Vergleiche mit seinem Vizekanzler Robert Habeck ärgern ihn: Bundeskanzler Olaf Scholz beteuert im Interview mit Alexander Marinos, sich treu bleiben zu wollen.

Herr Bundeskanzler, sicher hatten Sie vor Ihrem Amtsantritt eine bestimmte Vorstellung, wie es wird, Bundeskanzler zu sein. Aber Sie konnten nicht ahnen, dass Wladimir Putin die Ukraine überfallen und Europa den Krieg zurückbringen wird.

Dieser Krieg ist eine furchtbare Katastrophe. Der russische Angriff bringt unendliches Leid über die Ukrainerinnen und Ukrainer. Und er wirkt sich auf uns alle aus, denn er hat die Friedensordnung in Europa zertrümmert. Mit den allseits bekannten Folgen für unsere Energieversorgung, für die Weltwirtschaft, für die Preise. Am schlimmsten aber sind Tod und Zerstörung, die Putin zu verantworten hat.

Wenn Sie auf die existenziellen Krisen blicken und auf die Welt, in der wir leben: Was sagen Sie eigentlich einem jungen Paar, das sich unsicher ist, ob es Kinder in diese Welt setzen soll?

Aus meiner Sicht sollte sich der Staat zu einer solch privaten Frage nicht äußern.

Die Frage richtet sich an Olaf Scholz.

Paare entscheiden sich aus ganz unterschiedlichen Gründen für Kinder. Ich möchte da aber gerne Mut machen. Die Probleme, vor denen wir alle gerade stehen, sind groß. Aber sie erscheinen mir lösbar. Deutschland ist ein starkes Land und hat viele Verbündete. Gegen die Bedrohung durch den russischen Imperialismus haben wir das transatlantische Bündnis, die Nato, und wir stärken und verteidigen das demokratische und freie Europa. Gegen den Klimawandel, der auch vielen Bürgerinnen und Bürgern große Sorgen bereitet, kämpfen wir mit Hochdruck. Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und gleichzeitig unseren Wohlstand als Industrieland steigern. Als große Wirtschaftsnation spielen wir mit unseren guten Ingenieurinnen und Ingenieuren eine wichtige Rolle, weil wir Lösungen entwickeln, die allen nutzen. Kurz: Wir haben Grund zur Zuversicht, auch wenn die Probleme erstmal groß scheinen. Wir haben die Zukunft selbst in der Hand.

Aktuell fürchten viele Menschen in Deutschland, massiv an Wohlstand einzubüßen. Sie haben bei anderer Gelegenheit erzählt, dass sie immer wieder auch einmal selbst einkaufen gehen. Verstehen Sie, dass Menschen in Panik geraten, wenn die Preise im Supermarkt davongaloppieren?

Diese Sorgen verstehe ich nur allzu gut. Inflation ist etwas Bedrohliches, weil es Werte vernichtet. Jetzt brauchen wir neben vielem anderen eine entschiedene Politik der Zentralbanken ...

... auf die Sie keinen Einfluss haben.

Und die Inflation ist stark getrieben von den hohen Energiepreisen. Deswegen tun wir gerade alles, damit diese Preise wieder runtergehen. Wir setzen konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien, und wir steigen in die Nutzung von Wasserstoff ein. Damit schützen wir nicht nur das Klima, sondern machen uns unabhängiger vom Import fossiler Energieträger wie Erdgas, Kohle oder Erdöl. In der akuten Situation importieren wir Flüssiggas aus anderen Regionen der Welt, um den Wegfall der russischen Importe auszugleichen. Dafür bauen wir in Rekordzeit gerade die nötige Infrastruktur an den deutschen Küsten – also Flüssiggas-Terminals. Die ersten Terminals an der norddeutschen Küste werden Anfang nächsten Jahres in Betrieb gehen können.

Wie groß ist noch die Gefahr einer Gasmangellage? Die Gasspeicher füllen sich ja schneller als gedacht.

Selbst wenn es mit der Zulieferung durch Russland noch mal ganz eng wird, kommen wir wohl durch den Winter.

Deutschland hat mit Spannung auf die Ergebnisse Ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg geblickt. So richtig schlau geworden sind wir noch nicht ...

Die Botschaft war klar: Die Lage ist schwierig, aber wir werden die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen mit ihren Problemen. Die Bundesregierung ist sich einig, etwas für diejenigen tun zu wollen, die wenig Geld verdienen. Wir werden das Wohngeld so reformieren, dass mehr Leute davon profitieren, und Hartz IV zu Beginn des kommenden Jahres durch das neue Bürgergeld ersetzen. Und wir werden etwas für Rentnerinnen, Rentner und Studierende tun und für viele bei den Steuern.

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Warum räumen Sie eigentlich die verunglückte Gasumlage nicht ab? Eine Stützung der Gasversorger mit Steuermitteln über den Staatshaushalt wäre doch viel gerechter.

Die Umlage ist nötig, damit nicht viele Verbraucherinnen und Verbraucher mit den immens gestiegenen Kosten für Erdgas allein bleiben. Gleichzeitig haben wir aber beschlossen, die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent abzusenken.

Moment! Die Mehrwertsteuer haben Sie erst im Nachgang beschlossen, als sie gemerkt haben, dass diese sonst noch auf die Umlage draufgeschlagen worden wäre.

Uns war klar, wenn Mehrwertsteuer auf die Umlage erhoben werden muss, senken wir die Steuer insgesamt. Aber nochmal: Die Gasumlage ist wichtig, um zu verhindern, dass Gasversorger pleite gehen und die Versorgung für die Verbraucherinnen und Verbraucher dann noch viel teurer würde. Wir verteilen damit die Lasten auf viele Schultern. Mich ärgert es aber, wenn Unternehmen von der Umlage profitieren wollen, obwohl sie das gar nicht bräuchten. Deshalb ist der Wirtschaftsminister gerade dran, solche Trittbrettfahrerei auszuschließen.

Zwischendurch hatte man den Eindruck, Robert Habeck sei für die Gasumlage ganz allein verantwortlich, und der Kanzler und der Finanzminister hätten damit nichts zu tun.

Mir ist wichtig: Jeder kann sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung in dieser Zeit mit all ihren Herausforderungen als Team eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet, auch wenn wir aus drei sehr unterschiedlichen Parteien stammen. Das Teamplay in der Regierung ist viel besser als manchmal gemutmaßt wird.