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Kevin Kühnert zur Gasumlage„Viele Menschen kommen so gerade über die Runden“

Lesezeit 5 Minuten
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Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär: „In wenigen Tagen wird das neue Entlastungspaket auf dem Tisch liegen.“

  1. In der Ampel-Koalition steigt die Unzufriedenheit mit der Gasumlage.
  2. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wirft dem Wirtschaftsministerium Täuschung vor und fordert von Robert Habeck Korrekturen.

Seit Monaten streitet die Ampel über neue Entlastungen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigt nun an: „In wenigen Tagen wird das neue Entlastungspaket auf dem Tisch liegen“ - am besten, bevor Tankrabatt und 9-Euro-Ticket auslaufen.

Herr Kühnert, die Gasumlage sorgt weiter für Ärger. Sie fordern Änderungen. Welche?

Die aktuelle Rechtsverordnung schließt nicht aus, dass auch Energiekonzerne davon profitieren, denen keine Insolvenz droht. Das ist ein Konstruktionsfehler. Die SPD will ausschließen, dass gesunde Unternehmen, die anfallende Mehrkosten in ihrer Gassparte locker ausgleichen könnten, die Gasumlage zur Bereicherung in Anspruch nehmen können. Das Wirtschaftsministerium muss dafür eine passende Lösung finden.

Das wäre juristisch äußerst schwierig …

Die Karten liegen offen auf dem Tisch. Der österreichische Konzern OMV hat beispielsweise seinen Gewinn vor Steuern um ganze 149 Prozent gesteigert, will aber trotzdem Geld aus der Umlage. Dazu sollte man zunächst mal eine Haltung haben: So was darf es nicht geben. Die können das problemlos stemmen, sind sogar Profiteure der Gesamtsituation. Wenn auf rechtlichem Wege nichts geht, ist es eine politische Aufgabe von Minister Robert Habeck, solchen Unternehmen klarzumachen, dass sie sich selbst schaden, wenn sie ihren Antrag auf Unterstützung nicht zurückziehen.

Kühnert über sein Verhältnis zu Scholz

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit wollte Kevin Kühnert Olaf Scholz noch als Kanzlerkandidat der SPD verhindern. Mittlerweile könne er dem Stil des Kanzlers aber einiges abgewinnen: „Über den politischen Stil von Olaf Scholz wird seit 20 Jahren leidenschaftlich gestritten. Ich habe mich daran auch schon abgearbeitet. Ich muss aber neidlos anerkennen, dass er mit seinem unbeirrbaren Ansatz immer wieder verdammt erfolgreich war. Und der ist: Erst machen, dann quatschen.“ (tob)

Warum hat die SPD der Umlage zugestimmt?

Aus dem Wirtschaftsministerium gab es seit drei Wochen andere Signale. Was uns verärgert, ist, dass in der öffentlichen Kommunikation, auch gegenüber uns Abgeordneten, andere Kriterien genannt wurden. Es ist immer wieder von Pleiten die Rede gewesen, die vermieden werden sollen. Schwarz auf weiß in einem Papier, das wir Abgeordnete bekommen haben. Der Minister hat das auch selbst so erklärt. Später hieß es aus seinem Haus, Insolvenzvermeidung sei nicht nur gar kein Kriterium, sondern den Versorgern müssten trotz Umlage auch Gewinne ermöglicht werden. Das ist eine fragwürdige Argumentation, und das verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen – auch meines. Gerade in der schweren Krise sind wir auf Vertrauen angewiesen. Wenn dann begründet der Eindruck entsteht, ein Ministerium dehne die Wahrheit an dieser Stelle, fällt das am Ende auf uns alle zurück und muss korrigiert werden!

Auch deutsche Energiekonzerne verdienen an der Krise. Warum stemmt sich Kanzler Olaf Scholz gegen die Übergewinnsteuer?

Das tut er keineswegs! Olaf Scholz hat wahrheitsgemäß erläutert, eine Übergewinnsteuer sei im Koalitionsvertrag nicht vereinbart. Allerdings standen auch die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da nicht drin. Äußere Umstände können neues Handeln erfordern. Die SPD in ihrer ganzen Breite ist für eine gerechte Beteiligung von zufälligen Krisenprofiteuren, um die ebenso zufälligen Belastungen für Privathaushalte und Industrie abzufedern.

Standpunkte

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CDU-Generalsekretär Mario Czaja will die Gasumlage abschaffen.

Auch die CDU ist unzufrieden mit der Gasumlage und will sie im Bundestag kippen. „Diese Gasumlage gehört abgeschafft“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Die Unionsfraktion werde in der nächsten Bundestagswoche beantragen, sie zurückzunehmen. Dies könne der Bundestag nach dem Energiesicherungsgesetz beschließen.

Robert Habeck (Wirtschaftsminister): „Wir sehen natürlich auch, wie viel Trittbrettfahrer es jetzt gibt. Wir prüfen, ob wir eine Regelung finden, die es diesen Unternehmen schwerer macht.“

Was meinen Sie? Sind bei der Gasumlage Änderungen vonnöten? Bitte schreiben Sie uns: Dialog@kr-redaktion.de oder Kölnische Rundschau, Leserbriefe, Postfach 102145, 50461 Köln.

Dass es geht, zeigen verschiedene Beispiele in Europa, und es ist ein Gebot eines fairen Lastenausgleichs, dass wir das machen. Ein solches Instrument sollte deshalb auch Teil des dritten Entlastungspakets sein, das gerade geschnürt wird.

Nicht nur das Gas wird immer teurer, auch der Tankrabatt fällt weg. Neue Belastungen statt Entlastung, das ist gerade das Ampel-Signal …

Es war immer klar, dass 9-Euro-Ticket und Tankrabatt Ende August zunächst auslaufen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass das dritte Entlastungspaket idealerweise sogar noch bekannt wird, bevor kommenden Donnerstag der Hammer fällt. Nicht zuletzt die Pendler verdienen schnelle Antworten darauf, wie es ab September weitergeht.

Wie dick muss das Paket werden?

Wir brauchen beträchtliche und zielgenaue Entlastungen, und die werden kommen. Allerdings können wir auch mehr Sicherheit geben, ohne dafür einen Euro auszugeben: Ein Kündigungsmoratorium bei den Mietverträgen, die Vermeidung von Strom- und Gas-Sperren im Winter, einen höheren Mieterschutz bei Mieterhöhungen – all diese Maßnahmen kosten den Bund nichts, würden aber sehr vielen Menschen zumindest einen Teil ihrer existenziellen Sorgen nehmen. Wir brauchen nicht nur finanzielle Entlastung, sondern auch seelische Entlastung.

Brauchen wir alle auch eine „Opferbereitschaft“, wie es jetzt aus der FDP gefordert wird?

Dass in Deutschland massiv Gas eingespart werden muss, daran führt kein Weg vorbei. Was mich gewaltig stört ist das Wort „wir“, das ich immer wieder höre, ob in Waschlappen- oder Schweinehund-Appellen. Das „wir“ suggeriert, wir seien ein Land von 83 Millionen Menschen, die alle in üppigen Verhältnissen leben.

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Dabei kommen sehr, sehr viele Menschen so gerade über die Runden. Politische Verantwortungsträger sollten deshalb bei ihren Formulierungen sehr genau unterscheiden, an wen sie sich richten. Von Arbeitnehmern mit Mindestlohn oder Alleinerziehenden mit schmalen Einkommen „Opfer“ zu verlangen oder weniger „Gratismentalität“, das finde ich respektlos. Damit stößt man Menschen vor den Kopf, die rumknapsen müssen. Wer wenig hat, braucht keine Spartipps von Gutverdienern, das ist höhnisch.