- Keine zwei Monate ist er im Amt, schon regt sich Frust über den neuen SPD-Gesundheitsminister.
- Die Konferenz der Ministerpräsidenten erteilte ihm gerade eine handfeste Rüge.
- Ist der Ressortchef zu Recht schon unter Beschuss?
Die meisten Bürgerinnen und Bürger hätten sich gewünscht, „dass der nächste Gesundheitsminister Karl Lauterbach heißt“: Das sagte Kanzler Olaf Scholz am 6. Dezember bei der Vorstellung seiner SPD-Kabinettsmitglieder. Und ja, laut Umfragen ist der Harvard-Professor aus Düren einer der beliebtesten Politikern des Landes. Bei einem Teil der Länderchefs und Fachkollegen und auch in vielen Medien hat es Lauterbach aber in Lichtgeschwindigkeit vom anerkannten Corona-Guru und Twitter-King zum Buhmann geschafft – viel schneller als sein Vorgänger Jens Spahn (CDU).
„Ich fühle mich persönlich hintergangen.“ So attackierte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) laut Teilnehmerangaben Lauterbach auf dem Corona-Gipfel am Montagnachmittag. „So etwas habe ich in 30 Jahren nicht erlebt.“ Schon zwei Tage zuvor hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Lauterbach vorgeworfen, das Robert-Koch-Institut „persönlich beeinflusst“ zu haben, was ein Unding wäre.
Verkürzung des Genesenen-Status traf unvorbereitet ein
Das dem Lauterbach-Ministerium unterstellte RKI hatte am vorvergangenen Samstag plötzlich den Genesenen-Status und damit die Befreiung von etlichen Corona-Auflagen von sechs auf drei Monate verkürzt. Völlig unvorbereitet konnten zahllose Bürger nicht mehr ohne Test in Theater, Kino, Fitnessstudio oder Restaurant. Dabei hatte Lauterbach noch tags zuvor versprochen, über Änderungen rechtzeitig zu informieren.
Klar, hinter den Unions-Attacken steckt auch Parteipolitik. Aber auch von der eigenen Partei hagelt es Kritik. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) etwa warf dem eigenen Minister laut „Bild“ ein „unglückliches“ Vorgehen vor. Und im montäglichen Corona-Beschlusspapier von Bund und Ländern erteilte dann die ganze Runde, und damit auch Scholz, Lauterbach eine gepfefferte Rüge: Der habe dafür zu sorgen, dass weitere Änderungen zum Immunitätsstatus „rechtzeitig vor ihrem Inkrafttreten angekündigt und begründet werden“. Autsch.
Rüffel mit Vorgeschichte
Schon direkt nach seinem Amtsantritt stürzte Lauterbach das Land in große Verunsicherung, weil angeblich viel zu wenig Impfstoff bestellt sei, dann reichte es doch. Es folgte ein Lockdown-Streit mit RKI-Chef Lothar Wieler. In der Impfpflicht-Debatte irritierte Lauterbach viele Fraktionskollegen, als er eine scharfe Impfpflicht schon ab dem Frühjahr verlangte, während die meisten Abgeordneten dies an absehbar nicht erfüllte Bedingungen knüpften – und damit auch die Debatte entschärfen wollten.
Hinzu kommt die akute PCR-Test-Knappheit, weil die Laborkapazitäten nicht rechtzeitig erhöht wurden. Und zuletzt zog sich der Minister auch noch den Zorn seiner Länderkollegen zu. Etliche wollen die schon beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte und Ärzte aufschieben, die ansonsten Mitte März in Kraft tritt. Einem solchen Beschluss stimmte Lauterbach aber nicht zu.
Harsche Kritik am Vorgehen Lauterbachs
Baden-Württembergs grünem Gesundheitsminister Manfred Lucha platzte der Kragen. „Wir sind hier keine Marionettentruppe“, zitiert ihn der „Spiegel“. SPD-Kollegin Petra Grimm-Benne aus Sachsen-Anhalt sagte dem „Tagesspiegel“: Um den Rückhalt für die Pandemiebekämpfung zu erhalten, „müssen wir unsere Maßnahmen begründen und erklären. Das ist zuletzt in einigen Fällen nicht so gut gelaufen, keine Frage“. Auch hier darf sich Lauterbach angesprochen fühlen.
Es dürfte Olaf Scholz klar gewesen sein, dass er mit Karl Lauterbach ein Risiko eingeht. In der eigenen Fraktion ein Sonderling, ohne Regierungserfahrung, und gleich oberster Corona-Bekämpfer an der Spitze eines großen Ministeriums? Lauterbach sei ohne Zweifel wissenschaftlich höchst intelligent, aber politisch dumm, urteilte die „Zeit“ kürzlich in einem Porträt.
Karl Lauterbach gibt sich zerknirscht
Es mag unfair erscheinen, Lauterbach schon jetzt so hart ranzunehmen. Aber als Talkshow-Gast hat er schließlich den Eindruck erweckt, er wisse alles besser. Nun gab er sich gegenüber den Ministerpräsidenten untypisch zerknirscht. Das mit dem Genesenen-Status sei „nicht gut gelaufen“, er habe niemanden täuschen wollen. Zu bemerken ist auch, dass die aktuelle Corona-Politik keineswegs „Lauterbach pur“ ist. Bund und Länder gehen einen Mittelweg zwischen Vorsicht und Mut, haben den Pfad der maximalen Eindämmung längst verlassen.
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Entscheidend für Lauterbach ist vorerst aber ohnehin, dass der Kanzler voll zu ihm hält, und das tut er. Nach dem turbulenten Corona-Gipfel sagte Olaf Scholz: „Der Bundesgesundheitsminister hat von mir die Unterstützung bekommen, die er braucht und die er auch bekommen muss, weil er ein ganz großartiger Minister und in dieser Frage hoch engagiert ist.“
Viel Zeit zum Durchatmen hat Lauterbach freilich nicht. Am Freitag steht er wieder vor der Bundespressekonferenz, Wieler an seiner Seite. An kritischen Fragen wird es nicht mangeln.