„Frauen sind echt panisch“Was die Kreißsaal-Schließung am Klinikum bedeutet
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Das Klinikum Leverkusen muss am kommenden Wochenende aus Personalnot die Abteilung schließen. Wir erklären, wie es zu dieser Situation kam.
Auch zeigen wir Ihnen die Reaktionen auf diesen ungewöhnlichen und radikalen Schritt?
Außerdem stellen wir Ihnen Alternativen vor: Wo sind die nächsten Standorte?
Leverkusen – An der Tür des Kreißsaales am Klinikum Leverkusen hängt ein Zettel: „Aufgrund akuten Personalmangels ist der Kreißsaal von Samstag, 7.12., 6 Uhr, bis Montag, 9.12., 6 Uhr nicht mit Hebammen besetzt. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an die Zentralambulanz.“ Ein Foto dieses Zettels macht im Internet Karriere: Über soziale Netzwerke und Mitteilungsdienste wird es großflächig verbreitet, die Reaktionen sind zumeist schockiert bis verärgert.
„Ich habe schon mehrere Nachrichten von Frauen bekommen, die echt panisch sind“, sagt Tanja Welling, die als freiberufliche Hebamme in Leverkusen arbeitet. Grund zur Panik besteht nicht, zum einen können Kinder im Notfall am Wochenende auch im Klinikum unter ärztlicher Begleitung zur Welt gebracht werden. „Wir werden niemanden mit Presswehen abweisen“, sagt eine Sprecherin. Zum anderen wurden die umliegenden Krankenhäuser mit Geburtsstationen über den Ausfall im Klinikum informiert.
Das Sankt Remigius Krankenhaus in Opladen hat deswegen bereits Personal aufgestockt. „Wir haben am Wochenende im Tagdienst eine zusätzliche Hebamme im Einsatz und für die Nacht eine auf Abruf“, sagt Cerstin Tschirner von der Kplus-Gruppe, zu der das Krankenhaus gehört. Da sie den Andrang aber nicht einschätzen könne, rät sie Schwangeren, bei Einsetzen der Wehen schon frühzeitig ins Krankenhaus zu kommen, damit keine Hektik entstehe.
Wie kommt es aber dazu, dass eine so große Einrichtung wie das Schlebuscher Klinikum seinen Kreißsaal schließt? Das Klinikum beschäftigt aktuell 19 Vollzeitkräfte, damit ist eine Besetzung von zwei bis drei Hebammen je Dienst möglich. Fünf davon sind kürzlich schwanger geworden, was in der Regel zu einem sofortigen Berufsverbot führt. „Dazu kommen der Krankenstand und ein ohnehin bestehender Hebammenmangel. So war absehbar, dass am Wochenende die Besetzung nicht ausreichend gewährleistet werden kann“, sagt die Klinikumssprecherin. Also habe man sich dazu entschlossen, frühzeitig zu informieren, damit werdende Eltern sich mit Alternativen befassen könnten.
Das soll aber eine einmalige Ausnahme bleiben. Für 2020 seien bereits Neueinstellungen fix vereinbart, weitere Hebammen werden gesucht. Doch der Markt ist dünn. Auch weil es zur Anstellung in der Klinik lukrativere Alternativen gibt: Zeitarbeitsfirmen locken Hebammen mit besserer Bezahlung und der Möglichkeit, Nacht- und Wochenenddienste auszuschließen.
Tanja Welling hat sich – wie viele in ihrem Beruf – für die Selbstständigkeit entschieden. Da müsse sie zwar auch mal am Wochenende zu Hausbesuchen, die könne sie aber selbst terminieren. Und über Unterbeschäftigung kann sie auch nicht klagen: „Ich bin jetzt bis einschließlich Juli komplett ausgebucht.“ Weil der Bedarf an Vor- und Nachsorgehebammen so groß sei, würden viele schon direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest anrufen. Und wer Pech hat und sein Kind in Ferienzeiten erwartet, hat selbst dann oft schlechte Karten. „Das System ist schon länger krank“, sagt Welling. „Besonders für die Frauen tut mir das leid.“
Unerträgliche Situation
Auch für den Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach ist die Hebammensituation in Leverkusen „unerträglich“ und „prekär“. Er geht sogar so weit, von einer „Gefährdung für Mütter hier in Leverkusen“ zu sprechen. Die bereits beschlossene Akademisierung des Berufs (Studium statt Ausbildung) soll den Beruf „interessanter“ machen, sagt Lauterbach und auch an der Bezahlung müssen man etwas tun. Allerdings müsse das Problem grundsätzlich „in Berlin“ gelöst werden. Was die Stadt Leverkusen tun kann, um mehr Hebammen anzuwerben? Karl Lauterbach schlägt vor, den Hebammen – wie auch ebenfalls dringend gesuchten Pflegekräften – bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. (mit aga)
Die Alternativen
Vorheriger Anruf wird empfohlen:
Opladen, St. Remigius Krankenhaus, An St. Remigius 26, ☎ 0 2171 / 4 095 21 21