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„Sisi“ in neuem GewandRTL hat den Klassiker in einer modernen Serie verfilmt

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Dominique Devenport als Herzogin Elisabeth in Bayern, die zu Elisabeth von Österreich und später von Österreich-Ungarn wird.

Köln – Wer erinnert sich noch an „Die Trapp-Familie“ (1956)? Oder an „Fanfaren der Liebe“ (1951) – der deutsche Vorläufer von Billy Wilders „Manche mögen“s heiß“ (1959)? Oder wie wäre es mit „Schwarzwaldmädel“, den 16 Millionen Zuschauer sahen? Leider führen diese Filme heutzutage eher ein Nischendasein. Unverdientermaßen.

Dabei gehören beide Werke zu den kommerziell erfolgreichsten Filmen der 1950er in Westdeutschland. Überstrahlt werden sie aber längst von Ernst Marischkas drei „Sissi“-Filmen (1955–1957) mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen. Und schon seit Jahren gehören sie zum festen TV-Weihnachtsrepertoire – ähnlich wie „Dinner for One“ zu Silvester.

Aristokratische Liebe

Für Romy Schneider, die die Kaiserschmarrn-Filme hasste, begann die Emanzipierung von „Sissi“ erst mit einem Umzug nach Frankreich, wo sie fortan ambitioniertere Filme drehte. Und Karlheinz Böhm? Er ging nach London, wo er in Michael Powells „Augen der Angst“ (1959) einen irren Killer spielte. Ein damals wenig geliebtes, unterschätztes Meisterwerk, und ein kompletter Bruch mit den „Sissi“-Filmen.

Weniger bunt

Zwar geizt die Serie nicht mit grandiosen Aufnahmen – vier Monate wurde im Sommer gedreht, etwa im litauischen Vilnius und im lettischen Riga, aber auch in Österreich und Deutschland, wo zum Beispiel die Würzburger Residenz und das Berchtesgadener Land als Kulisse dienten. Die Serie ist aber längst nicht so Agfacolor-bunt und „talmihaft“ (so der „Filmdienst“ damals) wie die Romy Schneider-Filme. Eine weise Entscheidung von „Tatort“-Regisseur Sven Bohse.

Die Bundesbürger werden jedoch anscheinend immer dann zu Royalisten, wenn sie der Liebesgeschichte der bayerischen Herzogin Elisabeth mit Franz-Joseph, dem Kaiser von Österreich, folgen können. Und obwohl die „Sissy“-Filme der 50er Jahre österreichische Produktionen waren, und Romy Schneider 1938 in Wien geboren wurde, gelten sie doch allesamt als „typisch deutsch“.

Erste Verfilmung bereits 1920

Filmgeschichtlich begann die aristokratische Liebe zur Habsburger-Dynastie bereits 1920 mit dem ersten Film über die Kaiserin, 1931 stellte Stummfilmdiva Lil Dagover die das strenge Hofzeremoniell unterlaufende Hoheit „Sisi“ (so die korrekte Schreibung) dar. Es folgte 1938 eine weitere, „nationale, großdeutsche“ (so die „Filmwelt“) Verfilmung. Und selbst Filmkünstler wie Josef von Sternberg, Helmut Käutner (in „Ludwig II.“, 1954, mit Ruth Leuwerik als „Sisi“), oder Jean Cocteau (angefragt wurde gar Greta Garbo) versuchten sich am Nimbus der Elisabeth von Österreich-Ungarn.

Romy Schneider spielte indes 1972 erneut die „Sissi“ – diesmal jedoch nur als Nebenfigur, und das in Luchino Viscontis Antikitsch-Meisterwerk „Ludwig II.“ Daneben gibt es unter anderem „Sissi“-Operetten und -Musicals, sogar eine Parodie von „Bully“ Herbig („Lissy und der wilde Kaiser“, 2007), eine TV-Serie für Kinder („Prinzessin Sissi“, 1998) sowie einen Zweiteiler („Sisi“, 1998) für die Älteren.

Der Mythos lebt!

Und nun? Der Mythos lebt! Während der US-Streamingdienst Netflix mit „The Empress“ eine neue „Sisi“-Serie in der Pipeline hat, preschte der „TV Now“-Nachfolger RTL+ vor. Ab morgen ist der Sechsteiler „Sisi“ nun auch an drei Abenden auf RTL zu sehen. Diese Serie gibt sich historischer, und ist auch sonst sympathisch modern. Denn auch dunkle und pikante Seiten des Paares werden da nicht ausgespart. Bordellbesuche, Klassenunterschiede und Impotenz werden zum Thema, aber auch politische Ränkespiele und eine ungerechte Justiz.

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Dialekt und österreichischen Singsang gibt es hier nicht und es wird auch keine Zither rausgeholt oder nur im Wald spaziert – dafür werden Reifröcke gehoben, es wird auf Schlachtfeldern gekämpft, am Hofe intrigiert und stellenweise geht es eben auch sehr brutal und sexuell zu. Das dürfte – wenn auch Uniformen, Abläufe und Drehorte historisch kaum korrekt sind – näher an der Realität des Adels und Hoflebens im 19. Jahrhundert sein als die „Sissi“-Trilogie der 50er.

Überhaupt gibt sich das von Dominique Devenport (25) und Jannik Schümann (29) hervorragend verkörperte Paar Sisi und Kaiser Franz Joseph erstaunlich modern. Die 50er-Jahre-Werke haben aber den Vorteil nostalgisch zu sein. Ganze Familien schließlich weinen kollektiv vor dem Fernseher – und das seit Jahrzehnten. Ob die RTL-Serie aber auch das Zeug zum Feiertagsklassiker hat, wird die Zukunft zeigen. Eins scheint jedoch jetzt schon sicher: Romy Schneider kommt wieder. Wie Weihnachten. (mit dpa)„Sisi“: RTL, Doppelfolgen von morgen bis Donnerstag, 30. Dezember, ab 20.15 Uhr.