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DokuFilm beleuchtet die „beste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel“

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau mit Tauchausrüstung guckt einer Seekuh ins Gesicht.

Auf du und du mit einer Seekuh: Jady Guy führt durch die Dokumentation „Blue Carbon“.

Die Doku „Blue Carbon“ ist allerdings kein faktenstrotzender Wissenschaftsfilm, sondern eine Art popkulturelles Manifest, das um die Figur der DJane Jayda G herum entfaltet wird.

Die (wissenschaftliche) Erkenntnis, dass die Meere viel mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden können als die Regenwälder, ist noch gar nicht so alt. Dieser sogenannte „Blaue Kohlenstoff“ findet sich in etwa Salzwiesen, aber auch in Seegras- und Mangrovenwäldern. Es ist deshalb wichtig, diese Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen, damit ihre Energien dazu beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen.

Die Doku „Blue Carbon“ ist allerdings kein faktenstrotzender Wissenschaftsfilm, sondern eine Art popkulturelles Manifest, das um die Figur der DJane Jayda G herum entfaltet wird. Die Kanadierin ist nicht nur ein Weltstar, sondern heißt mit bürgerlichem Namen Jayda Guy und ist von ihrer Ausbildung her eine Meeresbiologin, die ihre Berühmtheit nutzt, um sich für Klimaschutz stark zu machen.

Treffen mit Indigenen

„Blue Carbon-Ökosysteme können uns beim Kampf gegen viele Folgen des Klimawandels helfen. Keine Technologie, die wir Menschen erfinden, ist derart effizient und vielseitig. Wir müssen nur Pflanzen und schützen. Den Rest erledigt die Natur“, ist die junge Frau überzeugt.

In „Blue Carbon“ wechseln atemberaubende Naturbilder von Manatis in Florida, Walen und riesigen Krokodilen mit Aufnahmen der indigenen Bevölkerung ab, die ganz vorne im Kampf gegen den Klimawandel steht.

Der Dokumentarfilm verbindet Musik und Wissenschaft, um die vielleicht beste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel bekannter zu machen. Erzählt ist er aus Sicht der kanadischen Meerestoxikologin und berichtet von ihren Begegnungen mit Menschen in Vietnam, im Senegal und in der Karibik. Die sanft elektronische Musik von Jayda G, dem Hip-Hop von RZA oder der kratzige Samba des Brasilianers Seu Jorge zieht sich wie ein roter Faden durch den Film und vermittelt einen sehr frischen Zugang zum Klimaschutz.

Viel wird in TV-Reportagen und -Dokumentationen über die weltweiten Klimaveränderungen berichtet - und über die Probleme, die damit für Mensch und Natur verbunden sind. Oftmals geschieht dies aber, ohne Lösungen anzubieten und Zuversicht zu geben. Hier ist es anders: 90 Minuten lang zeigt die Dokumentation „Blue Carbon – Die Superkraft der Natur“ eine natürliche Möglichkeit der Klimarettung.

Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern

Blue Carbon – Blauer Kohlenstoff – ist eine vor noch nicht allzu langer Zeit entdeckte natürliche Substanz mit großem Potenzial.

Eigentlich ist sie – wie im Film in den knochigen Mangrovenwäldern der südfranzösischen Camargue zu sehen ist – von Natur aus braun. Sie wird aber als blau bezeichnet, weil der Prozess ihrer Entstehung und Speicherung unter Wasser stattfindet: Das erklärt im Film der Ökologe und Mangroven-Experte Andre Rovai.

Klimarelevant wird Blauer Kohlenstoff, wenn er wie in komplexen Küsten-Ökosystemen vermehrt vorkommt. Diese säumen derzeit noch die Kontinente: mit Salzwiesen, immergrünen und salztoleranten Mangroven oder Seegraswäldern. Diese gelten als Blue-Carbon-Systeme. Lange waren sie als stinkende Sümpfe unbeliebt, wurden entsprechend wenig wertgeschätzt - und zerstört. In den vergangenen 50 Jahren wurden deshalb rund ein Drittel aller Blauer-Kohlenstoff-Ökosysteme trockengelegt, versiegelt oder verschmutzt.

Dabei können diese Küstengebiete Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern. Das belegen wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre. Doch die Zeit drängt, wie die Dokumentation vorrechnet: Um eine Klimakatastrophe zu verhindern, müssen bis 2030 jährlich mindestens 23 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gezogen werden. Geschützte und wiederhergestellte Blue-Carbon-Systeme können dabei helfen. Denn sie können auf natürlichem Weg fünf Prozent davon einlagern. Im Kampf gegen den Klimawandel hat die Menschheit damit den Blauen Kohlenstoff als neuen Verbündeten.

„Wir müssen nur pflanzen und schützen, den Rest erledigt die Natur“, sagt Jayda Guy. Die kanadische Musikerin hat zehn Jahre als Biologin gearbeitet. Guy führt durch die Dokumentation – ein Glücksgriff, findet Barbara Biemann, Leiterin der Abteilung Dokumentarfilm beim produzierenden NDR und zuständig für internationale Co-Produktionen.

Keine trockene Wissenschaft-Doku

Die optimistische und positive Herangehensweise habe Biemann sofort fasziniert. Der Film sei keine trockene Wissenschaft-Doku; vielmehr gebe es mit Guy eine enthusiastische Protagonistin – als Wissenschaftlerin und erfolgreiche Musikerin. In der Brust von Jayda Guy wohnten zwei Seelen, „und das gibt es nicht so oft“, sagt Biemann.

Natur und Musik sind die Elemente von Guy. Schon ihr erster Hit „Orca's Reprise“ verbindet beides: Walgesänge und Dance-Beats. Für die aufwendig produzierte Dokumentation von US-Filmemacher Nicolas Brown bereiste die 34-Jährige Amerika, Senegal, Vietnam, Frankreich, Kolumbien und Brasilien. Zusammengetragen wurden starke Bilder und mit einem speziellen Hydro-Phone eingefangene Tonaufnahmen, beispielsweise in Florida von fressenden Seekühen in Seegraswäldern.

Für Redakteurin Biemann ist dieser Film eine Geschichte, die Hoffnung macht. Die Dokumentation mit beeindruckenden Bildern und Tonaufnahmen bietet zudem viel Musik – auch weil Guy überall seltene Töne aufnimmt. Am Ende sitzt sie mit dem brasilianischen Superstar Seu Jorge in dessen Tonstudio in Sao Paulo zusammen. Beide populären Künstler sind sich einig: „Wir müssen unsere Berühmtheit auch dafür nutzen, uns für solche Themen einzusetzen und sie bekannt zu machen.“ (kna)

Die Dokumentation ist noch bis zum 15. Oktober in der 3sat-Mediathek verfügbar.


Jada Guy

Jada Guy

Zur Person

Ein Porträt über die DJane und Meeresbiologin Jayda Guy findet sich in der ARD Audiothek. In vier, zwischen 29 und 50 Minuten langen Folgen werden ihr Leben und ihr Werdegang beleucht und durch Interviews mit ihr angereichert. Bei Ninja Tune ist ihr aktuelles Album „Guy“ (Foto) erhältlich. (EB)