Laut Studien befürchten viele Deutsche russische Aggressionen, obwohl die NATO Schutz bietet, verstärken Kriegsbilder diese Furcht.
Zwischen Furcht und FaszinationIst die deutsche Angst vor dem russischen Bären berechtigt?

Von manchen verehrt, von vielen gefürchtet: Wladimir Putin.
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Spätestens seit der Eskalation im Weißen Haus wächst bei vielen Bürgern die Furcht vor einer Bedrohung durch Russland. Schon im Dezember gaben in einer ARD-Umfrage 65 Prozent der Befragten an, Angst vor einem russischen Angriff auf weitere EU-Länder zu haben. 61 Prozent machten sich Sorgen darüber, dass Deutschland direkt in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte.
„Die Angst vor Russland ist historisch gesehen nichts Neues. Auch im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus und während des Kalten Krieges war die Angst vor einer russischen Bedrohung stark und wurde jeweils politisch genutzt“, sagte Sarah Pagung im Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“. Pagung ist Russland- und Osteuropaexpertin und leitet den Bereich Internationale Politik bei der Körber-Stiftung.
Die Politikwissenschaftlerin beschreibt, dass sich in der Vergangenheit ein russlandkritisches Bild mit einem russlandfreundlichen abgewechselt habe: „Das kann man sich wie ein Pendel vorstellen, das gerade allerdings stärker in die kritische Richtung wandert. Insbesondere seit der Annexion der Krim 2014“, sagte Pagung. „Dem vorausgegangen ist allerdings die konservative Wende Russlands 2012 mit einer zunehmenden Autokratisierung und Anschlägen auf politische Gegner wie Alexej Nawalny. Schließlich kamen der Überfall auf die Ukraine 2022 und Bilder von Kriegsverbrechen dazu.“
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Studie zeigt wachsende Angst vor Russland
Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vom vergangenen Oktober zeigt, wie sich das Bedrohungsgefühl der Deutschen seit dem russischen Überfall entwickelt hat. Demnach hatte im Jahr 2021 nur rund jeder Vierte Befragte Angst vor Spannungen zwischen Russland und Europa. Dann griff Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine an und Ende vergangenen Jahres äußerten mehr als zwei Drittel große oder sehr große Angst vor den Spannungen zwischen Russland und Europa (68 Prozent).
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine Studie der Körber-Stiftung aus dem September vergangenen Jahres. Demnach sah zu diesem Zeitpunkt eine Mehrheit der Deutschen (82 Prozent) in Russland eine militärische Bedrohung für Deutschland. Dieser Wert war im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozentpunkte gestiegen.
„Die Angst ist bis zu einem gewissen Punkt berechtigt, denn es gibt ein reales Risiko. In Europa ist es so unsicher wie seit Jahrzehnten nicht. Deutschland schützt bislang die Nato und ihr Artikel 5. Nun wird vieles davon abhängen, wie sich Europa verteidigungspolitisch aufstellt“, sagte Pagung.
Anteil der Befürworter für Ukraine-Unterstützung sinkt
Konkret sprach sich im September weiterhin eine Mehrheit von 57 Prozent der Deutschen für eine militärische Unterstützung der Ukraine aus. Im Vergleich zum Vorjahr (66 Prozent) war dieser Anteil jedoch gesunken. Besonders gering war die Zustimmung laut der Körber-Studie in Ostdeutschland, wo zu diesem Zeitpunkt nur 40 Prozent die anhaltende militärische Unterstützung befürworten.
In der Einstellung gegenüber Russland gibt es Unterschiede zwischen Ost und West“, sagte Pagung. Woran liegt das? „Ab 1945 hat die DDR stärker an das kooperierende Russlandbild angeknüpft – Russland als großer Bruder, die Erzählung von der Völkerfreundschaft.“ Ein zweiter Aspekt: „Gleichzeitig ist im Osten die Skepsis gegenüber dem politischen System größer. Das knüpft an unterschiedliche Themen an, wie Migration, Corona, Klimawandel und eben auch Russland.“
Die meisten großen Parteien seien sich in ihrer Russlandpolitik grundsätzlich einig, so Pagung. „Deswegen können Parteien wie die AfD darüber besonders ihre Opposition deutlich machen. Außerdem sind Osteuropa und Russland eine Projektionsfläche für innenpolitische Debatten, etwa wenn es um traditionelle Werte oder eine starke politische Führung geht.“
Dieser Artikel erschien zuerst im Berliner Tagesspiegel