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Anschlag auf SumyEx-Kremlchef nennt Merz „Nazi“ – Selenskyj bittet Trump um Besuch

Lesezeit 5 Minuten
Dmitri Medwedew im Parlament.

Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates und Chef der Partei „Geeintes Russland“, Dmitri Medwedew, hat Friedrich Merz einen Nazi genannt. (Archvibild)

Merz würde Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Sein Vorschlag, die Ukraine könnte die Krim-Brücke zerstören, alarmiert Moskau.

Kanzleramts-Anwärter Friedrich Merz (CDU) hat am Sonntag (13. April) in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ wiederholt, dass er zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine bereit sei. Außerdem schlug er der Regierung in Kiew vor, die wichtige Krim-Brücke anzugreifen. Darauf reagierte Russland nun mit Vorwürfen: Merz „unterstützt diverse Maßnahmen, die zu einer neuen Eskalation führen können und unweigerlich dazu führen werden“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Auf der Plattform X wurde der für seine ausfallenden und martialischen Kommentare bekannte Politiker Dmitri Medwedew noch deutlicher. Der Vizevorsitzende des russischen Sicherheitsrates schrieb dort: „Kanzlerkandidat Fritz Merz wird von der Erinnerung an seinen Vater heimgesucht, der in Hitlers Wehrmacht diente. Jetzt hat Merz einen Angriff auf die Krim-Brücke vorgeschlagen. Überlege es dir gut, Nazi!“ Medwedew ist ehemaliger russischer Präsident und Putin-Vertrauter.

Kreml will nur „ukrainisches Militär“ angegriffen haben

Auf das internationale Entsetzen nach dem Anschlag auf die ostukrainische Stadt Sumy mit mindestens 34 Toten und 117 Verletzten, darunter auch mehrere Kinder, reagierte Russland unbeeindruckt. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Montag, die Armee habe am Sonntag „den Ort eines Treffens von Kommandeuren“ in Sumy angegriffen.

Tatsächlich fand zu diesem Zeitpunkt in Sumy eine Zeremonie zur Auszeichnung von Militärangehörigen statt. Als Ort war die Kongresshalle der Universität von Sumy ausgewählt worden. Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hätten die zwei ballistischen Raketen vom Typ Iskander den Militärs gegolten. Russische Nachrichtenagenturen melden unter Berufung auf die Regierung, es seien 60 ukrainische Soldaten getötet worden.

Ukrainische Helfer durchsuchen die Ruinen nach dem Angriff auf die ostukrainische Stadt Sumy.

Ukrainische Helfer durchsuchen die Ruinen nach dem Angriff auf die ostukrainische Stadt Sumy.

Moskau machte der ukrainischen Führung in diesem Zusammenhang weitere Vorwürfe: „Das Kiew-Regime setzt die ukrainische Bevölkerung weiterhin als Schutzschilde ein, indem militärische Anlagen oder Veranstaltungen mit der Beteiligung von Soldaten im Zentrum einer dicht bevölkerten Stadt platziert werden.“

Ukrainischer Gouverneur steht in der Kritik

Das russische Militär behauptet stets, keine zivilen, sondern nur militärische Ziele in der Ukraine anzugreifen. Sumy liegt 50 Kilometer hinter der Grenze zwischen der Ukraine und Russland und ist immer wieder Ziel von Angriffen. Der Raketenangriff von Sonntag gilt als besonders verurteilenswert, weil viele Menschen am Palmsonntag vor Ostern auf der Straße waren, um an den Einzug Jesu Christi in Jerusalem zu erinnern.

Grafik-Karte Nr. 108826, Hochformat 60 x 85 mm, „Verortung des Raketenschlags auf Sumy“

Sumy liegt in der Ostukraine, nur 50 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt.

Ungewöhnlich kritisch äußerte sich indes ein ukrainischer Bürgermeister: Artem Semenichin prangerte in einem Facebook-Video an, dass der Gouverneur Wolodymyr Artjuchin – trotz der Nähe zur Front und der hohen Gefahr von Angriffen – dort eine Militärversammlung zur Ehrung von Soldaten angesetzt hätten. „Soweit mir bekannt ist, wurde er gewarnt, dass man so etwas nicht tut“, sagte der Bürgermeister der Stadt Konotop.

Unter den Toten und Verletzten von Sumy sind auch Kinder

In diesem Zusammenhang rief die ukrainische Parlamentsabgeordnete Marjana Besuhla Regierung und Armeeführung auf, keine „Militärs zu Ehrungen zu versammeln, vor allem nicht in friedlichen Städten“. Es sei ein Sicherheitsrisiko, wenn solche Termine für alle einsehbar in sozialen Netzwerken veröffentlicht würden.

Zugleich betonte sie aber, dass nichts den russischen Angriff rechtfertigen könne und Kriegsparteien die Pflicht hätten, ihre Ziele – auf zu befürchtende zivile Opfer hin – zu prüfen. Unter den Toten und Verletzten von Sumy sind auch Kinder.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs soll Russland 618 Kinder getötet und 1.884 verletzt haben. Diesen Stand vom 14. April veröffentlichte die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine auf Facebook, wie eine ukrainische Nachrichtenagentur berichtet. Die Zahlen seien nicht endgültig.

Russischer Angriff auf Sumy laut Trump wohl ein „Irrtum“

Auch US-Präsident Donald Trump hat sich zu dem verheerenden Raketenschlag geäußert. Von Reportern an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One auf den russischen Angriff angesprochen, antwortete er: „Ich denke, es war schrecklich. Mir wurde gesagt, dass sie einen Fehler gemacht haben. Aber ich denke, es ist eine schreckliche Sache. Ich denke, der ganze Krieg ist eine schreckliche Sache.“ 

Brian Hughes, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, sagte, der Raketenangriff sei „eine klare und brutale Erinnerung daran“, dass Verhandlungen nötig seien, „um diesen schrecklichen Krieg zu beenden“. Allerdings erwähnten weder Trump noch das Weiße Haus in ihrer Kritik Russland namentlich. Nur US-Außenminister Marco Rubio hatte zuvor den „Opfern des heutigen schrecklichen russischen Raketenangriffs auf Sumy“ sein Beileid ausgesprochen.

Der Angriff erfolgte zwei Tage nach dem Besuch von dem US-Sondergesandten Steve Witkoff. Witkoff sollte eigentlich in Russland ein Ende des Krieges bewirken, das Trump während seines Präsidentschafts-Wahlkampfes versprochen hat. Der Kreml hatte die Gespräche zwischen Witkoff und Putin als sehr „nützlich“ bezeichnet.

Selenskyj: „Nur ein völlig geistesgestörter Abschaum kann so etwas tun“

Bereits vor dem Angriff auf Sumy hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das Staatsoberhaupt der USA aufgefordert, die Ukraine zu besuchen. Bevor sich der US-Präsident mit Russland auf vermeintliche Friedenslösungen festlege, sollte er sich ein Bild vor Ort machen, so Selenskyj.

„Bitte, vor irgendwelchen Entscheidungen, irgendwelchen Verhandlungen, kommen Sie und sehen sich die Menschen, Zivilisten, Soldaten, Krankenhäuser, Kirchen, Kinder an, die zerstört oder tot sind.“ Das sagte er in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS, das am Sonntag (Ortszeit) ausgestrahlt wurde.

Er hoffe, Trump werde dann verstehen, womit er es zu tun habe. Ferner bat der ukrainische Präsident die USA, bei einer internationalen Friedenssicherung Truppen bereitzustellen und den ukrainischen Luftraum mit Flugzeugen zu schützen.

Das war noch vor dem tödlichen Angriff auf Sumy. Danach richtete er sich in einer Video-Ansprache auf X an Ukrainerinnen und Ukrainer. Dort sagte er unter anderem: „Nur ein völlig geistesgestörter Abschaum kann so etwas tun.“ Weiter sagte Selenskyj, dass er Druck auf den Aggressor Russland seitens der internationalen Gemeinschaft vermisse.

Russland attackiert weiter – will sich aber in Washington beschweren

Die Angriffe gehen derweil weiter: Nach Angaben aus Kiew hat Russland die Ukraine in der Nacht zu Montag (14. April) mit 62 Drohnen attackiert. 40 Drohnen seien abgeschossen worden, teilt das ukrainische Militär mit. Elf weitere Drohnen seien mithilfe der elektronischen Luftabwehr abgefangen worden. Zum Verbleib der übrigen elf Drohnen wurden keine Angaben gemacht.

In der Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa wurden bei einem Drohnenangriff den Behörden zufolge mindestens sieben Menschen verletzt. Mehrere Häuser und eine medizinische Einrichtung seien beschädigt worden. In der südlichen Region Saporischschja sei eine Tankstelle in Brand geraten. Zudem sei in der zentralen Region Dnipropetrowsk ein Mann durch russischen Artilleriebeschuss verletzt worden.

Indes will sich Russland laut Kreml-Sprecher Peskow in Washington beschweren – die Ukraine habe sich nicht an die Waffenruhe hinsichtlich der Angriffe auf Energieanlagen gehalten. (mit afp/dpa)