Beim Besuch im Atelier von Michael Nowottny in der Maybachstraße geht es um einen Monsterwal und ums Älterwerden. Derzeit entsteht ein Comic.
Mit „Moby Dick“ durchs LebenAtelierbesuch beim Kölner Künstler Michael Nowottny
Sein Skizzenbuch ist immer dabei: auf Reisen, in der Straßenbahn, am Küchentisch. Der Maler und Zeichner Michael Nowottny arbeitet überall. Stipendien ließen ihn schon für mehrere Wochen in der Villa Romana in Florenz auf den Spuren von Max Klinger und Georg Hirzel wandeln. Er arbeitete im Atelier des norwegischen Malers Edward Munch, in dem des Franzosen Paul Cézanne oder in dem des Belgiers James Ensor. Sein getreuester Wegbegleiter ist allerdings ein Wal.
Sarg als Rettungsboot
Es ist die Geschichte von Moby Dick, die Nowottny beschäftigt. Seit 20 Jahren befasst er sich mit dem Stoff eines Widerspenstigen: „Kapitän Ahab will sein Schicksal beeinflussen. Moby Dick ist sein Ziel, das er aber nicht erreichen kann“, sagt Nowottny, der aus der Geschichte, die Herman Melville 1851 in seinem Buch erzählt, so manche Parallele zu seinem Künstlerleben zieht.
Ein Sargdeckel hängt über der Treppe zu seinem Atelier an der Maybachstraße – Requisite für einen Stummfilm, den Nowottny im Gartenpool eines Reihenhauses drehte. Mit 18 als Seeleuten verkleideten Freunden inszenierte er die Schlussszene aus Melvilles Buch über den Monster-Wal. Der Sarg dient darin als Rettungsboot.
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Weniger mit den Geschichten der Walfänger habe das zu tun als mit der Metapher einer Auseinandersetzung mit der Kunst und mit sich selbst. Nowottny hat unzählige Kisten, in denen seine Bilder und Skizzen eng gestapelt sind. Es ist für ihn der Fundus für immer neue Herangehensweisen.
Walfang mit Tennisnetzen
Ein früher Teil aus dem Zyklus spielt auf die Erinnerung an ein für das Rheinland ganz zentrales Ereignis an: „Moby Dick“ schwamm durch den Rhein. Als 1966 ein Belugawal im Duisburger Hafen auftauchte, versuchte der Direktor des dortigen Zoos, ihn mit Pfeil und Bogen zu betäuben. Doch auch der Versuch, das fünf Meter lange Tier mit Tennisnetzen einzufangen, scheiterte.
Für diese Aktion des Walfangens findet Nowottny klare Worte: „Menschen müssen sich zurücknehmen und die Natur in Ruhe lassen.“ Man wisse zu wenig über die Wale. „Nur wie man sie tötet.“ Geradezu schicksalhaft war die Situation, als ihn seine Tochter Dora vor einigen Jahren anrief, nachdem sie einen gestrandeten Wal auf ihrem Schulweg während ihres Austauschs in Portobello, einem Küstenvorort von Edinburgh, gesehen hatte. „Ich fuhr sofort nach Schottland, habe den Wal zwar nicht mehr gesehen, aber vieles von der Stimmung mitbekommen“, erzählt der Maler.
Auf einem Lastwagen wurde der Meeressäuger abtransportiert. Das hat Nowottny in einem Bild festgehalten – wie in einem Mülleimer. Den Zustand der modernen Gesamtkultur solle es zeigen. In Storyboards, Happenings und neuerdings in einem Comic erzählt er seine Geschichte mit „Moby“.
Aktion am Ebertplatz
Die hat ihn schon mit vielen Menschen zusammengebracht. Der Visagist und Friseur Arthur Wynands hat Melvilles Romanfigur Queequeg für ihn geschminkt. Im Gespräch kamen sie auf das Älterwerden und auf den nächsten Roman — diesmal Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“. Gemeinsam malen sie auf der Leinwand. „Wir schaffen eine künstliche Person aus uns beiden.“
Ständig verändere sich das Bild. Mal trage es persönliche Züge und Auffälliges wie Wynands Ohrringe, dann wieder Nowottnys Brille. Ein gemeinsames Projekt im Atelier „Labor“ am Ebertplatz ist geplant. Das Zeichnen soll dann vor Publikum geschehen. In Nowottnys Atelier selbst gibt es kaum Sitzmöglichkeiten: „Ich male lieber im Stehen“, sagt der Kölner Künstler dazu.
Er sei kein Anhänger von abstrakter Kunst. Er überlege sich seine Motive bis ins Detail, und studiere jedes Thema seiner Werke genau durch. In seinen Textbücher schreibt er seine Recherchen auf, kreiert dazu Zeichnungen. Die sind Grundlage seines neuen Comics, der bald zeitgleich zur Stummfilmpremiere mit dem Sarg als Rettungsboot aus der „Moby Dick“-Reihe veröffentlicht werden soll.
Graphic Novel
Der Titel „Gestrandet“ bezieht sich auf Kapitel 37 des Buches von Herman Melville. Es seien, so Nowottny, keine Einzelteile, sondern viel mehr ein Gesamtkunstwerk, das sich in einen Comic, eine Graphic Novel, zusammensetzt. Aber seine Kunst zeichnet sich nicht nur durch seine Arbeiten an den Walen aus. Selbst beschreibt er seine Werke als „Bilderkosmos aus verschiedenen Ebenen“. Kunst sollte grundsätzlich berühren, meint der Maler.