Kritik zum neuen Album „Herz Kraft Werke“Sarah Connor von hinreißend bis ärgerlich
Es scheint sich in der Popmusik hierzulande durchgesetzt zu haben: „Wenn es nicht mehr so läuft, singst du auf Deutsch.“ Aber niemand hat den Wechsel so überzeugend und erfolgreich vollzogen wie Sarah Connor. War man bei „Muttersprache“ vor vier Jahren noch angenehm überrascht, nimmt man das neue Album „Herz Kraft Werke“ als selbstverständlich hin.
Und auf den ersten Blick , respektive aufs erste Hören scheint sie richtig zu liegen. Etwa durch die Tatsache, dass diesmal nicht das Gros der Songs mit dem Ex-Rosenstolz-Team, Peter Plate und Ulf Leo Sommer, entstand. Mit Konstantin Scherer jemanden ins Boot zu holen, der ansonsten mit ihrem Schwager Bushido und ähnlichen Kalibern arbeitet, ist ein interessanter Schachzug. Aber ehrlicherweise hatte die Idee schon Helene Fischers Team. Die Tatsache, dass die meisten Lieder in Nashville eingespielt wurden, trägt sicher zur Geschlossenheit bei. Letztlich haben die dortigen Profis auch nicht mehr abgeliefert als den Soundtrack zu einer ordentlichen deutschen Pop-Platte – aber auch nicht weniger. Und unter den meist balladesken Beiträgen ragt das herzhaft geschmetterte „Vincent“ weit heraus, perfekte Hymne für die einsetzende CSD-Saison und darüber hinaus.
Zwischen Rotzigkeit und Kalenderspruch
Bleiben die Texte, für die Connor mal allein, mal im Team die Verantwortung trägt. Und sie müht sich redlich, sich weit vom Schlagerallerlei entfernt zu halten. Da sie anders als Kollegin Andrea Berg nicht bemüht mit Messer und Gabel redet, singt sie auch mit einer gewissen Rotzigkeit: „Es kotzt dich an“, „Scheiß auf den Regen“ oder „Vincent kriegt keinen hoch, wenn er an Mädchen denkt“ – man zuckt kurz zusammen: Hat sie das jetzt gerade wirklich gesungen? Hat sie – aber genauso gut reimt sie Herz auf Schmerz, es soll von den Dächern der Stadt gesungen und mit dem Herzen gesehen werden. Kalendersprüche halt.
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Es gelingen aber schöne Bilder, wie von der Ex-Liebschaft, die sie im Kleiderschrank „unter alten Jacken“ begraben glaubte. Und auch wenn die „Kleinstadtsymphonie“ schon bei der Knef („In dieser Stadt“) erklang, erfreuen sich die Delmenhorster sicher über eine weitere Hommage nach der von Element of Crime.
Ärgerlich bis unerträglich wird’s, wenn sie in eine mädchenhafte, leicht brüchige Tonlage wechselt oder mit schlichten Lösungsvorschläge daherkommt: So will sie „den AfD-Idioten“, die ihr Herz nicht kriegen werden, mit „Liebe, Liebe, Liebe“ begegnen. Da fragt man sich verstimmt, wie viel Kalkül im Spiel war (im Netz weht ihr deshalb schon strammer Wind entgegen). Und ob es nicht etwas tiefsinniger möglich gewesen wäre.
Sarah Connor: Herz Kraft Werke. Polydor/Universal. Live in Köln: am 2.11. in der Lanxess-Arena.