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Konzert im TanzbrunnenHelge Schneider glänzt mit dadaistischem Humor und feinem Jazz

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Helge Schneider amüsierte das Publikum im Tanzbrunnen durchgehend.

Köln – Beim Konzert von Helge Schneider am Samstagabend im Tanzbrunnen gab es eine gute und eine schlechte Nachricht zu vermelden. Die schlechte: „Sommer, Sonne, Kaktus“ gab es nicht – weder in musikalischer und erst recht nicht in meteorologischer Hinsicht. Stattdessen ergossen sich immer wieder Regenschauer über die Zuschauer, die nicht das Glück hatten, einen Platz unter den für die Deutzer Veranstaltungsstätte charakteristischen riesigen Faltschirmen ergattert zu haben.

Dem Spaß sollten die herabfallenden Tropfen keinen Abbruch tun. Womit wir bei der guten Nachricht wären: Anders als sein Strandkorbkonzert in Augsburg vor knapp einen Monat hat Helge Schneider seinen Kölner Auftritt nicht abgebrochen, weil ihm das Konzept nicht zusagte. Stattdessen zeigte er sich sogar in prächtigster Spiellaune.

Fokus des Abends lag auf kürzlich erschienenem Album

Und diese ließ er sich noch nicht einmal vom Kölner Behördenapparat vermiesen. Auch wenn dieser im Vorfeld anscheinend mit außerordentlichem Elan versucht hatte, genau das zu schaffen, was Schneider in seiner unnachahmlichen Art gleich zu Beginn aufs Korn nahm. So sei ein anderes Muster in der Sitzordnung verlangt worden, weshalb die zuvor verteilten Sitzplätze der Zuschauer wieder neu hätten vergeben werden müssen.

Der Meter Platz zwischen den Stühlen sei übrigens dafür da, um Getränke dort abzustellen. Danach gönnte sich der 65-Jährige erst einmal ausgiebig ein paar Tassen Pfefferminztee, den er sich immer wieder von seinem eigens für Auftritte engagierten Teekoch Bodo Oesterling einschenken ließ – also von jenem Herrn in Zirkusuniform, den er vor über 30 Jahren auf einer Straße in Münster – „tätowiert am ganzen Körper und gepierct“ – aufgelesen und anschließend erst einmal vor einer Schönheitsklinik in München abgelegt haben will, um ihn dort für seine neue Bestimmung auf Vordermann bringen zu lassen. Ja, dem dadaistischen Nonsens Helge Schneiders konnten auch anderthalb Jahre Corona nichts anhaben.

Musikalisch lag der Fokus des Abends klar auf Schneiders kürzlich erschienenem Album „Die Reaktion – The Last Jazz Vol. II“. Mehr als anderthalb Stunden huldigten der Musikclown und seine beiden Mitstreiter, Thomas Alkier am Schlagzeug und Sandro Giampietro an der Gitarre, ihren musikalischen Helden von John Coltrane über Sonny Rollins, Elvin Jones oder Tadd Dameron. Die neuen Stücke wie „Das alte Klavier“, „Der Pabst“ oder „Liebe im Sechsachteltakt“ ließen dabei viel Raum für Improvisation – eine Disziplin, in der Schneider besonders gut ist, wovon seine Shows maßgeblich leben.

Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander

Ein starker Windstoß? Eine umfallende Flasche? Alles wird von dem Multiinstrumentalisten aus Mülheim an der Ruhr aufgesogen und zu Quatschzeilen über virtuoses Spiel verarbeitet. Da bekommt sogar (in „Meisenmann“) der berühmt-berüchtigte und verhasste Anwalt von der anderen Rheinseite, der mit seiner biederen Art bekanntlich der Grund dafür ist, dass Konzerte im Tanzbrunnen um 22 Uhr beendet sein müssen, eine Strophe spendiert und sein Fett weg.

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Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Bei Helge Schneider hat diese scheinbare Ambivalenz System wie kaum bei jemanden sonst. Wer, wenn nicht er, würde schon seinen größten Hit („Katzeklo“) von seinem Teekoch singen lassen und selbst parallel dazu auf der Trompete vollkommen schief und doch punktgenau passend „Sankt Martin“ und den Beginn der Titelmelodie aus der „Lindenstraße“ darüber spielen? Eben!