Köln – Bei Markus Lanz im ZDF war die Klimaaktivistin Carla Reemtsma zu Gast. Sie diskutierte mit Jens Spahn (CDU), der Juso-Vorsitzenden Jessica Rosenthal, dem „Zeit“-Journalisten Roman Pletter sowie dem Politikwissenschaftler Christian Mölling über die Attacke auf die Nord Stream-Pipelines und die Energiekrise in Deutschland und Europa. Dabei gerieten insbesondere der ehemalige Bundesgesundheitsminister und die Fridays-for-Future-Aktivistin Reemtsma besonders häufig aneinander.
Carla Reemtsma: Schuldenbremse sollte überdacht werden
Zu den Lecks in den Gas-Pipelines sagt Reemtsma, es sei noch nicht klar, wie die ökologischen Folgen seien. Man gehe davon aus, dass die lokalen Schäden begrenzt seien. Es sei aber so, dass das austretende Methan dem entspreche, was Deutschland in zwei Wochen an CO2 ausstoße. Klar ist für Reemtsma: „Die Vorfälle zeigen, dass die Abhängigkeiten einerseits von fossilen Energien, aber auch fossiler Infrastruktur eine der Hauptgründe für die verschiedenen Krisen sind, in denen wir stecken.“ Krieg und Klimakrise zeigten, dass fossile Energien ein „Sicherheitsrisiko in sich“ seien.
Dann geht es um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch die explodierenden Energiepreise. In der Runde sind sich alle einig, dass es richtig ist, die umstrittene Gasumlage abzuschaffen. Aber wie können untere und mittlere Einkommen dann entlastet werden? Reemtsma setzt sich neben einem Gaspreisdeckel für eine Vermögenssteuer oder einen „Solidaritätszuschlag“ ein. Auch die Schuldenbremse sollte aus ihrer Sicht überdacht werden.
Jens Spahn spielt auf Carla Reemtsmas Alter an
Darauf steigt Spahn ein: Dass mit der 24-jährigen Reemtsma ausgerechnet die Jüngste in der Runde die Schuldenbremse infrage stellt, erstaunt ihn offenbar. „Nachhaltigkeit ist für mich auch eine Frage von finanzieller Dimension“, sagt Spahn und versucht so, die Klimaaktivistin mit ihrer eigenen Argumentation zu schlagen. Man solle doch Projekte wie das Bürgergeld erst einmal liegenlassen und sich auf die Bewältigung der Krise konzentrieren. Dann würde es auch klappen mit der Einhaltung der Schuldenbremse.
Reemtsma kontert, sie kenne niemanden aus der jüngeren Generation, der für eine Einhaltung der Schuldenbremse sei. Juso-Chefin spricht von der „heiligen Kuh“ der Schuldenbremse, diese sei schließlich kein Selbstzweck. Sie findet Spahns Argumentation mit der jungen Generation nicht seriös.
Carla Reemtsma lässt sich nicht aus dem Konzept bringen
Reemtsma lässt sich auch nicht bei Lanz' Frage nach einer Übergewinnsteuer aus dem Konzept bringen. Dieser steht sie positiv gegenüber – obwohl dann auch Unternehmen mit regenerativen Energien besteuert würden. Diese hätten die geringsten laufenden Kosten und würden trotz einer Übergewinnsteuer immer noch am besten dastehen, argumentiert sie.
Juso-Chefin Rosenthal springt Reemtsma mit deutlichen Worten zur Seite: „Ich glaube, Herr Spahn, dass das ehrlicherweise genau der Punkt ist, warum es eine ganz gute Sache ist, dass Sie aktuell nicht mehr in der Regierung sind“, findet sie und löst damit Gelächter bei Lanz aus.
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Frühere Regierungen hätten bei notwendigen Maßnahmen wie dem Umbau der Industrie oder der Loslösung von fossilen Energien immer wieder gesagt: „Das schieben wir auf und das schieben wir auf“. Diese Haltung habe Deutschland erst in die aktuelle Lage gebracht. Das mache sie wütend.
Carla Reemtsma: „Herr Spahn, sie inszenieren sich gerade als Sozialopposition“
Reemtsma hält Spahn und der CDU vor, in der Opposition genau die Dinge zu kritisieren, die sie selber in der Vergangenheit verschlafen habe. „Herr Spahn, sie inszenieren sich gerade als Sozialopposition. Ich würde Sie gerne mal auf Ihre Zeit hinweisen, in der Sie im Finanzministerium gearbeitet haben“, ätzt sie und spielt auf Spahns Zeit als Staatssekretär an. Von Hartz IV könne man gut leben, habe er damals beispielsweise gesagt. Aktuell würde Parteichef Friedrich Merz mit dem Wort „Sozialtourismus“ gegen Flüchtende hetzen.
„Sozialtourismus“: Jens Spahn verteidigt Friedrich Merz
Spahn verteidigt Merz gegen die Kritik. Der CDU-Chef habe sich schließlich schnell entschuldigt. Bei Spahn klingt es so, als sei Merz der Begriff unter Stress versehentlich herausgerutscht. Markus Lanz findet das nicht glaubwürdig, und auch Roman Pletter glaubt an eine Strategie von Merz. Sachlich seien seine Äußerungen inhaltlich einfach nicht haltbar, und seine Entschuldigung sei halbherzig. (cme)