Wie bewerten Sie die Fachkräftequote für examinierte Pflegekräfte?
Michael Lamsfuhs: Ich finde die Quote zwar einerseits gut. Hinsichtlich der Qualität der Betreuung ist sie sicherlich sinnvoll. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es aber weitestgehend unmöglich, die Quote auch umzusetzen. Der Gesetzgeber lässt jedoch keine Ausnahmen zu. Sogar ein Arzthelfer gilt nicht als examinierte Pflegekraft. Jede teilqualifizierte Kraft fällt momentan nicht unter die Quote. Auch ein Quereinstieg in den Beruf ist nicht möglich.
Der Markt ist leer. Pflegefachkräfte werden von ambulanten Diensten, von der Tagespflege, von Leihfirmen, von Sanitätsdiensten abgeworben. Und sie werden auch abgeworben von denen, die uns kontrollieren sollen: den Behörden. Hinzu kommt, dass der Mangel an Pflegekräften ein weltweites Problem ist. Es gibt ihn nicht nur in Deutschland und der Eifel.
Auch mit Auszubildenden – wir haben immer zwei – können wir den Bedarf nicht decken. Voraussagen nach hat der Fachkräftemangel auch noch weitere Konsequenzen: Es fehlt an Lehrern an den Berufsschulen. Und wenn Lehrer fehlen, können die Schulen weniger Auszubildende unterrichten. Ein Teufelskreis.
Wie wirkt sich der Mangel an Fachkräften auf Seniorenheime aus?
Im schlimmsten Fall gibt es einen Aufnahmestopp, wie wir ihn gerade haben. Aber es ändert auch die Art, wie sich Angestellte verhalten. Sie üben Druck aus, wollen keine Schichtarbeit und keinen Dienst am Wochenende. Aber wir können ihren Wünschen nicht immer entgegenkommen. Rund um die Uhr examiniertes Pflegepersonal vorzuhalten – das wird so unmöglich.
Leider bleibt uns nichts anderes übrig, als auch mit Zeitarbeitsfirmen zu arbeiten. Deren Personal ist aber deutlich teurer. Für eine Pflegefachkraft von einer Zeitarbeitsfirma zahlen wir 50 Euro plus Mehrwertsteuer je Stunde. Angestellte Pflegefachkräfte verdienen normalerweise zwischen 18 und 25 Euro je Stunde. Außerdem sind die Zuschläge oft anders geregelt als die gesetzlichen Vorgaben, es gibt versteckte Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Personal von Zeitarbeitsfirmen kriegt zum Beispiel oft höhere Sonntagszuschläge.
Was macht Berufe in der Pflege so unattraktiv? Ist es die Bezahlung?
Die Pflegekräfte sind meiner Meinung nach nicht unterbezahlt. Wenn mit dem Tarifvertrag, der im Laufe des Jahres kommen soll, die Gehälter für examinierte Pflegekräfte steigen, ist das für mich kontraproduktiv. Wer soll das bezahlen? Die Senioren? Die Allgemeinheit?
Auszubildende verdienen schon 1100 Euro im ersten Lehrjahr. Der Beruf ist nicht deshalb unattraktiv. Er es, weil es Wechseldienst gibt, Nachtschichten und Arbeit am Wochenende. Natürlich ist eine gewisse Arbeitsbelastung immer da, aber es kommt darauf an, wie die Leute damit umgehen. Die Verantwortung ist hoch. Viele haben Angst, Pflegefehler zu begehen, Senioren zu gefährden.
Was wäre aus ihrer Sicht eine Lösung für die Probleme der Pflege?
Jobsharing wäre eine Lösung. Eine Pflegekraft könnte zum Beispiel 50 Prozent ihrer Stelle in einem Seniorenheim leisten und 50 Prozent in der ambulanten Pflege. Aber das lassen die gesetzlichen Vorgaben nicht zu. Möglich ist das nur, wenn ein Arbeitgeber mehrere Einrichtungen hat. Der Gesetzgeber könnte außerdem die Fachkräftequote senken oder die hinzuzählen, die zumindest teilweise qualifiziert sind. Mehr Entscheidungsspielraum für uns – das wäre wirklich eine Lösung. Und dafür möchte ich kämpfen. Im Jahr 2023 soll es zu einer Änderung kommen.
Sie zeichnen ein pessimistisches Bild von der Pflege. Gibt es Dinge, die sie optimistisch stimmen?
Ja, die gibt es. Mich stimmt optimistisch, dass die Pfleger trotz der momentanen Beanspruchung ihren Job mit Dankbarkeit machen. Anstrengende Arbeit muss nicht automatisch zu Überlastung führen. Es kann auch Spaß machen, wenn man gefordert wird. Viele in der Pflege führen sich vor Augen, dass sie gebraucht werden und machen ihren Job deshalb gerne.