Zittern um die EinnahmenSo ist die Stimmung auf den Kölner Weihnachtsmärkten
Lesezeit 4 Minuten
Köln – „Bestens“ ist die Stimmung bei Natalia und Jessica. Und damit in jedem Fall besser als die Lage. Sollte sie auch, denn Jessica (35) ist eigens aus Dublin angereist, um mit ihrer Freundin Natalia (30) über die Kölner Weihnachtsmärkte zu schlendern. Die beiden haben gerade auf dem Markt der Heinzel ihren zweiten Glühwein getrunken. Dass sie den ersten Tag erwischt haben, an dem auf den Märkten Masken getragen werden müssen, ist ihnen egal. „Daran ist man doch schon gewöhnt, oder?“
2G und Maskenpflicht auf Kölner Weihnachtsmärkten
Nach einer Entscheidung des Kölner Krisenstabs am Mittwoch gilt wegen der stark steigenden Inzidenz- und Hospitalisierungsraten neben dem geforderten 2G-Nachweis auch die Maskenpflicht. Und zwar auf allen Weihnachtsmärkten sowie in den stark frequentierten Einkaufsstraßen. Schilder an den Markzugängen weisen darauf hin, nur wer isst oder trinkt, darf die Maske abnehmen. Nahezu alle Besucher halten sich daran.
Und fast alle finden die Verschärfung der Schutzmaßnahme gut. „Wir sind einfach nur froh, dass die Märkte überhaupt stattfinden“, sagt Käthe R. (90). Sie kommt jedes Jahr von Troisdorf zum vorweihnachtlichen Bummel, mit ihr Neffe Andreas (53) und Gattin Veronica (52). „Leider ist meine Mutter in diesem Jahr nicht dabei. Sie ist Australierin und käme wegen der coronabedingten Reisebestimmungen wohl nicht in ihr Land zurück“, bedauert sie. Am Nachmittag ist der Andrang in den Gängen überschaubar, obwohl neue Stände locken. Man kann Pflanzkalender mit Samentütchen erstehen, Eierlikör mit Orangenaroma, recycelte Fahrradreifen als Gürtel verschenken. Oder weißen Nougat, vom Laib geschnitten. Wer da ist, genießt. Aber Gedanken machen sich alle.
Pirkko Hamer etwa, die in ihrer kleinen Holzhütte an der Nähmaschine sitzt und Röcke, Ponchos und kleine Taschen näht. „Wir sind schon am zittern“, sagt sie. Ein Drittel ihres Jahresumsatzes macht sie in normalen Jahren auf dem Weihnachtsmarkt. Das bereitet auch Nine und Uli Stutzke Kopfzerbrechen. Sie betreiben einen Stand mit Brandmalerei. Bislang kämen „höchstens die Hälfte der Besucher“. Und das trotz des Sicherheitskonzeptes. „Alle reden von den Märkten, obwohl das Risiko ja draußen viel geringer ist als in einem vollen Geschäft.“ Unterdessen drückt Jutta F. einen 2G-Stempel auf die Faust einer Kundin. Denn nur wer beim Kauf einen 2G-Nachweis vorlegt, wird auch bedient. Und bekommt einen für alle Märkte gültigen Tagesstempel. Das funktioniere sehr gut, alle würden ihre Stempel freiwillig vorzeigen. „Wir hoffen jetzt sehr auf das Wochenende. Dann müsste das Geschäft richtig anziehen.“
Abstand halten in der City kaum möglich
Ein paar hundert Meter weiter ist es schon soweit. Hier schieben sich die Kunden am Black Friday über Schildergasse und Hohe Straße, nicht alle tragen die Maske konsequent. Abstand halten ist kaum möglich. Zu groß ist das Gedränge. Unterwegs auf der Jagd nach dem Ultraschnäppchen sind viele Mittzwanziger und Teenager. Wie Dilara (15) und Eileen (14) aus Gummersbach. Für sie hat sich der weite Weg nicht gelohnt. „Was wir wollten, war nicht reduziert.“ Andere haben da augenscheinlich mehr Glück. Am frühen Abend gibt es lange Schlangen vor den Geschäften der Shopping-Meilen. Und prall gefüllte Einkaufstüten bei den meisten.
Unterdessen sind Gerti und Armin H. wohl schon wieder zu Hause. Die leidenschaftlichen Weihnachtsmarktfans wollten sich alle Märkte an einem Tag ansehen. „Weil ja keiner weiß, wie lange sie noch offen sind.“
Winterbeleuchtung: Eigentümer und Stadt tragen die Kosten
Der Effekt war enorm: Als das Pilotprojekt „Winterbeleuchtung“ letztes Jahr am Beginn der Hohe Straße an den Start ging, wurde schnell deutlich, dass es eben nicht nur um Weihnachten ging. Über die gesamten Wintermonate wurde eine hochmoderne Lichtanlage installiert, die bei Bedarf in den verschiedensten Farben schimmern kann und gleichzeitig sehr viel weniger Strom verbraucht als andere Leuchtmittel. Sie wird bis Februar bleiben und nicht nach Weihnachten wieder eingemottet.
400 Meter weit profitiert nun auch die Schildergasse vom neuen Glanz: Über ganze 400 Meter spannt sich dort das Lichtermeer – auch dank des Eigenanteils vieler Eigentümer von insgesamt 350 000 Euro. Über 200 000 Euro kamen von Kölnbusiness aus dem städtischen Förderprogramm „Winterbeleuchtung 2021“: Um Einzelhandel und Gastronomie zu unterstützen, hatten Stadt und Kölnbusiness auf Initiative des Wirtschaftsausschusses ein Förderprogramm über 500 000 Euro aufgelegt. Die Unternehmen machten davon regen Gebrauch: Die Fördermittel wurden komplett abgerufen.
„Das Konzept Winterbeleuchtung zeigt, dass die Privatwirtschaft bereit ist, einen hohen Beitrag zur Verfügung zu stellen. Auch Politik und Verwaltung beteiligen sich erstmals“, erklärte Annett Polster von Stadtmarketing Köln. Werde diese Entwicklung fortgeführt, sei Köln auf einem guten Weg, sich lokal und überregional zu positionieren.
Diese Einschätzung teilt auch Frank Wenzel, Geschäftsführer der Aachener Grundvermögen, der acht Einzelhandelsimmobilien auf der Hohe Straße und zehn auf der Schildergasse gehören: „Die reine Aneinanderreihung von Filialisten lockt die Menschen immer weniger in die Innenstadt. Dieser Entwicklung müssen sich die Städte anpassen, etwa indem sie mehr Aufenthaltsqualität und Erlebnisse schaffen.“
Die Initiative „Kölner Handelslagen“ aus dem Mitgliederkreis des Stadtmarketings hatte im vergangenen Jahr die Neukonzeption der Winterbeleuchtung erarbeitet. Auf der Hohe Straße wurden mit 36 Überspannungen gut 1000 Kugeln umgesetzt. (two)