Köln – So viele Kiebitze hat selbst der FC in seinen besten Zeiten am Geißbockheim noch nicht gesehen. Der Abbau eines zehn Tonnen schweren Gerüstes am Dom geriet am Donnerstag zu einem großen Auflauf von Schaulustigen. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen verfolgten ab dem frühen Morgen die Arbeiten. Der Sprecher der Dombauhütte, Matthias Deml, sprach von einem „Volksfestcharakter“. Und so war es dann auch.
Den besten Blick auf die weltberühmte Kathedrale hatten die Kunden von Café Reichard – einschließlich Gaumenfreuden. Bei Käffchen, Sektchen oder mit einem Orangensaft auf dem Tisch fachsimpelten die Gäste auf der Platzfläche mit dem Tischnachbarn und hielten den historischen Moment mit ihren Smartphones fest. Der Unterschied zu den FC-Kiebitzen: Die Fußballfans müssen sich keine Sorgen um eine Genickstarre machen, die Kiebitze am Dom schon. Minutenlang schauten die Menschen in die Luft – alles für ein gutes Foto.
Für den „ganz speziellen Auftrag“, wie es der Chef des Kranunternehmens Matthias Wasel nannte, hatte sich das Unternehmen einen sehr erfahrenen Mann am Steuer des Riesenkrans ausgesucht. Seit 20 Jahren sitzt Michael Müllers am Ruder der Mega-Kräne. Am Donnerstag kam der 46-Jährige vom Niederrhein zum Dom – im Trikot von Borussia Mönchengladbach. Nervös gewesen? „Ich war ein bisschen aufgeregt. Es ist der Dom“, erzählte der Gladbach-Fan. Seine Sorge war, dass bei den sensiblen Arbeiten ein Stückchen vom Dom abbricht – aber es ist alles gut gegangen. Mit Arbeiten an großen Geräten in luftiger Höhe kennt Müllers sich aus. Sonst arbeitet er an Windkraftanlagen.
Dass alles gut geht, hatte auch Dombaumeister Peter Füssenich gehofft und Kerzen im Dom angezündet, berichtete er. Es hat geholfen. „Es waren heute wirklich Bilderbuch-Bedingungen“, so Füssenich. Als um 15.26 Uhr das letzte Gerüstteil auf der Domplatte ankam, brandete Applaus auf.
Erstmals seit zehn Jahren ist der Blick auf die Westfassade des Doms damit wieder unverbaut. Wer in den letzten Jahren kam, um den Dom zu sehen, war oft enttäuscht: „Oh nein – was für ein Pech. Ausgerechnet jetzt wird renoviert“, stellten viele Touristen enttäuscht fest. Dieser Stoßseufzer bezog sich auf das Baugerüst am Nordturm. Alles andere als ideal für Erinnerungsfotos. Zumal es auch schon so schwierig genug ist, ein Selfie vor dem Dom zu machen: So sehr man sich auch verrenkt, auf die Domplatte kniet oder gar der Länge nach hinlegt – man bekommt ihn einfach nicht richtig ins Bild.
Ursprünglich sollte das 30 Meter hohe und zehn Tonnen schwere Hängegerüst bereits am Dienstag abgenommen werden. Doch der starke Wind verhinderte das Vorhaben. Mit dem Aufbau des Gerüsts am Nordturm war im März 2011 begonnen worden. Es ist bereits das dritte Hängegerüst, das seit Beginn der Arbeiten an dem Turm im Jahr 1996 in luftiger Höhe von 105 Metern angebracht wurde. Auslöser für die Restaurierungsarbeiten war ein Steinschlag während eines schweren Sturms am 24. November 1984. Damals war ein über drei Meter hohes Steinelement aus etwa hundert Metern Höhe abgestürzt und hatte schwere Schäden an den Seitenschiffdächern verursacht. Eine anschließende Untersuchung ergab, dass rostige Metallelemente den Schaden verursacht hatten. Alle Anker und Dübel aus Messing und Eisen an vier gewaltigen verzierten Türmchen - den sogenannten Fialen – müssen daher an beiden Türmen ausgetauscht werden.
Und wie geht es jetzt weiter? „Der Kölner Dom ist ein so filigranes Bauwerk mit so vielen Oberflächen, Tausenden von kleinen Fialtürmen, dass immer etwas zu tun ist. Die Kölner sagen: „Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter. Ich kann Ihnen versprechen: Die nächsten Jahrzehnte passiert das auf jeden Fall nicht.“