Der „Decke Pitter“ ist seit 100 Jahren Symbol für die Mächtigkeit des Doms. Wir werfen einen Blick auf die bewegte Geschichte der Glocke.
Eine wie keineWas den „Decke Pitter“ im Kölner Dom so unvergleichlich macht
Es ist nur eine Plastikplane, doch sie wirkt wie ein majestätischer Baldachin. Es ist nur ein „Aufpasser“ in einem Holzhäuschen . Doch es wirkt wie eine Ehrenwache. Die Majestät des „Decken Pitter“ strahlt einfach auf sein Umfeld aus. Mehr noch, Kölns berühmte Glocke hat Strahlkraft für die ganze Stadt. Ganz besonders in diesem Jahr, in dem sie 100 Jahre alt wird. Die Kölnerinnen und Kölner lieben „ihre“ Glocke in „ihrem“ Dom. Dabei hat es der 24-Tonnen-Koloss denen, die ihm nahestanden, nicht immer ganz leicht gemacht.
Hat es doch tatsächlich eine Taube in den eigentlich hermetisch abgeschirmten Glockenstuhl geschafft. Im Jubeljahr ein heller Fleck auf der dunklen Weste? Undenkbar. „Darum die Plane“, erklärt Jörg Sperner. Ihn hat die Dombauhütte dem „Decken Pitter“ zur Seite gestellt. Seines Zeichens „Assistent des Dombaumeisters“. Seine Profession: Architekt. Für diese Glocke zuständig zu sein, das kann halt nicht irgendwer machen. Wobei, da muss die Kirche natürlich im Dorf bleiben, Sperners Zuständigkeit reicht weiter als der Schlagring der Petersglocke. Sie reicht über das ganze Geläut des Doms und noch darüber hinaus. Es ist nur eben so, neben dem „Decken Pitter“ wirkt vieles andere nebensächlich.
Petersglocke in Köln: Der Schöpfer soll nach der Erschaffung geweint haben
Das erfuhr auch Heinrich Ulrich. Spross einer ruhmreichen Glockendynastie. Rund 5000 Glocken goss er im thüringischen Apolda. Doch vor allem eine begründete seinen Ruhm. Geweint soll er haben, als der Guss der Petersglocke fertig war. Ergriffenheit? Sicherlich auch, aber wohl nicht nur. Eine tonnenschwere Last dürfte ihm von den Schultern gefallen sein. „Der Auftrag war nicht beliebt“, berichtet Sperner. Nicht wenige aus Ulrichs Zunft hatten abgelehnt, ein 24-Tonnen-Ungetüm für den Kölner Dom zu gießen.
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Die Aufgabe an sich ist schon ein Wagnis. Ulrich baute extra einen neuen Ofen für die Petersglocke. Und dann noch die Vorgeschichte. Meister (Andreas) Hamm hatte den Vorgänger geschaffen, die Kaiserglocke. Letztlich der Materialschlacht des ersten Weltkrieges geopfert. Auf „C“ hatte sie erklingen sollen. Doch das gelang nicht. Meister Hamm musste nachbessern. Lange. Aufwendig. „So etwas spricht sich rum in der Glockengießerszene. Das ist ein Makel“, sagt Sperner. Und auch Heinrich Ulrich vergoss zu früh Freudentränen über den gelungenen Guss. Das Loch für die sogenannte Seelstange, zu 100 Prozent zentriert hat es zu sein. Ulrich lag ein bisschen daneben.
Vom Ärger mit den Klöppeln
Erneut ein Makel, der erst 95 Jahre später korrigierte wurde, nachdem der „Decke Pitter“ einen neuen Klöppel brauchte. Der bisherige Klöppel brach 2011 ab, knallte markerschütternd auf eine Zwischenebene. Noch gut hörbar auf der Domplatte. Eine Erdbebenmesseinheit im Dom schlug aus. Erst wurde an einen Materialfehler gedacht. Später stellte sich heraus, dass ein Handwerker in den 1950er Jahren nicht umsichtig genug mit einem Schneidbrenner unterwegs war. Bei dem 24-Tonnen-Koloss steckt der Teufel eben oftmals im Detail.
2018 gab es für den neuen Klöppel eine neue Aufhängung. Mit der wurde Ulrichs Makel zwar nicht wett gemacht, aber wenigstens ausgeglichen: Das nicht perfekt zentrierte Loch.
Weil sie eine Glocke wie keine andere ist, sollte sie auch geläutet werden wie keine andere. Der Kaiserglocke hatte seine Majestät Wilhelm I. 28 Kürassiere zur Seite gestellt. In Deutz stationiert rückten sie an, wenn die Kaiserglocke erklingen sollte, spuckten in die Hände, zogen an den Seilen. Der „Decke Pitter“ indes sollte zu den ersten Glocken gehören, die über Elektromotoren in Bewegung gesetzt werden.
„Um 1900 kam die Idee auf. Um die 24 Tonnen aufzuschwingen, brauchte es zwei Motoren“, berichtet Sperner. Die mussten absolut synchron laufen. Damals eine große technische Herausforderung. „Rund drei Jahre wurde daran getüftelt.“ Und dennoch reichte es nicht. Die Motoren vereinten ihre Kräfte nicht optimal, kamen aus dem Tritt. Ein Zahnrad fuhr zur Hölle. Ein Himmelswink für diejenigen, die das mit den Elektromotoren von Anfang an für Teufelszeug hielten.
Beispiele zuhauf, die zeigen, die monumentale Lieblingsglocke der Kölner will mit Samthandschuhen angepackt werden. Sperner und die Seinen akzeptieren das demütig. Denn die Experten der Dombauhütte wissen, keine Glocke lebt ewig, auch der „Decke Pitter“ nicht. Die Lebensdauer lässt sich nicht exakt berechnen. „Aber wir können sie durch gute Pflege verlängern“, sagt Sperner.
Das Verhältnis von Klöppel zu Glocke wurde stetig optimiert. „Zu Silvester lassen wir sie seit einigen Jahren nicht mehr erklingen. Das merkt bei dem Geböller und Jubel zu Mitternacht eh kaum einer.“ Und gerade bei kalten Temperaturen ist das Läuten für eine Glocke besonders strapaziös. „Die Petersglocke erklingt dafür zu Neujahr, dann aber nicht mehr 30, sondern nur noch 20 Minuten“, erklärt Sperner das Schonprogramm. Schon auch eine Diva, der eigenwillige „Decke Pitter“.
In einer mehrteiligen Serie blicken wir auf die Geschichte des „Decken Pitter“. Die nächste Folge lesen Sie nach Ostern.
Die kleine, feine Schwester
9.40 Uhr am Ostersonntag wird der „Decke Pitter“ wieder erklingen, zur Auferstehung Jesu Christi. Allerdings wird er nicht alleine zu hören sein, er reiht sich ein in das gesamte Geläut des Kölner Doms. Übertönen wird er weitestgehend mit seinem lauten tiefen Ton eine Glocke, die vielen Experten als eine der „wohlklingendsten weltweit gilt – und die direkt neben der Petersglocke hängt. Die sogenannte Pretiosa. Sie ist die Glocke 2 im Domgeläut. Bis zum Guss der Kaiserglocke führte sie das Geläut an. 1448 wurde sie direkt vor Ort gegossen, dort, wo heute der Glockenstuhl steht. „Besonders warm“, so bezeichnet Jörg Sperner, Assistent des Dombaumeisters und für das Domgeläut zuständig, den Ton der Pretiosa. Auf Wikipedia ist ein Tondokument mit ihrem Läuten zu finden. (ngo)