Das Papier der KVB ist nicht weniger als die Absage an die Verkehrswende. Zahlreiche Ausbauprojekte hat der Betrieb gestrichen, weil schlichtweg das Geld fehlt. Jetzt will die Politik gegensteuern.
Verkehrswende in KölnGeheime Streichliste der KVB sorgt für Aufschrei
Wenn die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) mit diesem Papier aufschrecken wollten, so ist ihnen das gelungen. Wie die Rundschau berichtete, hat der Betrieb seinem Aufsichtsrat eine Streichliste vorgelegt. Denn sollen alle Ausbauprojekte im Zuge der Verkehrswende umgesetzt werden, würden die KVB letztlich einen Defizitausgleich von 339 Millionen Euro im Jahr benötigen. Allerdings stellt der Stadtwerkekonzern, der dieses Defizit ausgleichen muss, „nur“ 160 Millionen Euro in Aussicht. Und weil nun die Haushaltsdebatten anstehen, aber es noch kein Signal aus den Ratsfraktionen gibt, wie die KVB nun mit dem Geldmangel umgehen soll, hat der Vorstand des Verkehrs-Betriebs selbst den Rotstift symbolisch angesetzt: Von elf Ausbauprojekten im Schienennetz sind nur noch drei übrig geblieben. 19 Buslinien wären von Sparmaßnahmen betroffen. Dieses „Minimalszenario“ hat einen Aufschrei in der Politik ausgelöst.
„Nicht von der Verkehrswende verabschieden“
„Wir dürfen uns von der Verkehrswende nicht verabschieden“, sagt Teresa De Bellis, verkehrspolitische Sprecherin der CDU. Denn nichts weniger wäre für sie das „Minimalszenario“als eben ein Abschied. Würden doch nach dem KVB-Papier lediglich die Ertüchtigung der Stadtbahnlinie 1 mit 90 Meter langen Bahnen auf der Ost-West-Achse, der Ausbau der Nord-Süd Stadtbahn bis zum südlichen Ende der Bonner Straße und die Verlängerung der Bahnsteige auf den Linien 18, 13 und 4 für 70 Meter lange Bahnen weiter verfolgt. Unter anderem die Anbindung von Meschenich, Mülheim-Süd oder Neubrück wären damit auf Eis gelegt. Neun Buslinien würden gestrichen, acht ausgedünnt. Für De Bellis ist dieses Minimalszenario ein Warnsignal. „Wir müssen uns nun bis zur Sommerpause zusammensetzen und klar benennen, was wir noch realisieren können“, appelliert sie an ihre Ratskolleginnen und Kollegen. „Der Stadtrat muss eine Prioritätenliste für die Projekte der Verkehrswende erarbeiten.“ Wenn aber einerseits der öffentliche Personennahverkehr nicht im vollen Maße ausgebaut werde, könne anderseits auch nicht der motorisierte Individualverkehr immer weiter eingeschränkt werden, mahnt sie. „Das Verkehrsdezernat muss uns aufzeigen, wie sich gestrichene Schienenprojekte auf den Gesamtverkehr auswirken“, so Teresa De Bellis.
„Auf keinen Fall zustimmen“
Ein Aufschrei auch bei Ralph Sterck, Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat: „Diesem Minimalszenario kann ich auf keinem Fall so zustimmen.“ Er erwartet, dass das Papier der KVB nun seinen Weg vom Aufsichtsrat in die zuständigen Ratsgremien findet. „Denn das geht die gesamte Stadtgesellschaft an.“ Dass diese Streichliste überhaupt so geführt werden kann, liegt für Sterck an den „Grundfehlern der Kölner Verkehrspolitik“. „Seit über 60 Jahren warten die Neubrücker auf den versprochenen Anschluss an das Stadtbahnnetz. Dieser hätte schon längst erfolgen müssen, dann könnte er nun auch nicht gestrichen werden.“ Er verweist auf das Beispiel Wien. In der Alpenmetropole werde erst die Stadtbahnverbindung gelegt, dann beginne der Ausbau des Neubaugebietes. Eine falsche Herangehensweise macht der FDP-Politiker auch bei der Finanzierung der Verkehrswende in Köln aus. „Hier wird erst geschaut, wie viel Geld beim Stadtwerkekonzern für die KVB überbleibt und davon soll dann die Verkehrswende bezahlt werden. Wir sollten erst definieren, welche Projekte wir für die Verkehrswende benötigen und dann sagen, was ist uns das wert“, so der FDP-Fraktionschef. „Minimalszenario nicht durchführbar“
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„Das würgt die Verkehrswende ab“
Auch die Meinung von Lukas Lorenz, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, zur Streichliste ist eindeutig: „Das würgt die Verkehrswende ab. Das Minimalszenario ist nicht durchführbar.“ Laut Lorenz würden ansonsten zwei Millionen potenzielle Fahrgäste dem öffentlichen Personennahverkehr verloren gehen. Für den Sozialdemokraten ist nun die Politik am Zug: „Wir müssen nun entscheiden, welche Maßnahmen Priorität haben. Und dazu brauchen wir klare Angaben der Stadtverwaltung, welche Maßnahme welchen Nutzen bringt.“
Bund und Land in der Verantwortung
Lino Hammer, Geschäftsführer der Grünen Ratsfraktion und Vorsitzender des Verkehrsausschuss: „Die von der KVB vorgestellten Szenarien machen eins deutlich: Bund und Land müssen ihrer Verantwortung für den Nahverkehr gerecht werden und für eine auskömmliche Finanzierung sorgen. Vor allem müssen sie die geringeren Einnahmen durch die Einführung des Deutschlandtickets kompensieren. Klar ist auch, dass die Verkehrswende Geld kostet. Wie wir sie in Zukunft finanzieren, müssen wir im Rahmen unserer aktuellen Haushaltsplanungen klären.“
Wechsel im Aufsichtsrat
Manfred Richter (54) ist neuer Vorsitzender des KVB-Aufsichtsrates. Das Kontrollgremium des Verkehrs-Betriebs wählte den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Stadtrat in den Vorsitz. Richter folgt auf seinen Parteikollegen Lino Hammer. „Als Aufsichtsratsvorsitzender möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass die KVB für die Aufgaben der nächsten Jahre bestmöglich aufgestellt ist. Die große Herausforderung wird es sein, dies im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen der Verkehrswende einerseits und den engen finanziellen Spielräumen andererseits zu erreichen“, sagt Richter. Hammer trat auch zurück, um sich verstärkt in die anstehenden Wahlkämpfe einzubringen. (EB)