Die „Künstliche Intelligenz“ ist an der Universität zu Köln schwierig zu finden. „Institut für Skandinavistik / Fennistik“ steht auf dem Raumplan. Aber hier sitzt Dr. Claes Neuefeind (41) vom Institut für Digital Humanities. Er bietet in diesem Wintersemester das Proseminar „Künstliche Intelligenz“ an. „Was verstehen wir eigentlich unter KI?“ ist eine der zentralen Fragen. Dabei geht es auch um Sprache, Ethik und Geschichte.
„Künstliche Intelligenz fängt schon in den 1950er Jahren an“, sagt Claes Neuefeind. In den USA hatten sich seinerzeit Wissenschaftler versammelt, um über „Artificial Intelligence“ zu diskutieren. Natürlich waren die Vorstellungen damals ganz anders als heute: „Man wollte Wissen zusammentragen und daraus Verbindungen ableiten.“ Es gab bereits kleine Expertensysteme, die zu größeren Datenbanken zusammengefügt werden sollten. Die Technik, die dafür erforderlich war, machte Fortschritte.
Frühe Begeisterung für Künstliche Intelligenz
In den 1980er Jahren rückten neuronale Netze in den Fokus. Die Computer konnten Muster erkennen und auf bestimmte Eigenschaften schließen. „Auf Bildern wurden zum Beispiel Monitore oder Tische identifiziert“, erklärt Claes Neuefeind. Viel weiter war man noch nicht. „Aber es gab schon den ersten Hype.“ Die Zukunft schien ganz nah. „Alle dachten, wir werden überschwemmt von Robotern.“ Mit Folgen in der Filmindustrie: In „Terminator“ taucht Arnold Schwarzenegger 1984 erstmals als Killer-Roboter in einer apokalyptischen Zukunft auf. In „Blade Runner“ (1982) kämpfen Mensch-Maschinen um ihr Leben. „So ist es dann ja nicht gekommen“, sagt Claes Neuefeind. „In der Realität sind die Maschinen schnell an ihre Grenzen gestoßen.“ Beeindruckend fand man es schon, wenn ein Computer unschlagbar Schach spielte. Oder ein Roboter Dinge anreichte. Aber der Roboter hat auch vieles fallengelassen, „weil die Sensibilität nicht da war“. Außerdem gab es einen Ressourcen-Engpass: „Nach kurzer Zeit war die Batterie leer.“
Künstliche Intelligenz kein Schwerpunkt-Thema der Kölner Uni
Das ist jetzt anders. Die Kapazitäten sind gestiegen, über das Internet stehen Unmengen an Daten zur Verfügung. „Der neue Hype ist eine Antwort darauf“, glaubt Claes Neuefeind. „Man kann damit rechnen, dass jetzt einiges passiert. Aber die Weltherrschaft der Maschinen steht nicht vor der Tür. Das wäre übertrieben.“ Eigentlich sei die Art und Weise, wie Computer heutzutage lernen, nur „eine vergrößerte Anwendung von Algorithmen, die zum Teil bereits seit langem bekannt sind“.
An der Bürowand hängt ein Plakat mit winzigen Symbolen. Es sind mehr als 50 000 Zeichen des Unicodes – eine Liste von Symbolen, die in unterschiedlichen Kulturen verankert sind, mitsamt ihren digitalen Übersetzungen. Viele asiatische Schriftzeichen sind dabei, griechische Buchstaben, dazu die deutschen Umlaute ä, ö und ü. Sprache ist im digitalen Zeitalter ganz schön kompliziert geblieben. Ein Fall für die Computerlinguistik, die seit Jahrzehnten an selbst lernenden Übersetzungsstrategien arbeitet.
Förderung in NRW
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Millionen Euro will das Land NRW bis zum Jahr 2023 in die Entwicklung und Forschung zu Künstlicher Intelligenz (KI) stecken. Mit dem Geld sollen unter anderem aus NRW stammende Professoren aus den USA zurückgeholt werden, erklärte Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos).
Die Kompetenzplattform KI.NRW unter der Führung des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin hat am 1. Dezember die Arbeit aufgenommen. Sie soll Wissenschaft und Wirtschaft verzahnen, um Forschungsergebnisse in die Wirtschaft zu übertragen. Regionale Schwerpunkte sind Aachen, Bonn, Dortmund, Ostwestfalen-Lippe und Wuppertal.
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KI-Professuren sollen 2019 in Nordrhein-Westfalen ausgeschrieben werden. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) will das Bundesland „zum deutschlandweit führenden Standort für angewandte Künstliche Intelligenz aufbauen“. Ein Masterplan KI für NRW soll Mitte 2019 vorliegen. (dpa/kl)
Die Akademiker-Kollegen, die sich vorher hier analog mit der Sprache Finnlands beschäftigten, sind umgezogen, weil das Institut für Digital Humanities mehr Platz brauchte. Es ist in der Philologischen Fakultät beheimatet. Claes Neuefeind selbst hat Informationsverarbeitung, Deutsche Philologie und Philosophie studiert. In der Nachbarschaft sitzen nicht etwa die Informatiker, sondern das Institut für Altertumskunde, „Abt. Byzantinistik u. Neugriechische Philologie“. Künstliche Intelligenz ist kein Schwerpunkt-Thema der Kölner Uni. Aber KI wird in der Zukunft immer größeren Raum einnehmen, glaubt Claes Neuefeind. „Die Erfolge in der KI können für die Gesellschaft sehr tiefgreifend sein.“ Die sozialen und psychologischen Aspekte dürften nicht unterschätzt werden: „Wenn eine Maschine Entscheidungen trifft, was bedeutet das für mein Vertrauen in die Maschinen?“ Und wie schafft es ein Algorithmus überhaupt, schlau zu wirken? „Darüber sollte man nachdenken.“