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Auf nackten Sohlen unterwegsBarfußlaufen als Trend – ein Selbstversuch in Köln

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Testlauf im Grüngürtel: Barfußtrainer Ben Grümer erklärt Rundschau-Mitarbeiter Niklas Hinzpeter das Barfußlaufen.

Köln – „Ein erster Tipp: Schmerzempfinden und Atmung hängen zusammen“, scherzt Grümer. Zugegeben: Es gibt angenehmeres, als barfuß über den Schotterweg mit vielen kleinen und spitzen Steinen zu laufen. Aber die Füße gewöhnen sich schnell daran. „Lieber ausatmen, wenn es wehtut.“ Tipps geben kann er, er verdient sogar sein Geld damit. Ben Grümer ist Barfuß-Coach, wir sind zu einem Barfuß-Spaziergang im Grüngürtel verabredet. Seit einiger Zeit scheint es einen regelrechten Barfuß-Trend zu geben. Immer mehr Menschen verzichten ganz auf ihr Schuhwerk und laufen op bläcke Fööss durch die Stadt.

Inzwischen ist eine ganze Branche darum entstanden: Barfußschuhe, Barfußtrainer, Zehenyoga. Einige Missionare haben der Schuh-Industrie sogar den Kampf angesagt. Grümer sieht das alles etwas differenzierter. „Barfußlaufen bedeutet für mich Freiheit. Aber meine Freiheit endet auch dort, wo ich die Freiheit anderer einschränke.“ Er wolle niemanden bekehren und nehme auch Rücksicht, wenn jemand sich durch seine nackten Füße gestört fühlt.

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Testlauf im Grüngürtel: Barfußtrainer Ben Grümer erklärt Rundschau-Mitarbeiter Niklas Hinzpeter das Barfußlaufen.

Unser Spaziergang startet am Fitness- und Trimmpfad nahe der Vogelsanger Straße. Dort geht Grümer auch privat spazieren. Die ersten Meter des Spaziergangs führen uns über die leicht vertrocknete Wiese abseits des Wegs. Die fühlt sich sehr angenehm und weich an den Füßen an, aber auch hier ist Achtsamkeit geboten. Immer wieder liegen dort scharfe Gegenstände wie Kronkorken oder Scherben. „Unterbewusst scanne ich den Boden in ein paar Metern Umkreis immer ab“, erzählt Grümer. Kronkorken machten ihm aber inzwischen nichts mehr aus, seine Füße haben schon eine dicke Hornhaut entwickelt. Das bedeutet aber nicht, dass Bens Füße ungepflegt sind. Im Gegenteil: Regelmäßig geht er zur Pediküre und pflegt seine Füße mit Öl, stellt er klar.

Da Städte wie Köln viele solcher spitzen Gegenstände beherbergen und Barfußlaufen nicht immer anerkannt ist, gibt es inzwischen so genannte „Barfußschuhe“. Die hat auch Grümer ein paar Jahre lang bei „Park Barefoot“ in der Innenstadt verkauft. „Normale Schuhe entsprechen nicht der Form der Füße“, erklärt Grümer. Der Name „Barfußschuh“ trügt allerdings. Es handelt sich auf den ersten Blick um ganz normale Schuhe – geschlossen und mit einer Sohle. Die ist allerdings spürbar dünner als bei normalen Schuhen, die Schuhe sind am oberen Ende breiter und insgesamt sehr flexibel. „Barfußschuhe sind ein Kompromiss für das 21. Jahrhundert, aber richtig barfuß ist natürlich das Schönste“, so Grümer. Doch er gibt auch zu: „Die Studienlage zu Minimalschuhwerk ist relativ verhalten.“

Während unseres Spaziergangs im Grüngürtel schauen uns viele Passanten an. Negative Reaktionen bleiben aber größtenteils aus: Kaum jemand lacht, niemand tuschelt. Auch eine Jugendgruppe, an der wir vorbeilaufen, scheint unbeeindruckt von unseren entblößten Füßen zu sein. „Im Winter gucken die Leute mehr als im Sommer“, berichtet Grümer. Dann müsse er sich auch den einen oder anderen Spruch anhören. „Die meisten Kommentare sind aber lustig gemeint“, stellt er klar.

Wie lange ein untrainierter Fuß Barfuß spazieren kann? „Das sollte man nach Gefühl machen.“ Bei spürbarer Ermüdung der Muskeln, Schmerzen oder einer Veränderung des Gangs sollte der Spaziergang beendet werden, erklärt Grümer. Körperwahrnehmung ist gefragt.Allgemein ist beim Barfußlaufen für ungeübte Füße Training erforderlich. Sonst könnten Überlastungssymptome entstehen, so Grümer.

Da kommt er als Barfußtrainer ins Spiel. Schuhe könnten die natürliche Form der Füße beeinträchtigen und so Probleme an Sprunggelenken, Knien und sogar dem Rücken verursachen. Durch entsprechendes Training ließen sich solche Probleme dann nach und nach beheben. Aber: „Barfußlaufen löst nicht alle Probleme“, stellt Grümer klar. Wunderheilungen gibt es nicht.

Es hat irgendwie etwas intimes, seine Füße zu entblößen. Vielleicht liegt die Aufmerksamkeit auch deshalb so stark auf den Blicken der Passanten. Die wäre allerdings wesentlich besser auf dem Boden aufgehoben. Nach etwa einer dreiviertel Stunde Spaziergang merke ich eine Anspannung, die sich auf der linken Körperseite bis zu den Schultern hochzieht. Die Steine tun deutlich stärker weh. Fast krampfhaft ändert sich mein Gang, um nicht mehr so stark aufzutreten.

Das ist der Punkt, an dem der Spaziergang beendet werden sollte, erklärt Grümer. Ich ziehe mir wieder meine Schuhe an. Den Rest des Tages fühlt sich der Oberschenkel erschöpfter an als sonst. Gar nicht mal so einfach, barfuß zu gehen.