Schmierereien, demolierte Skulpturen und angekettete Fahrräder im Innenraum – der Kölner Dom leidet.
Dombaumeister Füssenich bleklagt eine Zunahme des Vandalismus und schüttet sein Herz aus.
Köln – Er ist zweifelsohne ein Respekt einflößendes Bauwerk. Die Wucht seiner Größe und die Vielfalt der Steinmetzarbeiten lässt ehrfürchtig werden – so sollte man meinen. Und doch verhalten sich immer mehr Menschen dem Dom gegenüber schlichtweg respektlos. Abgeschlagene Figuren, Urinpfützen am Fuße der Mauern oder auch Gekritzel auf den altehrwürdigen Steinen sind äußere Zeichen einer sich wandelnden inneren Haltung.
„Die Schwelle vom Profanen zum Sakralen besteht für viele Besucher nicht mehr“, hat Dombaumeister Peter Füssenich sein Herz gegenüber der Deutschen Presseagentur ausgeschüttet. Der christliche Glaube verliert in der Gesellschaft an Boden. Die Säkularisierung klopft mit geballter Faust an die Pforte des Doms. Es gebe sogar Leute, die wollten aus der Fußgängerzone kommend ihre Tüte Fritten mit ins Weltkulturerbe nehmen, berichtet Füssenich. Kaum zu glauben? Dabei ist das längst nicht alles. Der Dombaumeister kann sogar noch einen oben drauf setzen. Selbst ihr Fahrrad würden einige Besucher gerne mit reinnehmen wollen.
Solche Vorhaben können die Domschweizer, die seit nunmehr zwei Jahren zusammen mit Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma am Hauptportal des Doms permanent den Einlass kontrollieren, direkt unterbinden. Doch es gibt Angriffe, die abzuwehren es größere Geschütze braucht. „Im kommenden Jahr werden wir auch an der Nordseite des Doms einen Zaun anbringen lassen“, sagt Matthias Deml, Sprecher der Dombauhütte, der Rundschau erwartungsfroh. Die Umsetzung des schon vor Jahren angekündigten Vorhabens sehnt er herbei, denn die zu großen Teilen frisch restaurierte Nordseite der Kathedrale sieht sich massiven Angriffen ausgesetzt. Die Tatwaffe: Regenschirme. Wollen Passanten mit den Stabschirm auf Figuren aufmerksam machen? Wollen sie die meisterlichen Steinmetzarbeiten nur mal antippen? Wie auch immer, es gibt Abbrüche, in Folge des wilden Gefuchtels. Nicht in großer Zahl, aber jeder einzelne ist schmerzhaft wie ein Stich ins Herz für die Dombauhütte.
Und der Fassade wird noch mehr zugesetzt. Karneval, immer mehr ausufernde Junggesellenabschiede – Anlässe scheint es reichlich zu geben, die für gefüllte Blasen und Enthemmung sorgen. „Wir haben extra einen Mitarbeiter abgestellt, der jeden morgen rund um den Dom sauber macht“, sagt Deml. Dabei geht es nicht allein um Hygiene. Urin zersetzt den Stein.
Immer noch nicht genug der Angriffe: Manchmal braucht es gar keinen enthemmenden Alkohol, manchmal reicht pubertärer Hormonüberschuss. Da werden Herzchen und Sprüche in den Stein geritzt und gekritzelt. Ein Weltkulturerbe wird beschädigt, um festzuhalten, dass man es besucht hat. Auch mit Farbdosen rücken einige an. „Graffiti, das ist schon Routine“, winkt Deml ab.
Soweit zu Lande, und nun auch aus der Luft: „Drohnen sind als Gefährdung in jüngster Zeit noch dazugekommen“, ergänzt der Sprecher. Bisher wurden fünf der ferngesteuerten Flugapparate vom Dom heruntergeholt. Abgestürzt in der unübersichtlichen Dachlandschaft der Kathedrale mit seinen unberechenbaren Winden. „Gott sei Dank ist noch keine Drohne in ein Fenster gekracht“, sagt Deml. Für ausgeschlossen hält er das aber längst nicht mehr.