Welche Arten leben im Rhein? Was beeinflusst Artenvielfalt und -sterben, welche Veränderungen bewirken Wassererwärmung, Mikroplastik? Dem gehen die Forscherinnen und Forscher auf den Grund und gewinnen stetig neue Erkenntnisse.
Rhein-UntersuchungenWas die Ökologische Rheinstation der Kölner Uni erforscht
Alles fließt, mitten durchs schwimmende Forschungslabor an Rheinkilometer 684,5. Der Fluss strömt hier durch Rinnen und Röhren, rauscht über Metallplatten oder Glasmurmeln für Experimente hinweg. In den Auffangbecken sammeln sich Tiere und Pflanzen. „Das hier ist Quellmoos“, erklärt Professor Hartmut Arndt vom Institut für Zoologie der Universität zu Köln beim Gang übers modernisierte ehemalige Lastschiff.
Während der Zoologe und Limnologe auf der Gitterplattform an der Ökologischen Rheinstation der Uni kniet, fischt er noch mehr aus dem erstaunlich klaren Wasser direkt unter ihm. „Und das hier sind Rotalgen!“ Flohkrebse wimmeln darin, Quaggamuscheln haben sich mit Byssusfäden festgeklammert. Auch Mützenschnecken oder Wollhandkrabben gehen manchmal in die Netze. Und unzählige Einzeller, mit bloßem Auge unsichtbare Urtierchen.
Welche Arten leben im Rhein?
Welche Arten leben im Rhein? Was beeinflusst Artenvielfalt und -sterben, welche Veränderungen bewirken Wassererwärmung, Mikroplastik? Was lebt im Biofilm? Dem gehen die Forscherinnen und Forscher des Instituts auf den Grund und gewinnen stetig neue Erkenntnisse. Nachdem die Außenstelle modernisiert wurde, können seit 2021 an Bord auch molekularbiologische Untersuchungen von Organismen durchgeführt werden, die unterm Mikroskop gesammelt wurden. Schon in einem einzigen Wassertropfen steckt eine ganze Mikrolebewelt. Ein Tropfen hat mit rund einer Million Bakterien und 1000 Einzellern so viele „Einwohner“ wie Köln zählt.
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An Urtierchen könne man genauer untersuchen, „wie sich die Evolution ereignet hat,“ sagt der Grundlagenforscher. Ähnlich wie in der Tiefsee enthalte der Rhein noch viele unentdeckte Arten und eine große Vielfalt.
Wasserqualität vom Rhein hat sich gebessert
Quellmoos, Rotalgen — das sind allerdings keine wirklich guten Zeichen für das Leben im Fluss. Auch wenn sich die Wasserqualität nach gravierenden Verschmutzungen der 70er, 80er Jahre wieder gebessert habe. „Sie gehören eigentlich nicht hierhin, normalerweise sind sie sonst nur an den Quellen von Flüssen zu finden. Es handelt sich um Organismen, die sich in dieser unnatürlich hohen Strömungsgeschwindigkeit wohlfühlen. Genauso wenig gehören hier die eingewanderten Arten wie Quaggamuscheln und Kahnschnecken her, die sich besser an wandelnde Gegebenheiten anpassen als andere Arten. Woraus ihnen selbst kein Vorwurf zu machen ist...“, so der Professor für Zoologie und Ökologie zum ewigen Wandel im sensiblen Ökosystem.
Durch Begradigungen und Bebauung der Ufer hat sich die Strömungsgeschwindigkeit des Rheins fünf bis zehn Mal erhöht, Schiffe schleppten im Ballastwasser aus Meeren und anderen Flüssen Arten ein, der Klimawandel mache Gewässern ebenso zu schaffen. „Es muss dringend gehandelt werden“, warnt Arndt mit Blick auf die Erderwärmung. Ökologische Möglichkeiten zur Verbesserung könnten zum Beispiel zusätzliche Überflutungsflächen sein. Der Artenreichtum sei nicht zuletzt auch durch Wiederansiedlungsprogramme für einst heimische Arten wie Lachs und Maifisch wieder größer geworden. Vom Aussterben bedroht ist dagegen der Aal. Einige Exemplare werden auf der Station mit Chips versehen, um ihre Wege nachzuverfolgen.
Einige tierische „Imis“ bringen das Ökosystem aktuell besonders stark aus dem Gefüge: Die anpassungsfähige Grundel etwa beeinflusst die gesamte Fischfauna und verdrängte andere Arten. „Es dauert viele Jahre, bis wiederum Raubfische gelernt haben, Grundeln zu fressen und sich dadurch das System wieder ausbalanciert“, so Hartmut Arndt.
Und die Quaggamuschel aus dem Donaugebiet wurde für die bisher weit verbreitete Zebramuschel zum Problem. Sie vertrage „einen größeren Bereich an Umweltfaktoren“. Ein anderes Experiment befasst sich gerade mit dem Biofilm, der sich im Wasser schnell an Oberflächen von Gegenständen wie den ausgelegten Glasmurmeln bildet; etwa Schnecken, Krebse und Fischchen weiden die Bakterien ab. Untersucht wird an den Kugeln zum Beispiel, wie sich Mikroplastik im Film anreichert und in der Nahrungskette verbreitet; schon in den Einzellern wurde es nachgewiesen. Auf der Rheinstation können Besucher direkt durch Röhren in den Rhein blicken und live das Besiedelungsexperiment verfolgen. Bio zum Anfassen, Lektion „Panta Rhein“ alles fließt, auch im größten aller deutschen Ströme.
Die Rheinstation
1997 begann der Aufbau des Universitätsbootshauses zur Rheinstation, die von Professor Hartmut Arndt und Dr. Frank Nitsche vom Institut für Zoologie der Universität zu Köln geleitet wird.
Nach einigen Erweiterungen auf dem ehemaligen Rheinschiff wurden ab 2000 Räume eingerichtet, um Wasser in Rinnen durchs Labor zu lenken und Proben direkt aus dem Fluss zu gewinnen.Bei einem längeren Werftaufenthalt wurde die Außenstelle des Instituts generalüberholt und modernisiert, mit molekularbiologischem Labor für die Forschung und auch für die didaktische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern besser ausgestattet.
684,5 lautet der Rheinkilometer, an den die Station vor vier Jahren zurückkehrte, seit rund zwei Jahren laufen wieder Forschungsprojekte sowie Kurse für Bachelor- und Masterstudierende und didaktische Seminare.
Mit der Technischen Hochschule Köln ist ein System zur autarken Energieversorgung der Rheinstation im Aufbau. Im Oktober wird am Niederrhein eine weitere, klimaneutrale Uni-Rheinstation eröffnet. (MW)