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Nur 51 Prozent ZustimmungKirsten Jahn zur Kölner Grünen-Chefin gewählt

Lesezeit 4 Minuten
Die neue Kölner Grünen-Vorsitzende Kirsten Jahn (r.) erhält Glückwünsche von den früheren Parteichefs Katja Trompeter und Stefan Wolters.

Die neue Kölner Grünen-Vorsitzende Kirsten Jahn (r.) erhält Glückwünsche von den früheren Parteichefs Katja Trompeter und Stefan Wolters.

Politisches Comeback für Kirsten Jahn: Sechs Jahre nach ihrem Abschied aus dem Kölner Stadtrat haben die Grünen sie in einer äußerst knappen Entscheidung zur neuen Parteivorsitzenden gewählt.

Die frühere Fraktionschefin der Grünen im Kölner Stadtrat, Kirsten Jahn (48), ist neue Vorsitzende des grünen Kreisverbands Köln. Bei einer Mitgliederversammlung in Deutz wurde sie am Samstag mit einem extrem knappen Ergebnis gewählt. Sie erhielt lediglich 156 von 306 abgegebenen Stimmen. Das entspricht einer Zustimmung von 50,98 Prozent.

Es dürfte mit Abstand das schlechteste Ergebnis sein, das je eine Parteichefin der Kölner Grünen erhalten hat. Mit drei Stimmen weniger wäre sie durchgefallen. Eine Gegenkandidatin gab es nicht. Jahn nahm die Wahl an und erklärte, es sei „ein Ergebnis, das ich als Auftrag nehme, noch mal mehr Vertrauen von euch zurückzugewinnen“.

Im Vorfeld hatte es parteiintern viel Kritik an Jahns Bewerbung gegeben. Hintergrund ist ihre Rolle in der Klüngelaffäre 2018, als SPD-Fraktionschef Martin Börschel ohne Ausschreibung einen hoch dotierten Geschäftsführerposten bei den Stadtwerken bekommen sollte - mit Zustimmung auch der Grünen. Dass Jahn danach im März 2019 ohne öffentliche Ausschreibung Geschäftsführerin des Lobbyvereins Metropolregion Rheinland wurde, sorgt in Teilen der Partei ebenfalls bis heute für Kritik.

Zum neuen Co-Vorsitzenden wählten die Grünen Cyrill Ibn Salem (32), im vorherigen Vorstand war er vielfaltspolitischer Sprecher. Er bekam 222 von 281 Stimmen (79,00 Prozent). Neue politische Geschäftsführerin ist die bisherige Beisitzerin Sarah Brunner (39), sie wurde mit 78,60 Prozent Zustimmung gewählt. Die früheren Parteichefs Katja Trompeter (seit 2016) und Stefan Wolters (seit 2022) hatten sich nicht erneut zur Wahl für das zeitintensive Ehrenamt gestellt. Zum Abschied wurden sie in emotionalen Reden gewürdigt. Der Kreisverband ist zuletzt stark gewachsen und hat jetzt mehr als 4500 Mitglieder. Vor einem Jahr waren es 3000, Anfang 2018 weniger als 1000.

Neue Kölner Grünen-Chefin Kirsten Jahn räumt Fehler ein

In ihrer Bewerbungsrede sagte Kirsten Jahn, sie bewerbe sich, „mit einer Geschichte, die von Erfolgen, aber auch von Fehlern geprägt ist“. Und die Stadtwerke-Affäre sei ein Fehler gewesen. Doch danach hätten die Grünen „das Ganze aufgearbeitet und weitreichende Konsequenzen getroffen“. Sie trete an, weil sie sich einbringen und den Kommunalwahlkampf mitorganisieren wolle, damit die Grünen „wieder stärkste Kraft in Köln“ würden, mit einer grünen Oberbürgermeisterin Berivan Aymaz. „Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und eine starke Demokratie. Diese Werte werden weiterhin unser Kompass sein“, betonte Jahn. Die Klimakrise sei die größte Herausforderung der Zeit, doch Köln könne hier Vorbild sein.

Sie sei gefragt worden, „was ich aus der Vergangenheit gelernt habe“, sagte Jahn. Sie habe vieles gelernt, aber eines sei besonders wichtig: „Nein zu sagen und standhaft zu bleiben.“ Auf die Frage aus der Versammlung, warum sie sich als Vorsitzende und nicht etwa als Beisitzerin bewerbe, sagte Jahn, sie wolle mit ihrer kommunalpolitischen und beruflichen Erfahrung „einen Mehrwert für die Partei liefern“. Sie betonte: „Ich kann nur um euer Vertrauen bitten.“ Sie zeigte sich überzeugt, dass „die Grünen eine ehrliche Fehlerkultur haben: Menschen, die einen Fehler gemacht haben, dürfen wieder zurück auf die politische Bühne.“ Das zeichne die Grünen aus: Dass sie nicht nur Fehlerkultur predigen, sondern diese auch leben würden. Der Rundschau sagte sie nach ihrer Wahl: „Das ist kein Traumergebnis, aber ein Auftrag, daran zu wachsen. Wir haben jetzt ein gutes Vorstandsteam.“

Antrag auf Vertagung wurde abgelehnt

Mit Spannung war erwartet worden, ob die Vorstandswahl überhaupt stattfindet oder verschoben wird. Ein von rund 60 Grünen-Mitgliedern unterschriebener Antrag auf Vertagung fand keine Mehrheit. Der Antrag richte sich nicht gegen Personen, doch man habe „ein Problem mit dem Verfahren, wie es gelaufen ist“, sagte Antragsteller Stephan Eckstein, Sprecher des grünen Ortsverbands Kalk: „Wir hatten keine Transparenz und keine ordentliche Mitgliederbeteiligung, keinen Diskurs. Und wir glauben, das brauchen wir.“ Der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann entgegnete, es sei alles „formal korrekt und fristgerecht“ gelaufen. Es brauche jetzt einen handlungsfähigen Vorstand, in sechs Monaten sei Kommunalwahl, und die wolle man doch gewinnen. „Wir haben uns jetzt extrem viel mit uns selber beschäftigt.“

Zuvor war sogar der Antrag gestellt worden, den Vertagungsantrag in geheimer Abstimmung zu behandeln. Man wisse, „dass es gewisse Abhängigkeiten gibt“, begründete dies Karsten Kretschmer. Ratsherr Ralf Unna konterte: „Eine geheime Abstimmung in einer Sachfrage ist exakt das Gegenteil von Transparenz.“ Die Versammlung entschied sich für eine offene Abstimmung, dabei sprachen sich mehr als 60 Prozent der Mitglieder dafür aus, die Vorstandswahl nicht zu verschieben. Am Sonntag wollen die Grünen ihr Programm für die Kommunalwahl im September beschließen.