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Amurtiger im Kölner ZooKleine Tiger Timur und Tochka zum ersten Mal im Freigelände

Lesezeit 5 Minuten
Mama Katinka behält die Umgebung im Auge, während Tochka und Timur ihre ersten Schritte nach draußen wagen.

Mama Katinka behält die Umgebung im Auge, während Tochka und Timur ihre ersten Schritte nach draußen wagen. 

Mutter Katinka passt sehr gut auf ihre Kleinen auf. Doch die tapsen immer wieder los - sie wollen unbedingt ihr Freigehege entdecken!   

Es war so spannend wie erwartet. Minutenlang rührte sich in der Felswand mit den Höhlen der Amurtiger nichts. Dann tauchte unvermittelt Tigerin Katinka auf, reckte ihre Raubtiernase witternd in die Höhe und durchmaß das Areal mit prüfenden Blicken. Das allerdings dauerte ihren beiden Kleinen zu lange, neugierig schoben sich Timur und Tochka neben ihre mächtige Mutter nach draußen, winzig klein im Vergleich, und ebenso schön wie die faszinierende Großkatze. Die scheuchte ihren Nachwuchs mit sanften Prankenhieben ganz schnell wieder rein in den Schutz des Höhleneingangs.

Beobachtet wurden die ersten Momente der kleinen Amurtiger draußen von gut 150 Zoofreunden, die geduldig vor der Absperrung gewartet hatten. Durch zwei Impfungen gut geschützt, durften die heute 13 Wochen alten Tigerjungen zum ersten Mal raus. „Wenn man von der Generalprobe gestern absieht“, erzählt Kurator Alexander Sliwa schmunzelnd. „Mutter Katinka kümmert sich extrem gut um sie, die zwei sind absolut propper, bewegungsfreudig und fit.“

Tochka ist interessiert an uns Pflegerinnen und Pflegern, sie sucht vorsichtig Kontakt und hat ein freundliches Wesen.
Reviertierpflegerin Monika Assenmacher

Und zwei durchaus unterschiedliche Charaktere. „Tochka, das weibliche Jungtier, ist interessiert an uns Pflegerinnen und Pflegern, es sucht vorsichtig Kontakt und hat ein freundliches Wesen“, erzählt Reviertierpflegerin Monika Assenmacher. „Timur ist uns gegenüber deutlich scheuer. Dafür ist er mutiger, wenn es darum geht, Gegenstände zu erkunden. Und er hat sich gestern ein bisschen weiter aus der Höhle getraut als seine Schwester.“ Weiter als einen halben Meter war er aber auch nicht draußen. „Das Licht, die Farben und Gerüche, das war einfach zu viel für die zwei, obwohl sie den Außenbereich aus ihrer Höhle heraus ja schon gesehen haben“, sagt Sliwa.

Sichtlich überwältig von den vielen neuen Eindrücken: Tochka und Timur

Sichtlich überwältig von den vielen neuen Eindrücken: Tochka und Timur.

Unterdessen trauen sich die beiden kleinen Tiger heute ein zweites Mal weiter hinaus auf das Vorplateau ihrer Höhle. Timur schleicht sich an einen großen Stein an, haut ihn mit seiner kleinen Pranke und stellt fest: „Der tut nichts.“ Sofort wagt er sich noch ein paar Schritte weiter raus, wie die Mama reckt er seine Nase schnuppernd in die heiße Sommerluft. Neben ihm betrachtet Tochka reglos das üppige Grün, es sieht aus, als staune sie.  Grün, das können Raubkatzen sehen, Gelb und Blau auch, die Farbe Rot nehmen sie nicht wahr. Dann reckt sich Timur nach vorne, seine Vorderbeinchen gleiten ein Stückchen die Felsformation hinunter, die zur Wiese führt. Wie ein kleines Kind, das sich nicht traut zu rutschen, schiebt er sich vor und wieder zurück. Er möchte ganz unbedingt da runter, aber ein bisschen steil ist es ja doch…

Und dass Katinka so schnell tragend wurde, war ein kleines Wunder.
Kurator Alexander Sliwa

Das Tiger-Team und Kurator Sliwa betrachten die Versuche der kleinen Amurtiger mit großer Freude. Der Nachwuchs der bedrohten Tigerart ist ein großer Gewinn für ihren Fortbestand (siehe Info). „Und dass Katinka so schnell tragend wurde, war ein kleines Wunder“, so Sliwa. „Mit 13 Jahren war sie eigentlich schon zu alt für Nachwuchs, die Chance lag bei 20 Prozent.“ Anders als bei den Löwen wird der Vater Sergan nicht mit den Jungtieren zusammenkommen; er bleibt in dem Freigehege, das an die für die Besucher einsehbaren Anlage im hinteren Teil angrenzt. „Tiger sind Einzelgänger und Sergan war teils auch gegenüber Katinka sehr ruppig“, sagt Sliwa.  Zwei bis drei Jahre können sich die Besucher und Besucherinnen des Kölner Zoos an den heranwachsenden Tigern erfreuen. Danach müssen sie an andere Zoos abgegeben werden.

Doch jetzt entdecken sie erstmal das große Außengelände des Kölner Zoos, laufen schon munter spielend auf dem Plateau von einer Höhle zur anderen und wagen sich immer weiter vor ins Areal. Auch Mutter Katinka wird etwas ruhiger, gestattet sich eine kurze Abkühlung im Badeteich, lässt ihre Jungen weiter oben aber nicht aus den Augen. „Hitze um die 30 Grad gibt es auch im Amurgebiet, der Heimat der Tiger. Da wird es allerdings auch bis 40 Grad kalt“, sagt Sliwa. Bei Sommerhitze in Köln werde der Kachelboden der Höhlen gewässert. Doch bis dahin haben die neugierigen Mini-Amurtiger ganz sicher schon den Badeteich entdeckt und werden sich dort wie Mutter Katinka abkühlen - sie sind von Geburt an gute Schwimmer.


Amur-Tiger: Bedrohte Spezies, für deren Rettung viel getan wird

Das Tiger-Team hat sich die Namen für den Nachwuchs überlegt. „Tochka“ bedeutet in der Ursprungsregion der Amur-Tiger, dem russischen Fernen Osten, so viel wie Punkt oder Fleck. Grund für den Namen ist ein Punkt auf ihrer linken Vorderpfote. Der kleine Kater heißt „Timur“, was so viel wie „Der Eiserne“ heißt.

Der Amur-Tiger, auch Sibirischer Tiger genannt, kommt im Amur- und Ussuri-Gebiet des russischen Fernen Ostens, nahe der Hafenstadt Wladiwostok, vor. Nach einem katastrophalen Rückgang dieser Tiger-Unterart auf nur noch etwa 50 Tiere im Jahr 1940 haben sich die freilebenden Bestände durch konsequente Schutzmaßnahmen wieder auf rund 500 erhöht. Auch im angrenzenden Nordostchina erholen sich die Bestände des Amur-Tigers langsam. Ihnen droht aber, wie allen Tigern weltweit, weiterhin die Ausrottung durch Lebensraumzerstörung, Bejagung ihrer natürlichen Beute und vor allem durch die Wilderei zur Verwendung in der traditionellen chinesischen Heilmedizin, wo jedem Tiger-Körperteil eine heilende Wirkung zugesprochen wird.

Inzwischen schätzt man den Gesamtbestand freilebender Tiger weltweit auf nur noch etwa 4500 Tiere. Wissenschaftlich geführte Zoos leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Tiger durch koordinierte Zuchtprogramme, teilte ein Zoosprecher mit. Dazu zählt zum Beispiel das seit 1985 ins Leben gerufene Europäische Erhaltungszuchtprogramm. In ihm werden momentan 240 Amur-Tiger in 100 Haltungen koordiniert. Auch durch die Aufklärung der weltweit jährlich 700 Millionen Zoobesucher, das Sammeln von Spenden in Höhe von jährlich rund sechs Millionen US-Dollar und die Bereitstellung von Fachwissen und aktiver Hilfe versuchen Zoos, dem Tiger zu helfen.