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Europaweite Kooperation der TiergärtenZoo-Tierärztin beteiligt sich an vielen Forschungsprojekten

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Ruhig bleiben bei Behandlungen oder wie hier beim Messen der Körpertemperatur, das lernen die Elefanten beim Target-Training. Nur dann können sie auch in Forschungsprojekte einbezogen werden. Tierpflegerin Ingrid Wallner hat mit dem Elefanten trainiert, Tierärztin Dr Sandra Marcordes misst die Temperatur.

Ruhig bleiben bei Behandlungen oder wie hier beim Messen der Körpertemperatur, das lernen die Elefanten beim Target-Training. Nur dann können sie auch in Forschungsprojekte einbezogen werden. Tierpflegerin Ingrid Wallner hat mit dem Elefanten trainiert, Tierärztin Dr Sandra Marcordes misst die Temperatur.

Zootiermedizin ist viel mehr als Wundversorgung und Gesundheitscheck. Was, das verrät Veterinärin Sandra Marcordes.

Akito, der Schneeleopard, hat einen Riss in seiner Pfote. Kein Drama, Zoo-Tierärztin Sandra Marcordes kann ihm helfen, sie versorgt seine Wunde während er in Narkose liegt. Neben den Medikamenten und Materialien zur Wundversorgung sind Spritzen, Blutprobenröhrchen, ein Maßband und Tupfer für sämtliche Körperflüssigkeiten auf dem OP-Beistelltisch aufgereiht. „Damit nehmen wir alle Proben, die wir nehmen können, und Blut auf Vorrat für Analysen und für Anfragen anderer Zoos“, verrät Marcordes. „Zootiermedizin ist immer auch Forschung und Wissenschaft. Das ist das coole.“

Dass die 38-Jährige auch für den Forschung-und-Wissenschaft-Teil ihres Job brennt, ist unmöglich zu übersehen. Im Tiefkühlschrank der Klinik lagern Blutproben vom Ringelschwanzmungo bis zum Amurtiger, aus dem Stand zählt sie jede Menge Kooperationen mit anderen Zoos oder auch Unis auf, sie weiß, wo es noch weiße Flecken in der Zootiermedizin gibt. Und das sind mächtig viele.

„Für sehr viele exotische Tierarten gibt es noch keine Referenzwerte. Die sind wichtig, wenn man eine Erkrankung vermutet und sie etwa durch Abweichungen von den Leber- oder Schilddrüsenwerten gesunder Tiere näher bestimmen will“, erklärt Marcordes. „Deshalb nehmen wir bei jedem Tier in Narkose routinemäßig Blut ab und protokollieren den Status.“ Alle Blutproben werden eingefroren und auf Nachfrage wissenschaftlich geführten Zoos zur Verfügung gestellt.

Wirkt der Tetanus Impfstoff für Pferde auch bei Elefanten?

Anfragen nach Proben oder Kooperationen kommen häufig, „und wir sagen so gut wie immer ja“, sagt die Tierärztin lachend. Wie bei dem Projekt eines anderen NRW-Zoos zur Tetanus-Impfungen bei Elefanten. Die gibt es für sie bisher nicht. Weil viele Infektionen tödlich verlaufen, testen Zoos jetzt, ob Impfstoffe für Pferde auch Elefanten schützen. Deshalb hat Sandra Marcordes einen Teil der Kölner Elefanten damit geimpft. Aber nicht nur das. „Um das Ergebnis wissenschaftlich nutzen zu können, habe ich vorher bei allen Blutproben genommen und analysieren lassen“, so die Tierärztin. Die drei Tage nach der Impfung musste sie jedes Tier exakt dokumentieren – Temperatur messen, checken, ob die Impfstelle wärmer als ihre Umgebung ist und ob die Tiere wie gewohnt fressen. In den Wochen danach folgten weitere Blutabnahmen bei den geimpften Tieren.

Einen Teil der Untersuchungen macht Sandra Marcordes in ihrem Labor selber.

Einen Teil der Untersuchungen macht Sandra Marcordes in ihrem Labor selber.

Das ging nur deshalb reibungslos, weil das Elefanten-Team die Tiere mit dem „Target-Training“ gut vorbereitet hat. Dabei haben die Elefanten gelernt stillzuhalten, wenn sie Spritzen mit Kochsalzlösung bekamen – danach gab es eine Belohnung. Jetzt steigt die Spannung. Denn erst nach Wochen steht fest, ob sie Antikörper gebildet haben und der Impfstoff auch bei ihnen wirkt. „Weil sich viele Zoos daran beteiligen, sind die Ergebnisse wirklich aussagekräftig“, freut sich Marcordes.

Auch aus dem Zoo-Aquarium kommen Wünsche an die Tierärztin. „Da nehme ich etwa Blutproben von Krokodilschwanzechsen, die analysiert werden um festzustellen, ob die Echse genetisch rein oder ein Hybrid ist. Das ist wichtig für den Artenschutz, denn nur mit genetisch reinen Tieren macht eine Erhaltungszucht Sinn.“ Bei den vielen Waran-Arten, die im Aquarium leben, nimmt Marcordes regelmäßig Blut ab — für fast alle Arten fehlen die Referenzwerte. Damit von dieser Fleißarbeit alle Artenschützer profitieren, werden die Daten in ZIMS eingegeben (siehe Infokasten).

An vielen Projekten nimmt der Zoo freiwillig teil, anderes ist Pflicht. So schreibt etwa das „Animal health law“ vor, von allen Tieren, die in Europa ausgetauscht werden, Blutproben einzufrieren. Auch muss ein Teil des Tierbestandes jedes Jahr auf Infektionskrankheiten untersucht werden, um eine schleichende Verbreitung von Krankheiten rechtzeitig zu bemerken. Standard ist auch, dass alle Tiere, die im Zoo sterben, untersucht und auf die für sie in Frage kommenden infektionskrankheiten getestet werden.

Wir haben Tapire gegen Mykobakterien behandelt, das hat vorher nie einer gemacht.
Sandra Marcordes, Zoo-Tierärztin

Doch nicht nur Basisdaten werden weitergegeben, auch Erfahrungen mit Operationen oder Seuchenschutzmaßnahmen. „Wir haben Tapire gegen Mykobakterien behandelt, das hat vorher nie einer gemacht“, erzählt Marcordes. „Zu der elfmonatigen Behandlung habe ich zwei große Artikel veröffentlicht.“

20 Prozent ihrer Arbeit macht die Forschung aus, so Marcordes. Sie ist damit Teil des Netzwerks von Tierärztinnen und -ärzten wissenschaftlich geführter Zoos in Europa und auch darüber hinaus. Deshalb bekam der Kölner Zoo als einer von vielen Sets zur Abnahme von Mundabstrichen bei Orang Utans zugeschickt – das EEP wollte die Genetik der Menschenaffen neu valuieren. „Wir haben auch Proben von unseren im Zoo gestorbenen Orangs“,, hat Sandra Marcordes nachgefragt. „Wollt ihr die auch?“ Wollten sie. Was sonst.


ZIMS

1500 Mitgliedzoos und wissenschaftliche Institute speisen ihre Daten in das „Zoologische Informations-Management-System“ (ZIMS) ein oder greifen auf die Daten zu. Es wird von dem Non-Profit-Verein Species360 unterhalten, der 1973 gegründet wurde.