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Neues Kunstwerk für den Kölner DomDomkapitel tappt nicht in die Documenta-Falle

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Der Kölner Dom

Der Kölner Dom

Die Gefahr ist groß, dass ein neues Kunstwerk für den Dom zum christlich-jüdischen Verhältnis in ein schiefes Licht gerät.

Die Aufgabe ist alles andere als leicht zu bewältigen: Ein Kunstwerk soll geschaffen werden, mit dem das christlich-jüdische Verhältnis thematisiert wird. Und als ob es nicht schon schwer genug wäre, diese wechselhafte Geschichte zu fassen, hat dieses Werk noch eine weitere Aufgabe: Es soll ein Gegengewicht bilden zu übelsten antisemitischen Darstellungen. Die nächste Hürde: Es wird an einer Stelle zu stehen kommen, die in Köln nicht exponierter sein könnte: im Dom. Dass ein solches Kunstwerk nicht im Handumdrehen geschaffen werden kann, dürfte auf der Hand liegen. Darum hat das Domkapitel einen aufwendigen Wettbewerb angestoßen. In diesem Wettbewerb gibt es nun eine erste Erfolgsmeldung: Der Kreis der Künstler ist benannt. Und einen weiteren Erfolg kann das Domkapitel verbuchen: Es ist nicht in die Documenta-Falle getappt.

Ausgewählt wurden die 15 Künstlerinnen und Künstler von acht Kennerinnen und Kennern der Szene. Dieser Expertenkreis wurde vom Domkapitel nicht öffentlich gemacht, um jegliche Einflussnahme im Vorfeld zu vermeiden. Nach Informationen der Rundschau befanden sich unter den Acht auch einige Leiter von Kölner Museen. Deren Aufgabe war es, jeweils zwei Künstler zu benennen, die sie der Aufgabe gewachsen sehen. Was dabei auch ohne Kenntnisse der höheren Mathematik auffällt: Demnach müssten es 16 berufene Künstlerinnen und Künstler sein.

Mir war von Beginn unseres Wettbewerbs an klar: Es kann nur gelingen, wenn wir es schaffen , sehr unterschiedliche Menschen, mit sehr unterschiedlichen Gaben in das Projekt zu involvieren.
Rolf Steinhäuser, Weihbischof und Domkapitular

Dass es unter dem Strich nur 15 sind, ist ein Indiz dafür, dass es nicht leicht war, Kunstschaffende zu finden, die vor dem historischen Hintergrund des zu schaffenden Kunstwerkes keine befleckte Vita haben. Das Fanal der Documenta 2022, bei der das Künstlerkollektiv Ruangrupa ein Werk voller antisemitischer Klischees präsentieren konnte, steht mahnend am Firmament über dem Kunstwettbewerb. Würde auch nur annähernd etwas Vergleichbares passieren, den antijüdischen Schmähdarstellungen im sogenannten Kinderfenster oder der sogenannten Judensau im Chorgestühl wäre damit die Krone aufgesetzt.

Und die Gefahr drohte schon bei der Künstlerfindung – und konnte dem Vernehmen nach gerade noch abgewendet werden: Die nun benannten Künstlerinnen und Künstler sind demnach nicht alle die erste Wahl. Bei der ersten Auswahl, die der Projektgruppe des Wettbewerbs vorgelegt wurde, soll die Frage aufgekommen sein, ob es gegen die Benannten denn auch keine Vorbehalte im Hinblick auf den historischen Hintergrund des zu schaffenden Werkes gibt. Eine anschließende Prüfung ergab, acht der Vorgeschlagenen hielten nicht stand. Unter anderem konnte ihnen eine Nähe zur BDS-Kampagne nachgewiesen werden, die Israel politisch und wirtschaftlich isolieren will.

Der Kennerkreis musst erneut Ausschau halten. Dadurch kam der vorgesehene Zeitplan in Verzug. Eigentlich sollten sich die ausgewählten Kunstschaffenden in diesem Monat mit der Projektgruppe im Maternushaus treffen und anschließend eine Führung im Dom erhalten, um sich ein Bild von dem „Umfeld“ machen zu können, in dem ihr Werk wirken soll. Doch dieser Termin findet nun am 23. Januar statt. Eine zu vernachlässigende Verschiebung, angesichts des Schadens, der abgewendet wurde.

Was auffällt, wenn der Kreis der Künstler betrachtet wird, die Kennerinnen und Kenner haben zu einem nicht geringen Teil Kunstschaffende einer jüngeren bis mittleren Generation benannt. Dabei wurde auch Wert auf Internationalität gelegt. Auch die künstlerische Bandbreite der Benannten ist enorm. Sie reicht von raumfüllenden Installationen bis hin zu Medienkunstwerken. „Mir war von Beginn unseres Wettbewerbs an klar: Es kann nur gelingen, wenn wir es schaffen , sehr unterschiedliche Menschen, mit sehr unterschiedlichen Gaben in das Projekt zu involvieren“, sagt dazu Weihbischof und Domkapitular Rolf Steinhäuser.

Was ist mit Gerhard Richter?

Ein Künstlername, der in Köln schon reflexartig genannt wird, wenn es um den Dom geht, fehlt: Gerhard Richter. Es könnte eingewendet werden, der hat mit dem Richterfenster schon einen „Leuchtturm“ im Dom platziert. Nach Informationen der Rundschau war der 91-Jährige aber nicht automatisch aus dem Rennen. Er soll bereits vor dem Wettbewerb gefragt worden sein, ob er für ein solches Werk bereit stünde, habe aber aus Altersgründen abgelehnt.

Bis kommenden April sollen die 15 benannten Künstlerinnen und Künstler nun Konzepte entwickeln. Danach wird es einen harten Schnitt geben: Die Jury wird vier Finalisten und Finalistinnen auswählen. Im kommenden Herbst soll dann der Siegerentwurf feststehen.


Die benannten Kunstschaffenden

Azra Aksamija (Cambridge), Christoph Knecht (Düsseldorf), Zenita Komad (Sittersdorf in Österreich), Sigalit Landau mit Gilad Ashery (Tel Aviv, Israel), Roy Mordechay (Düsseldorf), Nira Pereg (Tel Aviv), Karen Russo (London) mit Michaela Meise (Berlin), Julia Scher (Köln), Ruth Schnell (Wien) sowie aus Berlin Ilit Azoulay, Andrea Büttner, Maria Eichhorn, Leon Kahane, Ariel Schlesinger und Simon Wachsmuth.