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Nach Tod von Kurt BraunDatenbank soll in Köln vor gefährlichen Menschen warnen

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Tatort: Am 13. Dezember 2019 wurde Kämmerei-Mitarbeiter Kurt B. in Dünnwald erstochen.

Köln – Seit Montagfrüh um 11.45 Uhr hat die Stadt Köln ein zentrales Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdungen für Mitarbeiter („Zemag“). Dadurch sollen beispielsweise Vollstreckungsbeamten der Kämmerei vor einem Außentermin erfahren, ob ein Schuldner möglicherweise gefährlich ist oder eine gewalttätige Vergangenheit hat. Eben das wusste der am 13. Dezember 2019 getötete Mitarbeiter Kurt Braun nicht (siehe Info-Kasten). Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worauf basiert das neue Melderegister?

Es gilt nur in der Stadtverwaltung und ist angelehnt an das Aachener Modell. Das Modell stuft die Gefahr ein, es gibt vier Stufen von null bis drei. Null: normales bis kontroverses Gespräch. Eins: verbal-aggressives Verhalten wie Beleidigungen. Zwei: Sachbeschädigung, körperliche Gewalt, Bedrohung oder Nötigung. Und drei: Einsatz von Waffe, Bombendrohung, Amoklauf oder Geiselnahme.

Ab wann wird ein Mensch in Köln registriert?

Ab Stufe zwei. Heißt: Für einen Eintrag ins Melderegister muss eine Strafanzeige vorliegen. Beleidigungen gegen etwa Mitarbeiter der Verkehrsaufsicht bleiben unberücksichtigt. Laut Stadtdirektor Stephan Keller sei das eine Abwägung gewesen.

Die Vorgeschichte: Der Fall Kurt Braun

47 Jahre alt ist Kurt Braun, als er am 13. Dezember 2019 für die Kämmerei offene Geldforderungen in Dünnwald eintreiben will. Er und eine Kollegin fahren in die Straße „Auf der Schildwache“, sie wissen nicht, dass der 60-Jährige gefährlich ist, haben keine Polizei dabei. Bei dem Messerangriff stirbt Braun.

Der psychisch kranke Mann hatte am 6. März schon Mitarbeiter des Sozialdezernats mit einem Schraubendreher angegriffen und verletzt. Doch es ist ein anderes Dezernat als die Kämmerei, Kurt Braun und seine Kollegin wissen davon nichts – ebenso wie von dem Angriff auf einen Pfleger in einer geschlossenen Anstalt des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Dort war er nach dem Angriff vom 6. März eingewiesen worden.

Doch am 18. April wurde er wieder entlassen; sowohl LVR als auch Polizei hatten Strafanzeige erstattet, der LVR eine dauerhafte Unterbringung angeregt.

Die Staatsanwaltschaft sollte ein Gutachten anfertigen lassen über den 60-Jährigen, er gilt als nicht schuldfähig. Nur: Das Gutachten wurde nie in Auftrag gegeben, die Staatsanwaltschaft hatte geschlampt, das Thema kam in den Landtag. Strafrechtlich hat sich der zuständige Staatsanwalt nichts zuschulden kommen lassen, dienstrechtlich dauern die Ermittlungen an. Der Prozess gegen den 60-jährigen Dünnwalder folgt. (mhe)

Wie funktioniert das Meldesystem?

Der Betroffene beschreibt den Vorfall in „Zemag“, alle 20 000 Mitarbeiter haben die Möglichkeit. Der Vorgesetzte wird automatisch informiert, gibt die Eingabe frei und stellt Anzeige. Danach prüft das Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit und entscheidet, ob es eine Warnung für alle gibt. Das Zentrum ist gegründet worden, um die Sicherheit zu verbessern.

Wobei hilft das Register konkret?

Angenommen, ein Außendienstmitarbeiter hat einen Termin, kann er den Namen eingeben und erfährt, ob er gefährdet ist und Polizei-Begleitung anfordern sollte. Auch auf den Ämtern mit Kundenkontakt können die Mitarbeiter bei vereinbarten Termin schauen, ob die Kunden gefährlich sind. Das System soll die Sicherheit erhöhen, ohne den Datenschutz zu vernachlässigen. Rund 1500 bis 2000 Mitarbeiter können darauf zugreifen, es sind vor allem Mitarbeiter mit Kundenkontakt, auch der Rettungsdienst der Feuerwehr.

Welche Schwächen hat das System?

Es kann nicht alle Fälle abdecken, beispielsweise die Kunden, die ohne Termin in die Amtshallen kommen oder städtische Mitarbeiter im Alltag angreifen. Keller sagt: „Beim ungeplanten Kundenkontakt kann uns dieses System nicht helfen.“ Es sei kein Allheilmittel.

Wissen die Übeltäter von dem Eintrag?

Ja. Ihre Daten werden aber gelöscht, bei Delikten wie Sachbeschädigungen nach einem Jahr, bei wiederholter Nötigung nach zwei Jahren. Drei Monate vorher wird geprüft, ob verlängert wird.

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Was sagt die Gewerkschaft dazu?

Die Komba vertritt die Mitarbeiter der Kommunen, ihr Bundeschef Andreas Hemsing sagt: „Zumindest in NRW gehört die Stadt Köln damit zu den Vorreitern, Neuss und Aachen haben ähnliche Systeme. Wir fordern eine einheitliche Vorgehensweise der Städte und Kommunen. Ich halte es aber für falsch, dass verbale Beleidigungen nicht erfasst werden. Wenn diese Aggressoren nie gesagt bekommen, ’Bis hierhin und nicht weiter’, fühlen sie sich bestätigt.“